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Paris im Visier

Was in Simon Ehammers Koffer nicht fehlen darf

Er hat sich entschieden: Leichtathlet Simon Ehammer verzichtet bei Olympia auf seinen geliebten Zehnkampf und setzt voll auf den Weitsprung. Welchen Aberglauben er hat, wer ihn nach Paris begleitet und was in seinem Koffer niemals fehlen darf.

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Simon Ehammer, Leichtathlet fotografiert in Teufen, AA.

Blick voraus auf Paris: Simon Ehammer will eine Medaille im Weitsprung holen.

Ladina Bischof

Simon Ehammer (24) ist nicht abergläubisch. Behauptet er zumindest von sich selbst. Und trotzdem gibt es Dinge, die er vor jedem Wettkampf machen muss. Zum Beispiel Schwarztee zum Frühstück trinken. Oder sich beim Aufwärmen mit Tigerbalsam, Perskindol und Shaolin-Spray einreiben. Eine Zeit lang trug er einen One Sleeve – eine Einzel-Armstulpe – bei Wettkämpfen. «Wenn ich etwas mache und es dann beim Wettkampf gut läuft, muss ich das dann immer anwenden.» So lange, bis es halt nicht mehr klappt. So trägt er auch den One Sleeve nur noch punktuell.

Simon Ehammer, Leichtathlet fotografiert in Teufen, AA.

Verschnaufpause: Zwischen den Trainingseinheiten werden Schuhe gewechselt.

Ladina Bischof

Simon Ehammer steht in den Startlöchern für Paris. Es wird sein erster Olympiaauftritt sein. Der Leichtathlet weiss genau, was in seinen Koffer kommt – auch ohne Packliste. Er tippt an seinen Kopf. «Das kommt alles von hier.» Seinen grössten Glücksbringer trägt er um das Handgelenk. Es ist ein Armband, das ihm seine Verlobte Tatjana Meklau (24) bereits 2021 schenkte und speziell für ihren Schatz gravieren liess. Auf der Vorderseite steht «Road to Paris» (Der Weg nach Paris) und auf der Rückseite: «I believe in you» (Ich glaube an dich).

Seit er es bekommen hat, hat er es nie mehr abgenommen. Auch einen Kleeblatt-Schlüsselanhänger hat er immer dabei, ebenfalls ein Geschenk von Tatjana. Und von einem Fan bekam er kürzlich Pariser Pins geschenkt, die er an seinem Rucksack trägt. «Das Schlimmste, was ich vergessen könnte, wären die Kopfhörer. Die brauche vor dem Wettkampf, um mich zu pushen.» Meistens hört der da Hip-Hop, im Zug nach Paris darf es auch etwas Countrymusik sein. Um sich die Zeit zwischen den Wettkämpfen zu vertreiben, nimmt Ehammer gern Sudoku-Hefte mit. Oder ein «Yatzi», das er dann mit seinem Trainer spielt. 

Abenteuer Olympia

Der Leichtathletik-Crack freut sich riesig auf das Erlebnis Olympia. Er sagt: «Das ist schon noch mal grösser als alles, was ich bisher erlebt habe.» Er freue sich auf die Dimension und vor allem auf die spezielle Atmosphäre. 2021 verpasste er die Spiele in Tokio verletzungsbedingt. Nun setzt er bei seinem Debüt auf seine Paradedisziplin Weitsprung. Eigentlich wollte er ebenso beim Zehnkampf – seiner grossen Leidenschaft – antreten, aber dies sei dieses Jahr einfach nicht möglich. «Im Mehrkampf fehlen mir momentan noch die Sicherheit und die Routine.»

Kein Wunder – erst im September 2023 musste sich Ehammer wegen Schmerzen an der Schulter operieren lassen. Zwar kam er schnell zurück, wurde an der Hallen-WM in Glasgow diesen März überraschend Mehrkampf-Weltmeister. Sein Trainer René Wyler aber betont: «Erst im März hat Simon erstmals wieder Speer geworfen, der Trainingsrückstand ist enorm.» Die Kraft im Arm sei einfach noch nicht ganz zurück. Dazu komme, dass die Termine für Zehnkampf und Weitsprung zu nah beieinanderliegen. Ehammer hätte wenig Zeit zu ruhen und zu schlafen. Es wäre einfach zu viel.

Simon Ehammer, Leichtathlet fotografiert in Teufen, AA.

Das Training vor Paris ist vielfältig – mit Mehrkampf-Kollege Andrin Huber übt er Hürdenlauf.

Ladina Bischof

Die vergangenen Wochen waren schwierig für den Appenzeller. Lange haderte er mit der Entscheidung, Kopf und Herz wollten unterschiedliche Dinge. Nun ist er im Reinen damit. Der Druck und die Ungewissheit seien abgefallen. «Es wird trotzdem wehtun, den Zehnkämpfern in Paris zuzuschauen. Aber es hätte auch wehgetan, den Weitspringern zuzuschauen.» Im Juni holt er an der EM in Rom Bronze. In diesem Jahr ist zudem erst ein Athlet weltweit weiter gesprungen als Ehammer (8,36 Meter). «Im Weitsprung habe ich einfach die grössten Medaillenchancen.» Ehammer zögert, dann lacht er. «Und ja, natürlich möchte ich auch gern eine Medaille gewinnen.»

«Es wird wehtun, den Zehnkämpfern zuzuschauen»

Simon Ehammer

Hochzeit als i-Tüpfelchen

Auch seine Verlobte Tatjana Meklau wünscht sich eine Medaille für ihren Schatz. Gold soll es sein. «Aber am meisten wünsche ich ihm, dass er es geniessen kann. Es ist ein Privileg, bei Olympia antreten zu dürfen», sagt Meklau. Die 24-jährige Österreicherin weiss, wovon sie spricht. Sie ist selbst Spitzensportlerin, fährt Skicross. Im März crashte sie heftig und musste sich wegen eines Kreuzbandrisses und eines Sprunggelenkbruchs zum neunten Mal in drei Jahren operieren lassen. «Bei mir ist gerade nicht an Sport zu denken, dafür kann ich mich für Simon freuen und habe viel Zeit für ihn und seine Wettkämpfe.» Das turbulente und durchaus erfolgreiche Jahr von Ehammer wird die Hochzeit der beiden im September abrunden.

Simon Ehammer ist ein Schweizer Leichtathlet, der sich auf den Zehnkampf spezialisiert hat, aber auch im Weitsprung an den Start geht, zusammen mit seiner Freundin Tatjana Meklau Hammerwerferin und Skicrosserin aus Oestereich. Aufgenomman am 29.07.2022 auf der Schwaegalp. Bild © Remo Naegeli

Geben sich im September das Jawort: Simon Ehammer und Tatjana Meklau.

Remo Nägeli

Wann wird die Nervosität grösser sein: vor den Spielen oder vor der Hochzeit? «Vor den Spielen!», ruft Ehammer bestimmt, «die Trauung wird das i-Tüpfelchen auf diesem Jahr sein, ich freue mich sehr.» Es soll eine familiäre Angelegenheit werden. Falls er Olympiasieger wird, möchte er die Familie und sein Team fein zum Essen einladen, denn: «Zu sehr über den Durst trinken tu ich auch nicht mehr, das gibt fürchterlich Kopfweh. Man müsste es halt mehr machen.» Der Leichtathlet lacht keck. Ehammer hofft, dass er noch an zwei Olympischen Spielen teilnehmen kann – idealerweise im Zehnkampf und im Weitsprung.

Zu seiner ersten olympischen Erfahrung begleiten wird ihn Tatjana Meklau, ihre Schwester und seine Familie. Auf der Tribüne werden sie ihn zusammen anfeuern. «Simon sucht mich immer in den Reihen. Dann schickt er mir Luftküsse und winkt. Darauf freue ich mich immer», erzählt Meklau. Und sie hat ein eigenes kleines Ritual, an das sie auf der Tribüne denken muss. «Kurz bevor er startet, muss ich ‹Hopp, Simi!› rufen. Er hört das wahrscheinlich nicht, aber es muss sein.» Die Nacht vor Wettkämpfen schlafe sie nie gut. Das werde auch in Paris nicht anders sein. Sie sei bestimmt aufgeregter als er. Und wahrscheinlich auch abergläubischer.

Von Yara Vettiger am 20. Juli 2024 - 06:00 Uhr