1. Home
  2. People
  3. Swiss Stars
  4. Psychotherapeutin Dania Schiftan im Interview über Probleme und Vorteile bei Altersunterschiede in der Liebe

Psychotherapeutin Dania Schiftan erklärt

Reize und Nachteile eines jüngeren Partners

Melanie Winigers neuer Freund ist 15 Jahre jünger als sie. Doch bei Frauen reicht schon ein Jahr, um von der Gesellschaft für einen jüngeren Partner schief angeschaut zu werden, sagt die Zürcher Psychotherapeutin Dania Schiftan und erklärt im Interview, warum das so ist und wie man als Paar damit umgeht.

Artikel teilen

Melanie Winiger und Timo Todzi

Zwischen Melanie Winiger und ihrem neuen Freund Timo Todzi liegt ein Altersunterschied von 15 Jahren.

Instagram/Melanie Winiger

Dania Schiftan, Melanie Winiger hat einen neuen Partner, der 15 Jahre jünger ist als sie. Das hat bei einigen Menschen für hochgezogene Augenbrauen gesorgt. Warum ist es bei Frauen verpönt, einen jüngeren Partner zu haben?

Wir als Gesellschaft reagieren immer noch stark darauf, wenn die Frau älter ist als der Mann. Bei Frauen ist es bereits Thema, wenn der Mann nur ein, oder zwei oder fünf Jahre jünger ist. Da braucht es nicht einmal den grossen Unterschied von 15 Jahren. Die meisten reagieren bereits irritiert, wenn der Mann überhaupt jünger ist, als die Frau. In der Gesellschaft ist es allgemein so, dass der Mann der Ältere ist. Denn mit älter wird in der Regel verbunden, dass man mehr im Leben steht, man sich um jemanden kümmern kann, einen gewissen Lebensunterhalt finanzieren kann, dass man reifer ist und beschützen kann. Diese Attribute werden fälschlicherweise immer mit Alter verbunden und nicht mit Persönlichkeitsmerkmalen. Aber in der Realität wissen wir, dass auch ganz junge Menschen diese Merkmale haben können und gewisse ältere Personen diese sowieso nie haben werden.

Ist es deshalb bei Männern akzeptierter, wenn sie eine jüngere Partnerin haben?

Genau. Das kommt noch aus einer Zeit, als die Rollenverteilung ganz klar war: Der Mann bringt das Geld nach Hause, die Frau geht nicht arbeiten und kümmert sich um den Haushalt. Der Mann musste für die Familie den Unterhalt verdienen und sich somit um sie kümmern und diese versorgen und die Frau wurde als schwaches Geschlecht betrachtet, das beschützt werden musste. Und in dieser Rollenverteilung war es generell immer so, dass der Mann der Ältere war. Das ist daher in den Köpfen der Gesellschaft immer noch so verankert.

Wieso werden jüngere Männer mit älteren Partnerinnen oft misstrauisch beäugt?

Hier kommen meist Themen ins Spiel wie «jung ist gleich attraktiv». Die Diskussion gab es ja beispielsweise bei Emmanuel Macron, dem französischen Präsidenten und seiner Ehefrau, die erheblich älter ist als er. Alter wird also mit Attraktivität und Fruchtbarkeit verbunden. Und genau dieses Thema tragen Frauen ja häufig dann mit sich, denn sie merken, sie werden älter und sich dann einbilden, nicht mehr attraktiv zu sein. Das spielt dabei sicherlich eine Rolle. Und das ist sicher ein grosser Teil des Misstrauens, denn man denkt sich dann: «Das kann doch nicht sein, dass sich einer freiwillig ein Second Hand-Modell aussucht!» Dieses Denken wird natürlich auch durch Werbung gefördert, wo jung oft attraktiv, fruchtbar, wertvoll betrachtet wird, als «Accessoire» sozusagen. Biologisch hat das natürlich eine kleine Komponente, denn je jünger eine Frau ist, desto fruchtbarer ist sie im Normalfall – das ist die Realität. Aber da hört dann die Realität eigentlich auch schon auf. 

In der Gesellschaft heisst es häufig, dass man mehr zu sagen hat, wenn man älter ist, denn älter bedeutet angeblich weiser, mehr Lebenserfahrung und so weiter. Aber junge Menschen bringen häufig Gedanken und Aspekte in die Beziehung mit, die Ältere noch nie oder schon lange nicht mehr hatten. Solche frischen Ansätze braucht es für die Gesellschaft sehr stark. Und da sollte man nicht immer danach gehen, wie alt oder reif die Person ist, denn darauf kommt es nicht immer an.

Welche Nachteile könnte denn ein grosser Altersunterschied zwischen den Partnern in einer Beziehung haben?

Ein Nachteil kann sein, dass man sich in komplett verschiedenen Lebensphasen befindet. Der eine will Kinder, der andere will keine. Der eine will noch eine Ausbildung machen, will reisen gehen und seine Jugend geniessen, der andere will sich niederlassen. Oder der eine will noch viel in den Ausgang, der andere will aber lieber daheim bleiben. Und dann kann der grosse Altersunterschied zu einem Problem werden, vor allem, wenn man erwartet, dass man die jeweiligen Lebenswelten miteinander teilt. Wenn man sich aber gegenseitig befruchten kann und trotzdem jedem seinen Raum gibt, sich dafür dann eine gemeinsame Komponente sucht, die einen verbindet und die man gemeinsam erleben kann. Dadurch kann es eine wahnsinnige Bereicherung für die Beziehung sein, wenn man so unterschiedlich ist, gerade weil man eben so unterschiedlich ist.

Und welche Vorteile könnte es mit sich bringen?

Vorteile gibt es viele. Diese sind – genau wie die Nachteile – immer individuell. Geht es beispielsweise um das Thema Kinder, kann man sich beispielsweise so finden, dass dann etwa der ältere Partner oder die ältere Partnerin sagt: «Wir können sowohl Kinder haben, als auch du deine Ausbildung machen, denn ich habe genügend Ruhe und Zeit, mich um die Kinder zu kümmern.» Man kann also auch von der Erfahrung und Ruhe und Entspanntheit vom anderen profitieren. Manchmal helfen die gegensätzlichen Lebenssituationen, die eigenen Grenzen zu erweitern. Mehr ist möglich wenn man es zu nutzen weiss

Mit einem jüngeren Partner kann man unbeschwert sein.

Psychotherapeutin Dania Schiftan

Worin liegt der Reiz an einem jüngeren Partner oder einer jüngeren Partnerin beziehungsweise einem älteren Partner oder einer älteren Partnerin?

Wenn man aktiv nach jemandem mit einem gewissen Altersunterschied sucht, geht es meiner Meinung nach nicht mehr primär darum, eine Person zu finden, die zu einem passt. Sondern man hat dann vielmehr das Bild im Kopf, dass etwa eine ältere Person eben allgemein reifer ist und man dann schnell sagt: «Ich hab in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass gleichaltrige Personen unreif und dumm sind.» Dabei kommt es schnell zu Pauschalisierungen, die so an sich nicht stimmen müssen. Das schränkt die Beziehungssuche aber dann extrem ein, wenn man mit diesem Gedanken heran geht, dass eine Person eines gewissen Alters bestimmte Attribute mitbringt, die man entweder wünschenswert findet oder abschrecken. Denn es kann ja passieren, dass beispielsweise ein jüngerer Mann viel reifer ist, als ein viel älterer Mann, eine Frau diesem dann aber keine Chance gibt, einfach weil er jünger ist.

Der Reiz in einem jüngeren Partner oder einer jüngeren Partnerin könnten aber darin liegen, dass man sich denkt, dass man mit einer jüngeren Person noch unbeschwerter sein kann, dass diese einen im Prinzip jung hält und einen erleben lässt, was man in den eigenen jungen Jahren vielleicht verpasst hat und man so seine Jugend noch einmal erleben kann. Das muss aber natürlich auch nicht immer stimmen. Man unterstellt zum Beispiel Frauen mit jüngeren Partnern gerne mal, dass diese sich mit dem jüngeren Mann jung halten wollen, aber es kann ja schliesslich genauso gut sein, dass sie sich einfach in ihn als Person verliebt hat und das Alter keine Rolle spielt.

Leider spielt in dieser Diskussion auch immer wieder das Thema Attraktivität eine Rolle. Ältere Männer gelten immer noch gerne mal als attraktiver, wohingegen ältere Frauen als unattraktiver angesehen werden. Es ist also immer die Frage, welche Normen die Gesellschaft aufstellt

Wie geht man als Paar damit um, wenn man von aussen ständig mit dem Thema des grossen Altersunterschiedes konfrontiert wird?

Meiner Meinung nach ist das als Paar und auch als Mensch immer wieder eine Herausforderung, wenn es um die Frage geht, wie stark man andere Personen in der eigenen Angelegenheit mitreden lässt. Wenn man von aussen betrachtet sehr unterschiedlich ist, muss man einfach wissen, dass immer Bemerkungen kommen werden. Da ist es dann wichtig, sich innerlich zu wappnen, damit man nicht jedes Mal aufs Neue irritiert, verletzt oder wütend ist. Gleichzeitig macht es Sinn, die Situation für sich selbst durchdacht zu haben und dazu zu stehen, dass man sich in diesen einen Menschen verliebt hat. Es hilft, sich selbst Antworten zurecht zu legen, die man dann parat hat, wenn jemand einen Kommentar zu der Beziehung bringt, um diesen Personen direkt aufzuzeigen, dass sie mit ihrer Bemerkung eine Grenze überschritten haben.

Zur Person

Dania Schiftan Sexual- und Psychotherapeutin
ZVG

Dania Schiftan ist seit 2008 selbstständige Sexual- und Psychotherapeutin. Neben der Praxistätigkeit gibt sie regelmässig Kurse, Vorträge und Workshops. Sie ist Autorin des Buches «COMING SOON - ORGASMUS IST ÜBUNGSSACHE», «Keep it coming - Guter Sex ist Übungssache» und der Graphic Novel «Let's talk about Sex», die im Piper-Verlag auf den Markt gekommen sind.

 Silja Anders
Silja AndersMehr erfahren
Von Silja Anders am 7. November 2022 - 20:00 Uhr