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Zukunft der Influencer – Sara Leutenegger

«Niemand ist eine Konkurrenz für mich»

Nach ihrer Teilnahme bei Heidi Klums Modelshow sattelte Sara Leutenegger beruflich um: Seit zwei Jahren verdient die gelernte Bauzeichnerin ihren Lebensunterhalt mit Instagram. In der SI-Serie «Zukunft der Influencer» spricht Sara über ihr Business und die Herausforderungen.

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Sara Leutenegger Influencerin 2020

Sara Leutenegger arbeitet seit August 2018 hauptberuflich als Influencerin.

Instagram/saraleutenegger

Ihre Teilnahme bei «Germany's next Topmodel» im Frühling 2018 machte Sara Leutenegger, 26, berühmt. In den Wochen, als die TV-Show zur besten Sendezeit auf ProSieben ausgestrahlt wurde, wuchs ihr Instagram-Account auf 100'000 Follower. Diese Reichweite war Sara gross genug, um damals voll auf die Karte Instagram zu setzen: Nach ihrem Ausscheiden aus der Modelshow hängte sie ihren alten Job als Bauzeichnerin an den Nagel und schlug eine Karriere als Influencerin ein.

Mittlerweile zählt ihr Instagram-Profil 118'000 Abonnenten. Nahezu täglich bewirbt die Zürcherin mit Wurzeln in El Salvador Produkte und Dienstleistungen aus dem Sport- und Lifestylebereich. Im Rahmen der SI-Serie «Zukunft der Influencer» spricht Sara Leutenegger im Interview über die Herausforderungen im Influencer-Business und verrät, wohin sie beruflich steuert.

Sara Leutenegger, vor zwei Jahren bist du als Influencerin gestartet. Seit wann kannst du von dieser Tätigkeit leben?
Eigentlich von Beginn an. Als ich mich im August 2018 selbstständig machte, hatte ich anfangs einen Minimallohn, aber das Geld reichte zum Leben. Mittlerweile sieht die Auftragslage super aus. Mein Einkommen offenbare ich nicht, aber ich verdiene heute besser als in meinem alten Job als Bauzeichnerin.

Als Medienschaffende habe ich den Eindruck, Influencer schiessen zurzeit wie Pilze aus dem Boden. In einem solchen Umfeld nachhaltig gefragt zu bleiben, stelle ich mir schwierig vor. Wie erlebst du diesen Verdrängungswettbewerb?
Ich habe den Eindruck, dass auf dem Schweizer Markt heute mehr Personen professionell Content kreieren als noch vor zwei Jahren, als ich damit angefangen habe. Dieser Umstand ist für mich aber nicht negativ, denn jeder Influencer ist individuell und damit nicht durch einen anderen ersetzbar. Die wachsende Zahl der Influencer pusht mich aber, das Beste aus meinem Account herauszuholen und immer aktiv zu bleiben.

Ab welcher Followergrösse hat man es geschafft, zu den Grossen zu gehören?
Man kann schon relativ früh davon leben. Ich kenne Schweizer Influencer, die haben nur 17'000 Follower und machen es bereits hauptberuflich. Es kommt darauf an, in welcher Nische man sich bewegt. Für den Schweizer Markt ist 100'000 Follower ein guter Wert, in Deutschland muss man eine Million Follower haben, um eine gewisse Präsenz zu haben und für Brands interessant zu sein.

Sind andere Schweizer Influencer in deiner Followergrösse eine Konkurrenz für dich?
Niemand ist eine Konkurrenz für mich. Nicht, dass ich die Beste auf diesem Gebiet bin, aber ich bin in meiner Persönlichkeit nicht gleich wie andere und daher fühle ich mich durch niemanden direkt konkurrenziert. Manche Leute, die wie ich im Lifestyle- und Sportbereich Werbung machen, supporte ich sogar.

Welche Schweizer Instagram-Persönlichkeiten unterstützt du konkret?
Ich verstehe mich sehr gut mit Fashion-Influencerin Michèle Krüsi, die als «thefashionfraction» auf Instagram präsent ist. Manchmal gehen wir zusammen Wandern, packen einen Haufen Kleider ein und machen an einer schönen Location gegenseitig Fotos. Ab und zu buchen uns Kunden für die gleiche Kampagne, das ist voll okay für mich. Mein grösster Influencer-Buddy ist Steven Epprecht. Mit ihm mache ich ganz viele Kampagnen. Früher hatte ich auch viele Kooperationen mit Sylwina, seit sie aber bei «Blick TV» moderiert, sind unsere gemeinsamen Aufträge weniger geworden.

«Kunden interessiert vor allem das Engagement»

Während der Influencer-Tätigkeit hast du dich verändert. Deine Bedürfnisse und Interessen haben sich verlagert. Wie wirkt sich etwa deine Schwangerschaft auf deine Community aus?
Meine Schwangerschaft merke ich extrem an meiner Community. Am Anfang folgten mir die Leute einfach wegen meiner Teilnahme bei «GNTM». Nach meinem Ausscheiden bei der Show fielen einige wieder weg. Diejenigen, die an mir drangeblieben sind, haben ein vertieftes Interesse an meiner Person. Seit ich meine Schwangerschaft öffentlich gemacht habe, ist eine neue Community entstanden. Es folgen mir nun sehr viele Frauen gleichen Altes oder älter, die ebenfalls ein Kind erwarten oder Mutter werden möchten. Gerade solche Follower melden sich häufig via Direktnachricht mit persönlichen Worten bei mir und suchen den Dialog. Hierfür nehme ich mir gerne Zeit. 

Die Zahl Direktnachrichten hilft dir für dein Business aber relativ wenig. Als Influencer sind Follower, Comments, Views und Likes deine Währung. Welche Messgrösse hat für dich persönlich den grössten Stellenwert?
Kunden interessiert vor allem das Engagement. Das heisst, wie viele User haben meinen Beitrag gesehen, wie viele davon haben ihn geliket oder kommentiert. An diesen Werten messe ich meinen Erfolg.

Dein Erfolg ist abhängig von Algorithmen. Wenn der Algorithmus geändert wird, bricht deine Reichweite ein. Wie gehst du mit diesem Problem um?
Genau aus diesem Grund habe ich vor einem Jahr zusätzlich zu Instagram noch TikTok als Kanal hinzugenommen. So bin ich wenigstens nicht nur an eine Plattform gebunden. Wenn mich Algorithmus-Probleme plagen, beruhigt mich der Umstand, dass es anderen Influencern meist genauso geht. Wenn meine Reichweite wie aus dem Nichts plötzlich viel schlechter ist, darf ich also annehmen, dass es nicht meine Schuld ist. Die Erfahrung hat mich gelernt, dass es sich zumeist schnell wieder stabilisiert.

Wie würdest du deine eigene Marke Sara Leutenegger beschreiben?
Mein Name steht für die Wörter jung, kreativ und dynamisch. Ein eigentliches Markenversprechen habe ich nicht, aber ich denke, die Leute folgen mir, weil ich ein positiver Mensch bin, der einen gesunden Lifestyle lebt.

Hast du dir von Beginn an eine Positionierung für deine Marke überlegt oder kam das spontan?
Nein, ich bin nach «GNTM» von 0 auf 100 gestartet, ohne viel Ahnung vom Influencer-Business zu haben. Ich musste erst selber entdecken, welche Themenwelten meine sind und was ich gegen aussen repräsentieren möchte. Anfangs peilte ich aufgrund meiner Modelerfahrungen den Fashionbereich an, ich stellte aber schnell fest, dass mich auch noch andere Themen wie Sport und Kochen zu Hause interessieren. Mein Instagram hat sich organisch mehr und mehr in diese Richtung entwickelt.

Hattest du bei der Weiterentwicklung deines Instagram-Accounts Hilfe von einer PR-Agentur?
Nein, ich habe alles selber gemacht. Mein Mann Lorenzo hat mich dabei grossartig unterstützt, sei es beim Fotografieren oder auch bei strategischen Überlegungen. Eine grosse Starthilfe war auch meine Influencer-Kollegin Sylwina, die bereits seit vielen Jahren Geld mit Instagram verdient. Als ich die ersten Influencer-Anfragen erhielt, war sie mir eine gute Ratgeberin, wie viel Geld ich verlangen darf oder wie ich eine Kampagne umsetzen kann. Sylwina kam zur richtigen Zeit in mein Leben.

Wie kommst du heute zu deinen Aufträgen?
Brands schreiben mich per E-Mail oder auch per Instagram an. Zudem arbeite ich auch mit verschiedenen Influencer-Agenturen zusammen. Wenn dort ein Auftrag reinkommt, der zu mir passt, werde ich benachrichtigt. Die Verhandlungen führe ich aber jeweils selber, weil ich wissen möchte, mit wem ich es zu tun habe.

«Abnehmerpillen würde ich nie bewerben»

Influencer bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Authentizität und Geld verdienen. Wie fällst du hier die richtigen Entscheide?
Authentizität ist für mich das Wichtigste. Bevor ich überhaupt ins Verhandeln von Geld gehe, stelle ich mir immer die eine Frage: Ist das ein Brand, den ich selber schon nutze und cool finde beziehungsweise ist das ein Brand, den ich noch nicht selber nutze, aber in Prinzip cool fände? Wenn ich diese Frage mit Ja beantworten kann, dann beginnen die Verhandlungen, sonst lehne ich dankend ab.

Für welche Sache/Dienstleistung würdest du niemals Werbung machen?
Im Food-Bereich gibt es so viel Schlankmacher-Zeugs wie etwa Abnehmerpillen. Sowas würde ich nie bewerben. Ebenfalls nicht infrage kommt für mich Werbung für harten Alkohol, Tabakwaren oder auch Sextoys. Ich verurteile diese Dinge nicht, bin aber nicht die richtige Person, um solche Dinge zu bewerben.

Mit welcher Rechtsform bist du heute unterwegs und weshalb diese?
Ich habe damals als Einzelfirma gestartet, seit Anfang 2020 bin ich eine GmbH. Mein Treuhänder hat mir dazu geraten, da ich als Angestellte meiner GmbH nun wieder an eine Pensionskasse angeschlossen bin. Zudem eröffnet mir die GmbH die Möglichkeit, später einmal jemanden anzustellen.

Wo siehst du die grössten Business-Herausforderungen für die Zukunft?
Ich habe keine Angst davor, wie die Zukunft von Influencern ausschauen mag, ich gehe einfach mit dem Fluss. Meine persönlich grösste Herausforderung ist: Was will ich im Leben noch erreichen? Momentan arbeite ich jeden Tag an meinem Instagram, ab November wird sich das ändern müssen. Sobald mein Sohn auf der Welt ist, werde ich gefordert sein, wie ich meine Zeit aufteile.

Bereitet es dir Kopfzerbrechen, dass du als Influencerin irgendwann nicht mehr so gefragt sein könntest?
Vor einer drohenden Arbeitslosigkeit mache ich mir keine Sorgen. Falls ich als Persönlichkeit auf Social Media irgendwann nicht mehr von Interesse sein sollte, habe ich meine abgeschlossene Lehre als Bauzeichnerin sowie eine Zweitausbildung als ernährungspsychologische Beraterin als Sicherheit. Zurzeit bin ich zudem mit meinem Influencer-Kollegen Steven Epprecht daran, mir ein zweites Standbein aufzubauen. Wir wollen eine eigene Marketing-Agentur gründen. Steven wie ich haben so viel Know-how mit Influencer-Kampagnen und Community-Management, sodass wir uns zutrauen, dieses Wissen professionell weitergeben zu können.

Wie weit seid ihr in diesem Vorhaben?
Wir haben schon einiges an Vorarbeit geleistet. Zurzeit sind wir daran, den Businessplan fertig zu schreiben und unsere eigene Internetseite aufzubauen. Ziel ist, dass wir Ende 2020 oder spätestens Anfang nächstes Jahr starten können. Im Idealfall haben wir bis dahin sogar schon eine Büroräumlichkeit im Raum Zürich gefunden.

Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Ich sehe mich mit meinem Mann Lorenzo und zwei Kindern in einem schönen Haus. Lorenzo und ich sparen beide für ein Eigenheim – das ist Anlage und Absicherung zugleich. Ich wünsche mir selbstständig Teilzeit arbeiten zu können, um nicht abhängig zu sein. Mein Wunsch wäre es, dass meine Marketing-Agentur irgendwann floriert und ich mir zwei, drei Angestellte nehmen kann.

Von Sarah Huber am 10. August 2020 - 16:39 Uhr