Das Interview sorgt für Empörung. Während immer mehr Schauspielerinnen sich getrauen, in der Öffentlichkeit über sexuelle Belästigung in der Filmbranche zu sprechen, redet ein Schwergewicht der Industrie von Mitleid mit dem mutmasslichen Täter.
Woody Allen, 81, hat in einem Interview mit der englischen «BBC» gesagt, er habe zwar Gerüchte über Belästigungen in Hollywood gehört, aber nicht solche Horrorgeschichten, wie sie nun über Harvey Weinstein, 65, verbreitet werden. Obwohl der amerikanische Star-Regisseur mit seinem Kollegen einige Male zusammengearbeitet habe, hätte Allen nichts von bedrängten oder missbrauchten Frauen gehört.
Wahrheit und Fantasie nahe beieinander?
«Miramax»-Gründer Harvey Weinstein soll mehrere Frauen, mit denen er beruflich zu tun hatte, sexuell belästigt und bedrängt haben. Der Bericht der «New York Times» ermutigte viele Schauspielerinnen, von ihren ähnlichen Erlebnissen zu erzählen. Es handelt sich in der Branche scheinbar um ein verbreitetes Problem. Weinstein bestreitet die Anschuldigungen und besteht darauf, dass jeder sexuelle Kontakt einvernehmlich stattgefunden habe.
Allen sagt, es sei schwierig einzuschätzen, an welchen Anschuldigungen etwas dran sei und an welchen nicht. «Du hörst eine Million fantasievolle Gerüchte, immer wieder. Und einige stellen sich dann als wahr heraus und einige - viele - sind dann bloss Geschichten, die man über diese oder jenen Schauspieler hört.»
Allen ist selbst von einem Missbrauchs-Skandal gezeichnet
Im Interview zeigt der berühmte Regisseur Mitgefühl für Harvey Weinstein. «Diese ganze Geschichte ist sehr traurig für jeden Involvierten. Tragisch für die armen betroffenen Frauen, traurig für Harvey, dass sein Leben jetzt so durcheinandergeraten ist.» Es gebe in diesem Fall keine Gewinner, so Allen.
Geht es um sexuellen Missbrauch, ist auch Allen kein unbeschriebenes Blatt. Anfang der 90er-Jahre kämpfte der Regisseur mit Anschuldigungen seiner damals siebenjährigen Adoptivtochter Dylan Farrow, er habe sie missbraucht. Der Aufschrei in den Medien war riesig. Zu einer juristischen Klärung ist es jedoch nie gekommen. Weinstein half seinem Kollegen Allen danach, wieder auf die Beine zu kommen.
Woody Allens Sohn deckte Skandal auf
Mit dem Weinstein-Skandal scheint sich der Kreis zu schliessen. Denn es war Woody Allens Sohn Ronan Farrow, 29, der zusammen mit der «New York Times» massgeblich an der Aufdeckung des Skandals mitgearbeitet hatte. Er stützte damals auch die Anschuldigungen seiner Schwester Dylan gegen ihren Adoptivvater.
Ronan Farrow mit Mutter und Schauspielerin Mia Farrow an einer Gala im Jahr 2017.
Getty ImagesDie negativen Schlagzeilen über Weinstein haben indes ihre Wirkung gezeigt. Der Filmemacher wurde aus seiner eigenen Firma «The Weinstein Company» entlassen, seine Ehefrau hat die Scheidung eingereicht und nun hat ihn auch noch die Oscar-Academy ausgeschlossen.