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Golf 2019

El Niños neue Welt

Er ist einer der grossen Stars, welche Ende August die Zuschauermassen zum Omega Masters in Crans-Montana locken. Sergio García erzählt, warum er das Dorf so liebt und wie seine Tochter ihm einen ganz neuen Blick auf Erfolge und das Leben eröffnet.

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GOLF Sergio Garcia
Sebastian Magnani

Sergio García ist geblendet. Nach vielen Regentagen ist das Wetter in Crans endlich schön. Der 39-jährige Spanier steht auf dem Green des 18. Lochs, blinzelt in die Sonne. Es ist die vorletzte Mai-Woche, und der 34-fache Turniersieger ist mit Frau Angela und Tochter Azalea Adele nach einem Amerika-Trip zurück in seiner zweiten Heimat. Er sieht etwas müde aus. «Ach, ich bin ziemlich jetlagged, weil ich erst zwei Tage hier bin. Aber diese Aussicht entschädigt. Ich habe gerade meiner Tochter noch tschüss gesagt und ihr versprochen, ich sei bald zum Spielen zurück.» 14 Monate alt ist sie nun. Sie heisst Azalea, gleich den blühenden Pflanzen, die rund um den Platz des Masters in Augusta wachsen, wo García im April 2017 seinen ersten und bisher einzigen Major-Sieg feiert. Seinen grössten Sieg hat er im Namen seiner Tochter auf sinnliche Weise verewigt. Jetzt schaut er hinunter aufs Fairway des 18. Lochs in Crans, wo der Spanier seit vielen Jahren eine Wohnung hat. Hier wird er Ende August abschlagen, wenn das Omega Masters  dank der Terminverschiebung der FedEx-Cup-Finalserie auf die Botschafter seines Titelsponsors setzen kann. Auf Sergio García, Rory McIlroy und Tommy Fleetwood. Vom 29. August bis am 1. September werden darum Zehntausende in die Walliser Alpen strömen. Und García würde nichts lieber als seinen Coup von 2005 wiederholen, als er das Turnier mit der vielleicht schönsten Aussicht der European Tour gewann.

Sergio Garcia

Aussicht für Götter. «Jedes Mal, wenn ich über den Platz laufe, bin von Neuem begeistert von den Bergen, die man im Blick hat», sagt García.

Sebastian Magnani

Was ist das Beste am Omega Masters?

Schwierig, etwas herauszupicken. Die Kombination dieser Aussicht – egal zu welcher Jahreszeit – mit diesen tollen Löchern. 7, 8, 14, 15. Von dort aus ist die Sicht oft atemberaubend. Dazu ist das Dorf sehr nett und übersichtlich. Es gibt ein sehr familiäres Gefühl. Darum nehmen auch viele Spieler ihre Familien mit. Sie können hier ganz einfach rumlaufen, in die Shops und kleinen Läden rein. Alles ist in kurzer Distanz erreichbar. Meine Wohnung liegt keine 200 Meter hinter dem Klubhaus. Ich kann gleich rüberlaufen. Ich brauche nicht einmal einen Chauffeur.

Welche Erinnerungen haben Sie an den Sieg von 2005?

Einerseits schöne, aber auch sehr emotionale und traurige. In diesem Jahr starb eine gute Freundin von mir an Krebs. Eine spanische Golferin. Maria García-Estrada. Ich habe meinen Sieg damals ihr gewidmet. Sie war bei ihrem Tod erst 25. Wie ich. Viel zu jung, um zu gehen.

Der Platz hier wurde jetzt stark umgebaut, vor allem die Löcher 15 und 16. Was halten Sie davon?

Es ist für jedes Turnier wichtig, sich zu entwickeln. Ich bin glücklich mit den Änderungen. Das Loch 16 war etwas seltsam zuvor. Ein komischer Winkel zum Green. Jetzt haben sie eine schöne Lösung gefunden. Es hilft sicher, wenn man immer besser werden will. Und das wollen sie hier.

Yves Mittaz hat viele Jahre daran gearbeitet, das Datum zu verschieben, um die Stars nach Crans zu bringen. Jetzt wird sein Traum erfüllt, Sie, Rory McIlroy und Tommy Fleetwood kommen Ende August. Sind Sie glücklich für ihn, der so viel seiner Lebenszeit in das Turnier investiert?

Sehr sogar! Es ist für ihn grandios, so ein Feld zu haben mit drei Namen, die zu den besten Spielern der Welt gehören. Für das Turnier und den Ort gibt es einen wundervollen Anlass. 

Sie feierten vor ein paar Wochen ihr 20-Jahre-Jubiläum. Worauf sind Sie am meisten stolz?

Ich glaube, vor allem auf die Konstanz. Ich bin auf der glücklichen Seite, was Verletzungen betrifft. Ich fiel praktisch nie aus in dieser langen Zeit.

20 Jahre unterwegs. Fühlen Sie sich manchmal alt?

Nein. Es fühlt sich auch nicht wie 20 Jahre an. Die Zeit verstreicht einfach sehr schnell. Und das wiederum zeigt mir: Das, was ich tue, geniesse ich. Es fühlt sich an, als ob die Zeit stillsteht.

Sergio Garcia of Spain

Sein vielleicht grösster Coup: Bei den PGA Championships 1999 gelingt García ein Befreiungsschlag aufs Green.

AFP/Getty Images
Sergio Garcia of Spain

Grösste Erfolge: Der Masters-Sieg 2017

Getty Images
Ryder Cup 2018

Grösste Erfolge: Ryder-Cup-Triumph 2018

Getty Images

"Der Schlag von 1999 brachte mich auf die Golf-Weltkarte"

Sie schafften den Durchbruch 1999 an den PGA Championships, wo sie Tiger Woods bis aufs letzte Loch auf den Fersen blieben und letztlich Zweiter wurden. Sehen Sie die Bilder noch vor sich?

Ich erinnere mich natürlich sehr gut an den Sonntag und den Schlag auf dem 16. Loch, als ich mit einem Eisen 4 von hinter einem Baum volles Risiko ging und es aufs Green schaffte. Ich rannte danach dem Ball hinterher wie ein Kind, mein Herz klopfte wie wild. Es waren spannende Zeiten. Dieser Schlag brachte mich auf die Golf-Weltkarte.

Sie und Tiger Woods gehören immer noch – in seinem Fall wieder – zur Weltelite. Sie beide haben einen langen Weg hinter sich.

Ja, sehr unterschiedliche Wege. Es ist toll für uns, dass wir noch so gut dabei sind, und es ist gut für den Sport, dass die Leute unsere Leidenschaft sehen, die immer noch brennt.

In 20 Jahren hat sich der Sport stark verändert. Was ist für Sie am augenfälligsten?

Unser Outfit hat sich sehr verändert, was das Aussehen und die Funktionalität betrifft. Die Schläger-Technologie hat riesige Sprünge gemacht. Das Publikum ist heute ein ganz anderes. Heute sind sie lauter, emotionaler. Früher war es eher ein sehr gut erzogenes Golf-Publikum.

Was bevorzugen Sie?

Ganz ehrlich: Wir wollen ja, dass Golf populärer wird, dass der Sport wächst. Darum kann ich gut damit leben, wenn es etwas lebendiger wird.

Als 19-Jähriger hatten Sie noch nicht die finanzielle Sicherheit, die Sie jetzt haben. Setzte Sie das unter Druck, schnell etwas erreichen zu müssen?

Nein, überhaupt nicht. Zum Glück setzten früh ein paar Sponsoren auf mich, ich stand also schon mit 19 auf einem zwar kleinen, aber soliden Fundament. Ich wusste, wenn ich mein Golf regelmässig abrufen kann, werde ich davon leben können. Es war mir bewusst, was ich kann, und ich war diesbezüglich ziemlich relaxed.

19 Jahre später waren sie im letzten Herbst einer der Leader des Ryder-Cup-Teams beim klaren Sieg der Europäer. Sie lieferten eine der besten persönlichen Leistungen ab. War das für Sie überraschend, da Ihre Saison sonst durchzogen war?

Wir waren zwar voller Selbstvertrauen. Aber so gut, wie es dann lief, war es für uns schon überraschend. Der Sieg an sich nicht, die Art und Weise schon. So klar – das hatte niemand gedacht.

Sie liefen über den Platz, als gingen Sie zu einem Picknick.

(lacht) So war es nicht ganz. Ich liebte den Ryder Cup immer wegen der Gruppe, der Verbindung mit allen. Es bedeutet mehr Spass. Aber du musst deine Schläge immer noch machen!

Sie haben auch Nick Faldos Allzeit-Punkterekord bei Ryder Cups übertroffen. Mit 25,5 Punkten sind Sie nun der erfolgreichste Ryder-Cup-Spieler der Geschichte. War Ihnen das wichtig?

Ich dachte gar nicht daran. Ich habe es erst gegen Mitte der Sonntagsrunde bemerkt. Mein Fokus lag natürlich auf dem Sieg. Aber das als Zusatz geschafft zu haben, macht mich stolz.

Sie haben seit dem Sieg beim Masters 2017 zwei schwierige Jahre hinter sich. Vor allem, was die Majors betrifft, wo Sie nie den Cut schafften. Entspricht das einer gewissen Logik? Liessen Sie nach dem grössten Sieg Ihrer Karriere unbewusst nach?

Ich finde nicht, dass ich schlecht spiele. Es gibt verschiedene Gründe, warum es mal hier, mal dort nicht läuft. Oft habe ich den Cut an Majors nur um einen Schlag verpasst. Mal ist mein kurzes Spiel zu wenig gut, mal sonst etwas. Aber man darf sich wegen der Majors nicht verrückt machen. Es sind nur vier Turniere im Jahr. Es gibt viele andere, über die man sich freuen kann. Aber ich werde weiter hart arbeiten und schauen, es auch auf dieser Ebene wieder zum Erfolg zu bringen.

Golf ist in verschiedener Hinsicht keine exakte Wissenschaft. Gehen Sie nach all den Jahren überhaupt noch in die Detailanalyse, oder sagen Sie sich: Egal, kommt schon wieder!?

Mir ist es sicher nicht egal, nur weil ich älter bin. Denn ich investiere ja viel in den Sport. Aber ich versuche die Perspektive etwas zu verschieben. Glücklicherweise bin ich Vater geworden, habe eine wunderbare Familie und mehr Dinge in meinem Leben als nur Golf. Darum ist mein Credo: ich gehe da raus, gebe mein Bestes. Wenn es reicht, schön. Wenn nicht, kann ich auch damit leben. Manchmal reicht es einfach nicht.

Sie haben dieses Jahr gezeigt, wie sehr das Feuer noch in Ihnen brennt. Beim emotionalen Ausbruch am Saudi International bekamen ein paar Greens ihre Wut zu spüren. Wie sehen Sie das mit etwas Abstand?

Ich liebe den Sport, ich bin ein Wettkämpfer. Manchmal spürst du halt Frust. Du willst dich zwar kontrollieren, aber es geht nicht immer. Wir sind Menschen, keine Roboter. Jeder da draussen hat seine Problemchen. Wenn du Emotionen zeigst, bist du näher bei den Zuschauern. Es hat auch etwas Positives. Jeder kann das aus seinem Alltag nachvollziehen.

Sergio García mit seiner Frau Angela

Sergio García mit seiner Frau Angela. «Er ist der tollste Mann und Vater, den ich mir vorstellen kann», sagt die Texanerin über ihn.

Getty Images
Garcías Tochter Azalea

Schon auf den Beinen: Garcías Tochter Azalea bewegt sich am diesjährigen Masters in Augusta bereits über die Greens.

Getty Images

"Dank Azalea weiss ich, dass ich nicht der Mittelpunkt bin"

Ihr Alltag besteht jetzt auch darin, ein guter Vater zu sein. War es für Sie das Erdbeben, das alles veränderte?

Ein Erdbeben war es nicht, aber es hat sicher mein Leben verändert. Es ist grossartig. Ich liebe es. Ich habe eine tolle Frau, ein wunderschönes kleines Mädchen. Unsere Perspektive aufs Leben ist anders. Ich habe vieles gelernt dank ihr. Auch zu realisieren, dass ich nicht der Mittelpunkt der Erde bin. (lacht)

Schätzen Sie jetzt mehr, was Sie haben?

Absolut, ich will, dass Sie das bestmögliche Leben haben. Meine Gedanken sind ganz anders. Früher habe ich mir überlegt, wie ich an diesem oder jenem Turnier noch besser spielen könnte, habe mir vielleicht überlegt, ob ich mir dieses oder jenes Auto kaufen soll. Jetzt denke ich an ihre Zukunft und hoffe, dass ich alles schaffe, damit aus ihr ein guter Mensch wird. Und dass ihr nichts passiert.

Ihre Frau hat gesagt, Sie seien der beste Vater, den man sich vorstellen kann. Kommen Sie sich auch so vor?

Das ehrt mich natürlich. Ich gebe mir Mühe, ja. Ich helfe, wo ich kann mit Azalea. Meist schläft sie ja wirklich gut, so dass ich nicht aufstehen muss in der Nacht. Während eines Turniers steht meine Frau auf oder die Nanny, die wir haben. Zu Hause wechseln wir uns ab.

Was suchen Sie mit Ihrer Familie, wenn Sie hier nach Crans kommen?

Vor allem die Ruhe. Es ist an vielen Plätzen auf der Erde sehr hektisch. Wenn ich jetzt mit Frau und Kind herkomme, kann ich abschalten. Wir gehen spazieren, solche Dinge.

GOLF Sergio Garcia

Wie gemalt. Sergio García am Wasserhindernis neben dem Green von Loch 18 in Crans.

Sebastian Magnani

"Ich bin überhaupt nicht abgehoben, lebe wie jeder andere"

Geht der Golfstar García hier auch in den Supermarkt einkaufen, oder haben Sie Personal dafür?

Nein, das mache ich selber. Ich bin überhaupt nicht abgehoben und lebe wie jeder andere Mensch. Ich bewege mich frei. Es gehört zum Leben, Lebensmittel einzukaufen.

Geht das auch in Spanien? Oder werden Sie da von Menschen verfolgt, die ein Selfie oder ein Autogramm wollen?

Nein, es geht gut. Zwar kennen mich Leute, und dann und wann wollen sie ein Bild, aber ich habe immer gern etwas zurückgegeben. Es gibt Spieler, die schirmen sich künstlich von den Leuten auf der Strasse ab. Dadurch versuchen gewisse Fans nur umso stärker, ihnen hinterherzulaufen. Wenn du dich aber natürlich bewegst und dich normal benimmst, denken die Leute, dass du ein normaler Mensch bist. Dann lassen sie dich eher in Ruhe.

Gibt es bereits Pläne, sich an einem Ort fest niederzulassen, jetzt, wo Sie eine Tochter haben?

Das wird sicher irgendwann passieren. Momentan spiele ich aber noch auf beiden Touren. Meine Familie ist bei recht vielen Turnieren dabei. Nicht jede Woche, aber bei einigen. Wir müssen das gut überlegen. Denn das Tour-Leben ist sicher nicht das ideale Leben für ein kleines Mädchen. Später wird sie ihre ersten Freundinnen haben wollen, zur Schule gehen. Und das an einem Ort, den sie ihr Zuhause nennt.

Wird Ihr Zuhause in Spanien sein oder in Texas, wo Ihre Frau herkommt?

Das wissen wir noch nicht. Es kann Texas sein, aber auch die Schweiz oder Spanien. Wir werden schauen, was das Beste für Azalea und uns ist.

Sie sind also nicht der typische Heimweh-Spanier?

Nicht unbedingt. Ich bin ein Weltreisender. Ein Bürger der Erde. Ich liebe Spanien, ja. Aber ganz sicher auch die Schweiz, Austin in Texas und viele andere Plätze auf der Welt.

Sie sind 39 Jahre alt, haben ein Major gewonnen, eine junge Familie. Wie wichtig ist für Sie sportlicher Erfolg heute noch, damit Sie sich glücklich fühlen?

Es ist wichtig, aber bei weitem nicht das Wichtigste. Wie ich schon sagte, hat die Familie jetzt einen grossen Platz. Gutes Golf zu spielen ist das, wofür ich täglich aufstehe und trainiere. Aber wenn es nicht läuft, gibt es andere Dinge, die mein Leben komplettieren. Es ist toll, einen guten Ball zu spielen. Aber es ist nicht die Welt. Es ist ganz schön, wenn man das merkt. 

Sergio in der Schweiz

OMEGA UND CO.
Der Spanier hat nicht nur Wohnsitz in Crans, er pflegt auch sonst enge Bande zur Schweiz. Mit OMEGA, Credit Suisse und Zurich Versicherungen hat er gleich drei starke Partner an seiner Seite. Nicht zuletzt wohnt sein Manager Irek Myskow in St. Gallen. 

Von Christian Bürge am 7. Juni 2019 - 06:00 Uhr