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  4. Fifa-Präsident Sepp Blatter Interview über Liebe, Gesundheit etc.

Sepp Blatter

«Vielleicht trifft mich die Liebe noch einmal»

Was wünscht sich einer, der alles hat? Gesundheit, Wiederwahl und – eine Frau an seiner Seite! Fifa-Präsident Sepp Blatter, der am 10. März 75 Jahre alt wird, über seine drei Ehen, seine Freunde und sein Rhythmusgefühl.

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Fifa-Präsident Sepp Blatter kennt keine Angst.

Als junger Bub in Visp hatte Joseph Blatter kaum eine Vorstellung davon, wie das Leben als reifer Mann ist. «Damals fand ich schon einen 60-Jährigen uralt und dachte: ‹Dass so einer überhaupt noch lebt?!›» Mit 75 weiss der Fifa-Präsident: Er lebt noch – und wie! Am 1. Juni will der Chef über 300 Millionen Fussballer in Zürich für eine vierte Amtsperiode gewählt werden. Blatter über:

  • Mein Geburtstag
    Am 10. März 1936 kam ich um 14.15 Uhr in Visp zur Welt. Nach nur sieben Monaten! Meine Mutter war dabei, Wäsche aufzuhängen, als es losging. Zum Glück kam gerade Besuch, der bei der Geburt helfen konnte. Ein Spitalbett für Frühgeborene gab es damals nicht. Also hiess es: Friss oder stirb! Ich musste also zu Hause kämpfen, um zu überleben. Diesen inneren Antrieb spüre ich immer noch. Meine Mutter wurde 94 Jahre alt. Mein Vater ist mit 72 bei einem Autounfall verstorben, tragisch.
  • Mein Geburtstagswunsch:
    Was wünscht man sich, wenn man alles hat? Dass es mir in den nächsten fünf Jahren auch so gut geht wie in den letzten fünf! Und zwar gesundheitlich wie beruflich. Ich habe keine materiellen Wünsche, brauche weder Porsche oder Ferienhaus noch Jacht oder Villa. Mein grösstes Geschenk ist mein «Stärnli», meine zehnjährige Enkelin Selena. Am 10. März lade ich das Fifa-Team, also alle Mitarbeitenden im Home of Fifa, zu einem Apéro ein. Und am 19. März, dem Tag meiner Taufe, werde ich in Visp mit meinen Brüdern und ihren Familien anstossen. Ein Riesengaudi wie zu meinem Siebzigsten, als die Fifa-Leute in Oerlikon fast 400 Gäste geladen hatten, möchte ich nicht. Ich konnte das nicht so geniessen, ich musste ständig auf die Bühne.
     
  • Meine Frauen
    Ich bin ein Mann, der die Frauen mag – aber eben auch kein einfacher Mensch! Vielleicht bin ich deshalb dreimal geschieden? Als ich zur Fifa kam, hatte ich bereits eine kleine Familie. Meine erste Gattin (Liliane Biner, Anmerkung der Redaktion) war und ist immer noch eine gute Frau und Person. Aber wir waren jung – zu jung, haben zu früh geheiratet, das konnte wohl nicht klappen. Heute haben wir aber noch einen guten Kontakt. Zweimal habe ich dann noch den Gang vor den «Kadi» gewagt. Die Tochter des damaligen Fifa-Generalsekretärs (Barbara Käser) habe ich gegen seinen Willen geheiratet. Er sah mich als Konkurrenten und kam nicht mal an die Hochzeit! Prompt ging es auch nicht gut. Lange nach der Scheidung ist sie 1999, erst 52-jährig, an den Folgen einer Operation gestorben. Meine dritte Frau (Graziella Bianca): sehr attraktiv und – Sizilianerin! Gut ein Jahr waren wir verheiratet, das ist kein Ruhmesblatt, ich weiss. Aber als Gentleman nehme ich alle Schuld auf mich. Ein Fehler? Nein, ich bezeichne das nicht als Fehler. Es ist eine Begebenheit des Lebens. Momentan gehe ich ungebunden durchs Leben. Aber nicht unglücklich. Wer weiss, vielleicht trifft mich die Liebe noch einmal. Das ist ja keine Frage des Alters.
     
  • Meine Freunde
    Die wichtigste Person in meinem Leben war meine Mutter Bertha. Ich war schon von klein auf ihr «Chéri» – was meine Brüder nicht gern sahen. Aber das lag sicher daran, dass ich wie gesagt zu früh auf die Welt gekommen bin. Seit ihrem Tod sehe ich sie oft in meinen Träumen. Nun ist meine Tochter Corinne meine engste Vertraute. Mit ihr telefoniere ich fast täglich. Sie hat mich damals im Wahlkampf 1998 unterstützt und führt auch das Büro meiner Sepp Blatter Foundation in Visp. Eine enge Beziehung habe ich ebenso zu meinem Bruder Peter. Wir gingen schon in die gleiche Klasse, weil er nur elf Monate älter ist als ich. Mein jüngerer Bruder Marco war ebenfalls im Sport tätig. Im Fussball sind Freunde rar. Ein wirklicher Freund war René Hüssy (ehemaliger Schweizer Nationaltrainer). Er hat mir immer die Wahrheit gesagt. Er kam einmal pro Woche zu mir, wir redeten, er teilte mir seine Beobachtungen mit, wies mich auf Entwicklungen hin. Jean-Paul Brigger (Ex-Nationalspieler) würde für mich wohl durchs Feuer gehen. Er ist bodenständig, loyal, nicht verweichlicht – ein Walliser eben. Auch Jiri Dvorak (Fifa-Chefarzt) ist eine wichtige Bezugsperson, er kümmert sich um meine Gesundheit. Und Fritz Peter (früherer GC-Präsident) ist der einzige Zürcher in meinem engeren Kreis. Er ist aber eher ein Kollege, ein Kumpan.
     
  • Mein grösster Fehler
    Ich würde heute nichts anders machen und bereue nichts.
    Mein Ziel war immer, in der Kommunikation zu arbeiten. Bei der Fifa gab man mir die Möglichkeit, mich zu verwirklichen. Dass ich mal Präsident würde, hätte ich nie gedacht. Ein Nachteil war manchmal meine Vertrauensseligkeit. Je höher ich in meiner Funktion stieg, desto mehr merkte ich: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

  • Mein Tag
    Morgens um 6 Uhr wache ich auf – ohne Wecker. Damit ich etwas Bewegung habe, tanze ich nach dem Aufstehen, jeden Tag. Ich bin ein rhythmischer Mensch und bewege mich, wann immer ich Musik höre. Dann gibts Kaffee, ein paar Klimmzüge an der Reckstange oder ein paar Minuten Fahrrad – in meiner Wohnung steht ein Hometrainer. Aber alles schön gemütlich, ohne zu hetzen. Um 6.30 Uhr höre ich dann die Nachrichten auf RTS. Und um 7 Uhr beginne ich mit der Arbeit; Sitzungen und Besuche den ganzen Tag. Gegen Abend schaue ich nach Möglichkeit «Questions pour un champion». Bei dieser Sendung lernt man immer etwas! Seit über zwanzig Jahren der gleiche Moderator. Dazu liebe ich Kreuzworträtsel und Sudoku. Das schult das Gehirn. Und die Hartnäckigkeit, etwas zu lösen und auch zu beenden. Um 19 Uhr bin ich auf dem Heimweg. So zumindest sieht ein typischer Tag aus, wenn ich in der Schweiz bin.
     
  • Meine beste Errungenschaft
    Als ich bei der Fifa vor 36 Jahren anfing, durfte ich an einen Kurs über Fussball-Entwicklung nach Addis Abeba. In Afrika spürte ich, dass Fussball für diese Menschen viel mehr als das blosse Kicken ist: Er bedeutet Hoffnung. Die WM im letzten Jahr in Südafrika war die Erfüllung dieser Liebe zu Afrika. Und dieses Turnier hat alle schlechten Prognosen um Längen widerlegt. Man kann schon sagen, dass die Fifa für mich ein Lebenswerk ist. Als ich begonnen hatte, hatten wir nichts, kaum Geld. Und jetzt hat die Fifa 1,2 Milliarden Franken Reserven! Für mich war die Frage: Fussball oder Privatleben. Ich habe mein Leben dem Fussball verschrieben. Der Fussball ist meine grosse Liebe.
     
  • Meine Schweiz
    Ich habe immerhin gut 1400 Diensttage als Kommandant eines Versorgungsregiments für die Schweiz geleistet. Als Fifa-Generalsekretär wurde ich in der hiesigen Medienlandschaft sehr wohlwollend behandelt. Kaum wurde ich Präsident, änderte sich das. Als es nach meinem Wahlsieg plötzlich hiess, ich hätte dreissig Stimmen gekauft, lachte ich darüber und nahm es gar nicht ernst, denn es war absurd für mich. Aber diesen Vorwurf kriege ich nicht mehr weg und muss noch heute dagegen kämpfen – auch in meiner Heimat. Das habe ich unterschätzt. Ich weiss nicht, ob man hier sagen kann: Der Prophet im eigenen Land …
     
  • Meine Vision
    Ich möchte am 1. Juni noch einmal als Fifa-Präsident
    wiedergewählt werden. Meine Aufgabe und Mission ist noch nicht zu Ende. Wir müssen unsere Arbeit fortsetzen. Wir haben den Fussball stets entwickelt, mit den Wettbewerben Emotionen geweckt, und jetzt gestalten wir mit und durch den Fussball «eine bessere Zukunft» – das ist unsere Maxime –, verankern ihn als soziokulturelles Gut in der Gesellschaft. Fussball, das ist Respekt, Disziplin, Fair Play, Wettkampf. Eine Lebensschule! Hier, im «Paradies» Schweiz, glaubt man nicht wirklich daran, wir sind sehr privilegiert. Aber in den Entwicklungsländern ist das anders! Wenn ich nicht gewählt werde? Dann stelle ich die Fragen und werde endlich Berufsreporter.
     
  • Mein Glaube
    Ich bin ein gläubiger Mensch, wenn auch kein fleissiger Kirchgänger. Ich glaube an Gott. Auch der Glaube an mich selber ist mir wichtig. Der Glaube, dass das, was ich mache, richtig ist.
     
  • Meine grösste Angst
    Angst? Nein, Angst gehört nicht zu meinen Empfindungen. Ich mache mir allerdings Gedanken über die Zukunft dieser Welt. Wie sie ausschaut, wohin sie führt. Dies durchaus mit einer gewissen Besorgnis.

Von Ilona Scherer am 9. März 2011 - 14:27 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 20:23 Uhr