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Michael Mittermeier

«Arschlochkinder haben immer Arschlocheltern»

In der aktuellen Schweizer Illustrierten vom 22. März spricht Michael Mittermeier, 43, übers Vater-Sein und sein neues Buch «Achtung Baby!». Lesen Sie hier das vollständige Interview mit dem deutschen Kult-Komiker.

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Vater Mittermeier live: Im August präsentiert er sein neues Comedy-Programm «Achtung Baby!» in der Schweiz.
STAR-MEDIA

Schweizer Illustrierte: Wie kommt ein Mann dazu, ein Buch über Schwangerschaft, Geburt und Baby zu schreiben?
Michael Mittermeier: Meine Programme hatten schon immer viel mit mir und meinem Leben zu tun. Und seit der Geburt meiner Tochter Lilly vor zwei Jahren steht das Thema Kinder natürlich im Vordergrund. Und ja: ich war mental richtig mit schwanger. Ich finde es schade, wenn Männer sich nicht darauf einlassen.

Wie hat denn Ihre Frau reagiert, als Sie das erste Mal über Ihre Babybuch-Pläne sprachen?
Für Gudrun war eh klar, dass ich diese Erfahrungen «verwerten» würde. Wir sind seit zwanzig Jahren zusammen und sie weiss, dass ich nie etwas Respektloses über sie sagen würde. Für mich war auch wichtig, das Buch vor dem Live-Programm zu schreiben - gerade weil ich die Möglichkeit habe, persönlicher, ernster und subtiler zu sein.

Sie klopften als Kinderloser jahrelang Sprüche über die «anderen», die Eltern mit Kindern. Wie fühlt es sich an, jetzt auf der anderen Seite zu stehen?
Sehr gut. Ich habe alles gemacht, worüber ich vorher Witze gerissen habe. Ultraschallbilder rumzeigen? Natürlich! Im siebten Monat bin ich backstage rumgerannt und hab mit den Dingern gewedelt: "Schaut mal, das ist meine Tochter!"

Vermutlich kriegen Sie jetzt einige Sprüche zu hören - sowohl von Eltern als auch von Kinderlosen.
Bis jetzt ist's noch recht unaufgeregt - auf die blöden Sprüche warte ich noch.

Sie sind sehr ehrlich, erzählen, dass es nicht so einfach war, schwanger zu werden. Ungewöhnlich, gerade für einen Mann.
In der heutigen Gesellschaft lastet ein unglaublicher Druck auf kinderlosen Paaren. Man darf nicht vergessen, dass das Ganze auch eine bittere Komponente hat: es gibt viele, die keine Kinder bekommen können. Da muss man einfach mal ehrlich sein und sagen, dass es nicht immer so ist, dass der tolle Hecht einmal schiesst und gleich trifft…

Sie geben in Ihrem Buch sehr viel Persönliches preis, lassen die Leser sogar mit in den Kreisssaal. Warum?
Über die Geburt selbst schreibe ich ja nicht, diese Momente bleiben privat. Da war für mich die Grenze. Ich werde mein Kind auch nie vor eine Kamera schleifen, obwohl ich sie liebend gern überall rumzeigen würde. Aber ich möchte meine Tochter nicht verkaufen. Persönlich Erlebtes satirisch zu erzählen ist hingegen eine Kunstform. Ich finde dieses Buch das Beste, was ich je geschrieben habe und bin stolz darauf. Und ich bin sehr sicher, dass es auch für meine Frau und meine Tochter so stimmt.

Hatten Sie nach der Geburt Ihrer Tochter tatsächlich einen Babyblues, wie Sie im Buch behaupten?
Ja. Man ist auch als Mann überfordert mit der neuen Situation. Ich blieb die ersten sechs Wochen zu Hause und war fürs Einkaufen und den Haushalt zuständig. Die meisten Männer unterschätzen das total. Da gab's schon Momente, in denen ich dachte: Jetzt hab ich meine Grenzen erreicht. Es war mir ein Anliegen, da nichts zu beschönigen.

Welche falschen Vorstellungen hatten Sie vom Vatersein?
Ich hatte eigentlich gar keine Vorstellung davon, wie es ist, Vater zu sein. Ich wusste nur, dass ich meinem Kind viel Liebe und Respekt geben und vorleben werde. Aber wie es ist, nach drei durchwachten Nächten dein Baby anzuschauen und hundemüde aber überglücklich zu sein - das kann man sich nicht vorstellen.

Sie schwärmen vom Wickeln - erklären Sie doch mal Ihre Technik.
Ich bin ein sehr akribischer Wickler. Ich hab schon Müttern zugeschaut, da dachte ich: He - ein bisschen mehr positive Energie bitte! Aber als Vater darfst du da ja nichts sagen, das ist immer noch das Hoheitsgebiet der Mütter. Im Übrigen bin ich kein Schnell-Wickler, ich lasse mir gern Zeit dafür. Das Morgen-Wickeln ist unser heiliges Ritual: Nach dem Windel anziehen kommt Lillys rechtes Bein in die Strumpfhose, das linke verweigert sie mir. Ich erkläre ihr dann lang und breit, dass es ohne Anziehen keine Flasche gäbe, dann hält sie hin. Das sind wunderschöne Momente. Manchmal schaut sie beim Wickeln auch ihr Lieblingsbuch an: «Moritz Moppelpo braucht keine Windel mehr».

Dann ist sie auf dem Weg, bald trocken zu werden?
Nein, dazu macht sie keine Anstalten. Ihr anderes Lieblingsbuch heisst «Tobi braucht keine Schnuller mehr». Lilly braucht nachts ihre fünfzehn Schnuller! Wenn ich sie frage, ob sie nicht wie Tobi sein wolle, tut sie so, als würde sie mich nicht verstehen. Mir ist das Wurscht. Ich hatte als Kind auch lange einen Schnuller.

Als einen der grössten Momente bezeichnen Sie den, als Ihre Tochter erstmals über Sie lachte. Hat Sie Ihren Humor?
Sie hat ihren eigenen Humor. Lilly ist definitiv ein lustiges Kind.

Was hat Sie sonst noch von Ihnen?
Meine Frau sagt, sie habe meine Leichtigkeit, durchs Leben zu gehen. Ich finde, sie ist eine sehr gelungene Mischung aus uns beiden. Meine Frau ist ja Sängerin und unsere Tochter ist definitiv musikalisch. Sie hat bereits ein recht gutes Taktgefühl und singt sehr gern.

Was, wenn Lilly Komikerin werden möchte?
Das wird wohl die meist gestellte Frage in den nächsten Jahren werden. Meine Tochter soll machen, was sie für richtig hält. Schön wäre, wenn sie sich künstlerisch verwirklichen kann, egal wie. Sie soll selbst spüren, was für sie richtig ist.

Sie prägten den Begriff der «Arschlochkinder» - erklären Sie uns den doch mal.
Das braucht keine Erklärung! Auch Zweieinhalbjährige können Arschlöcher sein. Seit ich Vater bin, weiss ich aber, dass man dies um den Begriff der Arschlocheltern erweitern muss. Arschlochkinder haben immer auch Arschlocheltern.

Haben Sie keine Angst vor der Situation auf dem Spielplatz, in der Ihre Tochter einem anderen Kind die Schaufel auf den Kopf haut und der ganze Spielplatz ruft: «Arschlochkind!»?
Damit muss ich rechnen. Ich weiss und spüre aber definitiv: Lilly ist kein Arschlochkind!

Sie nehmen von «Pornobrüsten» beim Stillen bis zu Wettbewerben unter Eltern alles aufs Korn, obwohl Sie immer wieder auch ernste und schwierige Themen anschneiden. Wie verträgt sich das?
Das verträgt sich sehr gut, denn genau so ist das Leben: Lustig und traurig. Es gibt Situationen, die sind ohne Humor nicht zu ertragen. Es gibt genügend schlechte Beispiele, in denen man allem und jedem ausschliesslich mit Ironie begegnet. Nichts ist immer nur lustig! Ich bin einfach ehrlich, schreibe über mich und meine Gedanken.

Wo sind denn Ihre Grenzen?
Ich setze mir keine bewussten Grenzen, und habe keine Tabus. Man kann über alles Witze machen - die Frage ist, wie man es tut. Wenn du als Deutscher eine Comedy-Nummer über den Holocaust machst, musst die saugut sein und in keiner Weise billig.

Das heisst, Komik darf alles? In Ihrem Buch bezeichnen Sie Heidi Klum als Gebärmaschine und Ed Hardy als «Mode zum Kotzen».
Das ist meine Meinung! Das Hardy-Zeug kannst ja nicht anziehen. Und Heidi Klum ist ein Schlag ins Gesicht für alle Mütter. Es ist einfach nicht möglich, dass man fünf Wochen nach einer Geburt rank und schlank auf dem Laufsteg steht und behauptet, das sei alles ganz natürlich passiert. Dieses Übermutter-Bild ist nicht real. Das muss man allen normalen Frauen sagen, die keinen Diätkoch, Personal-Trainer, Gärtner und keine Nanny für jedes Kind haben: Die Frau lügt!

Haben Sie Ihrer Tochter eigentlich schon ein Nummernkonto auf einer Schweizer Bank eingerichtet?
Nein - ich habe selbst auch keins, und bin hundertprozentig auf keiner Datenklau-CD. Ich reisse in Deutschland mein Maul auf, also zahl ich auch hier meine Steuern. Wer Steuerhinterzieher schützt, soll nicht auf gläserne CD-Behälter schiessen! Ich finde, diese Diskussion wird viel zu einseitig geführt. Natürlich kann man darüber nachdenken, ob es richtig ist, dass eine Regierung geklaute Daten kauft. Aber für mich geht’s hier nicht um diese CD, sondern um ein Grundgefüge. Darum, dass es möglich ist, Milliarden von Steuern zu hinterziehen, und gleichzeitig darüber zu diskutieren, ob man sich Kindergartenplätze für alle deutschen Kinder leisten kann.

Zurück zu Ihren Vater-Qualitäten. Ihre besten Tipps für «schwangere» Männer?
Bringt eure «M&M's»-Vorräte in Sicherheit! Und geht während diesen neun Monaten oft essen mit eurer Frau: Sie isst endlich mal so viel Schweinebraten, Schnitzel und Pizza, wie sie will, und du kommst dir daneben nicht wie ein Vielfrass vor. Und du kannst im Gegensatz zu ihr Alkohol trinken, das heisst, sie kann dich neun Monate lang nach Hause fahren.

Was raten Sie Ihren «Leidensgenossen» für die Stunden während der Geburt?
Für Frauen ist die Geburt ein psychischer und physischer Kraftakt, das geht nur, wenn sie ganz bei sich ist. Ich glaube, auch als Mann musst du ganz bei dir sein, um damit umgehen zu können. Es nützt deiner Frau nichts, wenn du in Ohnmacht fällst, und die Hebamme sich dann um dich statt um die Gebärende kümmern muss.

Am Schluss des Buches träumen Sie von erneuten Schwangerschaftsgelüsten Ihrer Frau. Wann ist es denn soweit?
Das ist noch offen. Es wäre schön, wenn's ein zweites Kind gibt, aber nicht das Ende der Welt, wenn's nicht klappt. Wir haben jetzt auch bewusst gewartet, weil wir uns zuerst in die Situation zu dritt einleben wollten. Meine Frau hat gerade ihre dritte Platte aufgenommen und möchte auch wieder auf der Bühne stehen. Das finde ich wichtig, denn ich bin mir sicher, dass Kinder dann glücklich sind, wenn Mama und Papa es auch sind. Aber grundsätzlich sind wir bereit für ein zweites Kind.
 

Michael Mittermeier ist mit seinem neuen Comedy-Programm «Achtung Baby» vom 16. bis 20. August in der Schweiz zu sehen..

Familienbloggerin Sandra C.
Sandra CasaliniMehr erfahren
Von Sandra Casalini am 24. März 2010 - 10:45 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 00:40 Uhr