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Das Wissen der Vorfahren

«Man stirbt besser am Abend als am Morgen»

95-jährig ist Germaine Cousin-Zermatten. Aber fit wie ein Jungspund. Das Geheimnis: vorsorgen mit dem, was die Natur uns gibt.

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Wallis Germaine Cousin-Zermatten

Germaine Cousin-Zermatten hat jahrhundertealte Gesundheitsrezepte gesammelt.

Sedrik Nemeth

Am Schluss des Gesprächs kommt der Satz, bei dem man nicht weiss, ob man laut lachen oder ernst nicken soll: «Man stirbt besser am Abend als am Morgen. Dann hat man noch die Chance gehabt, etwas zu lernen, denn man lernt jeden Tag.» Germaine Cousin-Zermatten sitzt zusammen mit ihrem Sohn Raymond in einem kleinen Chalet gleich unterhalb ihres Wohnhauses in St. Martin. Am Hang über dem Val d’Hérens gelegen, haben sie hier ihr Büro eingerichtet. Raymond Cousin unterstützt seine Mutter seit ein paar Jahren, er soll das, was sie aufgebaut hat, weiterführen.

Jahrzehntelang hat sich die Walliserin mit der Wirkung von Kräutern, Anwendungen und Extraktionsmöglichkeiten beschäftigt. «Meine Mutter und unsere Grossmütter hatten ein immenses Wissen über die Wirksamkeit von natürlichen Wirkstoffen. Doch mir wurde plötzlich bewusst, dass es verloren geht.» Deshalb ist Germaine Cousin von Dorf zu Dorf gereist, hat mit alten Frauen gesprochen, sie nach ihren Rezepten, Tipps und Tricks gefragt. Auch Hebammen seien ein wahrer Quell des Wissens gewesen, denn oft seien sie die Einzigen im Dorf gewesen, die medizinisches Wissen gehabt hätten. Dazu hat sie Bücher über die wissenschaftlichen Erkenntnisse gelesen. Sie hat sich auch nicht gescheut, andere naturmedizinische Lehren kennenzulernen, und in Indien eine Ayurveda-Kur gemacht. «Ich habe mich dort mit dem Arzt ausgetauscht und festgestellt, dass sehr vieles auf denselben Prinzipien beruht: Wir müssen vorsorgen, uns im Alltag gesund erhalten, damit die Krankheit keine Chance hat.» Im Westschweizer Fernsehen hatte sie sogar eine eigene Sendung, heute gibt sie immer noch regelmässig Kurse.

Im Lauf der Jahre sind so unzählige Anwendungen und Rezepte zusammengekommen, die der Prävention dienen. In einem Buch (auf Französisch verfügbar) hat sie ihr Wissen zu Papier gebracht. «Es ist illusorisch, Krankheit verhindern zu wollen, wenn man nicht aufs Essen und auf das tägliche Verhalten achtet.» Raymond Cousin setzt das beispielsweise so um, dass er an einem Tag der Woche fastet. «Das entlastet den Körper und sorgt dafür, dass man bewusster isst und darauf schaut, was man isst.» Germaine Cousin-Zermatten ihrerseits macht immer im Frühling und im Herbst eine Kräuterkur. «Zuerst geht es darum, die Organe zu entgiften, danach den Körper zu kräftigen. Der Wechsel der Jahreszeiten ist dazu ideal, da sich dann auch der Körper neu einstellen muss.» Natürlich sei sie auch privilegiert, sagt Germaine Cousin – in den Bergen seien Luft und Wasser sauber, alles, was man brauche, wachse in der Umgebung, Kräuter gehe sie selber sammeln, und Bergler seien immer tätig und in Bewegung – also sei es viel einfacher, Wohlstandskrankheiten zu vermeiden.

Sie habe trotz ihres Alters nicht im Sinn, demnächst zu sterben, sagt die Kräuterspezialistin aus dem Wallis. «Angst davor habe ich aber auch nicht. Und ich weiss, ich werde gesund sterben.» Aber wenn es denn so weit sei, dann lieber am Abend, so könne sie tagsüber noch etwas Neues lernen.

Wallis Germaine Cousin-Zermatten

Salbei (Salvia officinalis L.) Wird auch heiliges Kraut oder provenzialischer Tee genannt. Wirkt antiseptisch, krampflösend, verhindert übermässiges Schwitzen. Wird als Tee, Öl, Sirup, Likör verwendet. Eignet sich gut zum Inhalieren.

Handout
Vier Naturrezepte

Aprikosen bei Müdigkeit und hohem Cholesterinspiegel
Zutaten | Getrocknete Aprikosen | Wasser
Zubereitung | Vor dem Zubettgehen in einem grossen Glas Wasser drei bis sechs getrocknete Aprikosen einweichen. Die eingeweichten Früchte morgens auf nüchternen Magen essen und das Einweichwasser trinken. Während mindestens drei Wochen anwenden, wenn nötig die Kur verlängern.

Zwiebeltee bei Erkältung und Schnupfen
Zutaten | 1,5 l Wasser | 6 Zwiebeln | 1 Handvoll Wacholderbeeren | 2 Messerspitzen geriebener Muskat | 4 Lorbeerblätter | 10 Gewürznelken | 5 Zimtstangen | Honig | 6 Zitronen
Zubereitung | Die Zwiebeln vierteln und im Wasser zusammen mit den Gewürzen 25 Minuten lang kochen. Durch ein Sieb oder Tuch abseihen und den Saft der Zitrone beifügen. In einer Thermoskanne warm halten und über den Tag verteilt jeweils mit einem Löffel Honig gesüsst trinken.

Gurgeln bei Halsweh
Zutaten | 1 Messerspitze Ackerkraut oder Ruprechtskraut | 1 TL Honig | 1 Zitrone | 1 Tasse Wasser
Zubereitung | Das Wasser mit den Kräutern aufkochen, vom Herd nehmen, 10 Minuten ziehen lassen. Den Saft der Zitrone und Honig beigeben. Mehrmals täglich damit gurgeln und mehrmals täglich je einen Suppenlöffel davon (Kinder einen Teelöffel) schlucken.

Inhalation bei Schnupfen
Zutaten | Salbei | Meisterwurz oder Thuja | Balsamöl (am besten in der Drogerie besorgen)
Zubereitung | Wasser aufkochen, in eine Schüssel giessen und je eine Messer-spitze der Kräuter und einige Tropfen Balsamöl beifügen. Wenn das Wasser genügend abgekühlt ist, den Dampf tief inhalieren – Wirkung durch ein Tuch über Kopf und Schüssel verbessern.

Von Monique Ryser am 11. Dezember 2020 - 12:43 Uhr