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Traum verwirklicht

Die Rentiere von Herbriggen

«Ich hätte einem Rentier nie den Namen Rudolph gegeben», sagt Reto Summermatter. Und trotzdem heisst eines seiner acht Tiere so – weil es im hohen Norden von seinem Vorbesitzer diesen Namen bekommen hat.

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Rentiere Reto Summermatter Wallis
Marco Schnyder

Herbriggen, das kleine Dorf auf dem Weg nach Zermatt, dort wo der Zug nur «auf Verlangen» hält, ist das Zuhause der Rentiere von Reto Summermatter (34). Wer jetzt im Winter, da die Bäume ohne Laub dastehen, genau hinschaut, sieht das Gehege mit den Tieren sogar vom Zug aus. Die nordische Hirschart begeistert den gelernten Elektriker und Forstwart bereits seit seiner Kindheit. «Ich glaube, diese Faszination verdanke ich tatsächlich den Weihnachtsfilmen», glaubt Reto Summermatter. Vielleicht rühre das Interesse aber auch daher, dass er eher ein Wintermensch sei und gerne Schnee und Kälte habe – genauso wie die Rentiere eben.

Im Winter vor sechs Jahren machte sich Reto Summermatter auf nach Schweden, um als Hundeschlitten-Guide zu jobben und Rentiere in freier Wildbahn zu beobachten. Dort kam er in Kontakt mit Rentierzüchtern und ihren grossen Herden mit bis zu 600 Tieren. «In Skandinavien und Sibirien gelten Rentiere in der Landwirtschaft als wichtige Arbeitstiere», erklärt Reto Summermatter.

Zurück in der Heimat verwirklichte sich der Walliser seinen Traum vom eigenen Rentiergehege. Mittlerweile leben acht Rentiere in Herbriggen. Allerdings nicht als Arbeitstiere. «Mit dem, was ich in die Rentiere investiert habe, könnte ich ein gutes Auto kaufen», sagt Reto schmunzelnd und fügt hinzu: «Ich mache es, weil ich es gerne mache. Wenn es mir um Profit ginge, dann würde ich andere Tiere halten.»

Rentier Wallis Reto Summermatter

Rentierdame Ylvi in schönster Pose. Sie ist mit neun Jahren die Älteste der Herde. Reto: «Sie ist die Diva und Fremden gegenüber skeptisch.»

Marco Schnyder

Den ein Kilometer langen und 2.80 Meter hohen Zaun hat Reto Summermatter selber verlegt. Die Anschaffung der Tiere führte zu viel administrativem Aufwand. Schliesslich handelt es sich bei den Rentieren um eine «nichtheimische Wildart». «Ich musste eine zweijährige Ausbildung zum Hirschhalter absolvieren. Das Veterinäramt hat ausserdem das Gehege begutachtet und eine Bewilligung erteilt, ehe die Rentiere einziehen konnten.» Über drei Jahre hat sich das Bewilligungsverfahren hingezogen.

Vier Tiere sind als Erste ins neue Heim gezogen. Seither hat Reto Summermatter ein weiteres Rentier gekauft und einen Stier von einem anderen Züchter übernommen, der dort Probleme machte. Im Mai 2017 hat Leevi als erstes Jungtier in Herbriggen das Licht der Welt erblickt. Im Jahr darauf musste der Tierhalter eine Totgeburt beklagen, doch Anfang dieses Jahres ist mit Loki das zweite Jungtier zur Welt gekommen. «Ich möchte eines Tages zehn bis zwölf Tiere halten.»

Es geht ihm bei der Tierhaltung auch darum, dass die Fläche sinnvoll bewirtschaftet wird und nicht verwaldet. Die Rentiere haben sich auch gut in die Umgebung eingelebt, manchmal grasen neben dem Gehege im Wald Rehe, Hirsche, Gämsen oder Steinböcke. «Sie haben sich gut aneinandergewöhnt und leben friedlich nebeneinander», so Reto Summermatter.

Rentier Wallis Reto Summermatter

Leevi am Heufressen, er ist der Erstgeborene, kam 2017 in Herbriggen zur Welt.

Marco Schnyder
Rentier Fell Wallis Reto Summermatter

Das Fell von Rudolph ist dichter und weicher als das der anderen. «Er hat ein Teddybärfell», so Reto Summermatter.

Marco Schnyder

Blätter, Rinden und Flechten haben die Rentiere zum Fressen gern. Gras ebenfalls, aber dieses mögen sie etwas weniger. Daneben bekommen sie Maispellets und Kraftfutter speziell für Rentiere.

Die Herbrigger Bevölkerung hat das Unterfangen mit anfänglicher Skepsis beobachtet. «Heute haben sich aber alle daran gewöhnt und fragen mich, wie es Rudolph und seinen Freunden gehe.» Denn eines von Reto Summermatters -Tieren hört tatsächlich auf den Namen Rudolph-Theophil. Aber nur, weil es bereits so geheissen hat, als es nach Herbriggen kam. «Ich hätte einem Rentier niemals den Namen Rudolph gegeben. Meine Tiere sind nicht zu vergleichen mit dem berühmten Rudolph. Sie sind anhänglich, aber ich versuche sie möglichst naturnah zu halten und sie nicht zu dressieren.» So würden sie sich auch nicht vor einen Schlitten spannen lassen. Reto Summermatter möchte seine Rentiere denn auch nicht als Touristenattraktion vermarkten. «Mein primäres Ziel ist die Zucht.»

Rentier Wallis Reto Summermatter

Loki ist die Jüngste: Sie ist dieses Jahr zur Welt gekommen.

Marco Schnyder

Jede freie Minute verbringt Reto Summermatter mit seinen Tieren. Er führt sie auch spazieren, allein oder zu zweit, mit einem Strick gesichert. «Wenn ich mit meinen Rentieren unterwegs bin, dann zieht das schon die Blicke auf sich», gesteht er. Rund anderthalb Stunden pro Tag verbringt er mit seinen Tieren. «Zum Glück habe ich eine verständnisvolle Frau, die auch gerne Tiere hat.»

Reto Summermatter Rentier Wallis

Reto Summermatter und Loki im Zwiegespräch. Jeden Morgen und Abend geht der Rentierhalter ins Gehege zum Füttern und Putzen.

Marco Schnyder
Monique Ryser
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Von Monique Ryser am 1. November 2019 - 06:00 Uhr