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SVP-Nationalrat Alfred Heer über die Crypto-Affäre

«Wir sind absolut vertraulich»

Die CIA las immer mit. Nun flog der Spionage-Thriller auf. Im Zentrum: die Zuger Verschlüsselungsfirma Crypto AG. Der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer über den Schaden für die Schweiz. Und was er jetzt tun will.

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ZŸrich, Schweiz, 2020Alfred Heer, Nationalrat.

SVP-Nationalrat Alfred Heer ist Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments, GPDel.

Dominic Nahr / MAPS

Alfred Heer, seit wann wissen Sie, dass amerikanische und deutsche Geheimdienste via Dechiffriergeräte einer Schweizer Firma über einhundert Staaten ausspioniert haben?
Alfred Heer: Wir wurden im November 2019 informiert, dass die «Rundschau», das ZDF und die «Washington Post» über so etwas am Recherchieren sind.

Wer ist wir?
Wir sind die Mitglieder der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments, GPDel. Wir sind die wichtigste Untersuchungsbehörde von National- und Ständerat für alles, was beim Bund passiert.

Und, waren Sie überrascht?
Nein. Wir wussten ja seit Snowden, dass die Amerikaner sogar das Handy von Angela Merkel abgehört haben.

Als Vertreter der SVP ist die Neutralität für Sie etwas sehr Wichtiges. War es nicht enorm hinterhältig von den USA und den Deutschen, eine Schweizer Firma heimlich zu besitzen und mit manipulierten Dechiffriergeräten Staaten auszuspionieren, die vielleicht die Crypto-Geräte kauften, weil sie dachten, die Schweiz sei neutral?
Halt, halt. Selbst wenn Crypto dem Bundesnachrichtendienst Deutschlands und der CIA gehört hat, es ist und bleibt eine private Firma. Private Firmen dürfen so was machen. Auch Rüstungsfirmen verkaufen Freund und Feind Waffen. Die stehen ja nicht für unser Land.

Wenn es aber stimmt, was die «Washington Post» schreibt, dann wussten Leute der Schweizer Regierung – also Bundesräte – und aus der Bundesverwaltung, also ziemlich sicher unser Nachrichtendienst, dass CIA und BND von Zug aus die ganze Welt ausspioniert haben. Und das von 1970 bis 2018. Dann ist es doch ein Schweizer Neutralitätsproblem, oder nicht?
Warten wir doch mal unsere Untersuchung ab.

Von welcher Untersuchung sprechen Sie nun?
Ich als Präsident der GPDel habe für Donnerstag eine Sitzung einberufen. Ich will, dass wir eine Untersuchung machen über all das. Damit wir wissen, inwieweit der Staat Schweiz wirklich betroffen ist.

Aber der Bundesrat hat doch auch bereits Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer mit einer Untersuchung beauftragt.
Ja, das stimmt. Aber das ist nur ein sogenannter Forschungsbericht. Oberholzer hat nicht diese Kompetenzen, die wir haben. Wenn wir von der GPDel jemanden vorladen…

Also Zum Beispiel den früheren Justizminister Christoph Blocher oder den früheren Verteidigungsminister Adolf Ogi…
Wieso nennen Sie jetzt gerade Blocher?

Das sind doch Ihre Parteifreunde… Könnten Sie die wirklich hart befragen?
Ja, absolut. Ich bin seit vier Jahren in der GPDel. Da geht es nie um Parteipolitik. Wir verstehen uns wirklich als Untersuchungsorgan im Auftrag des Parlaments. Wir sind absolut verlässlich und vertraulich. Aus der GPDel dringt nie etwas nach draussen. In der neuen Zusammensetzung seit den Wahlen ist Ständerätin Maya Graf von den Grünen meine Vizepräsidentin. Dazu kommen Ständerat Philippe Bauer von der FDP, Ständerat Werner Salzmann von der SVP, Nationalrätin Yvonne Feri von der SP und Stefan Müller-Altermatt von der CVP. Wer von uns vorgeladen wird, muss wahrheitsgetreu und vollumfänglich Auskunft geben. Das ist eine scharfe Waffe.

Also auch der ehemalige Nachrichtendienstchef Markus Seiler, der heute bei Cassis als Generalsekretär arbeitet, muss Ihnen dann die ganze Wahrheit sagen?
Falls er vorgeladen wird, ja. Alle, die vorgeladen werden. Natürlich können sie auch schweigen. Aber lassen Sie uns jetzt eine Liste erstellen, wen wir vorladen wollen.

Wann fangen Sie denn mit Ihrer Arbeit an?
Sofort. Vielleicht fixieren wir schon morgen Donnerstag Termine für Anhörungen. Vielleicht beginnen wird schon nächste Woche damit. Das ist unser grosser Vorteil. Wir können sofort loslegen. Eine Parlamentarische Untersuchungskommission PUK muss hingegen vom Parlament zuerst noch beschlossen werden.

Sie können als GPDel nur Leute aus Regierung und Verwaltung befragen. Eine PUK könnte aber auch die illustren Schweizer Verwaltungsräte der Crypto befragen. Dort waren ja die beiden freisinnigen Alt-Nationalräte Rolf Schweiger und Georg Stucky drin. Wäre das nicht gut, um die Aussagen, die Sie erreichen, zu spiegeln?
Dazu will ich mich nicht äussern, weder für noch gegen eine PUK. Ich will jetzt einfach meine Arbeit als GPDel-Präsident machen.

Sie stehen im Wettlauf mit den Medien. Die befragen jetzt auch schon einige frühere Bundesräte. Justizministerin Elisabeth Kopp und Militärminister Koller können sich offenbar «nicht erinnern». Was machen Sie, wenn alle schweigen oder sich nicht erinnern? Steht dann in Ihrem Bericht, dass sich alle nicht erinnern?
(Heer lächelt und schweigt.)

Von der Arbeit der GPDel dringt ausser dem Jahresbericht wenig nach draussen. Wie erfahren wir, was Sie so alles rausbringen werden?
Klar werden wir mit einem Bericht an die Öffentlichkeit treten.

Für den «Tagesanzeiger» steht heute schon fest, dass die Schweizer Geschichte der Neutralität umgeschrieben werden muss.
Das werden wir dann am Schluss unserer Untersuchung sehen: Ob es einfach ein Stück Historie ist oder wirklich eine Staatsaffäre werden kann.

Eine Staatsaffäre wäre es, wenn unsere Bundesräte irgendwann ab 1970 – zum Beispiel die Verteidigungs- oder Justizminister – davon gewusst hätten?
Dazu kann und will ich nichts sagen. Ich will zuerst wissen, was wirklich war.

Glauben Sie dem VBS, dessen Abteilung Kryptologie sagt, die Crypto-Geräte, die die Schweizer Armee gekauft hat, seien nicht manipuliert worden, also abhörsicher und sauber.
Ich glaube einfach ganz allgemein, letztlich ist kein Dechiffriersystem der Welt abhörsicher. Und das ist das Problem dahinter. Die Datensicherheit der Staaten, unserer Firmen, aber auch von uns Bürgern.

Jo Lang von den Grünen ist aus Zug. Er sagte heute im Radio, dass dort die Kantonspolizei ein Dechiffriergerät anschaffen wollte. Dabei standen zwei Systeme zur Auswahl. Eines aus den USA von Motorola und das von Crypto aus Zug. Dabei habe Crypto für sich geweibelt mit dem Argument: Wenn die Zuger Polizei Motorola vertraue, werde der US-Geheimdienst alles mithören, Crypto hingegen sei vertrauenswürdig, schweizerisch und die Daten bleiben hier. Und jetzt erfahren wir, dass bei Crypto der CIA direkt am Drücker war. Ist das nicht schockierend?
(Zuckt mit den Schultern.) Bis anhin ist Crypto eine private Firma, wem auch immer sie gehörte. Die meisten Firmen in diesem Bereich haben solche Probleme, denk ich.

Muss sich dann der Bundesrat entschuldigen, zum Beispiel bei Österreich oder dem Vatikan, die solche Geräte kauften, weil sie der Schweizer Neutralität vertrauten?
Wie gesagt. Wir werden sehen, ob es wirklich eine Staatsaffäre wird oder eben nicht.

Von Werner De Schepper am 12. Februar 2020 - 19:23 Uhr