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Mike Horn

Jenseits der Grenzen

Ein «Verrückter» ist Mike Horn seit je. Jetzt übertrifft sich der Berufs-Abenteurer selbst. Mithilfe seiner eigenen Kräfte und derjenen der Natur will er die Welt umrunden. Seine Liebsten zu Hause fürchten sich längst nicht mehr.

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Mike Horn auf dem Bug seines 35-Meter-Schiffs, der «Pangaea». Start in Ushnaia, Argentinien.

Fin del Mundo – Ende der Welt, nennen die Einwohner von Ushuaia, Argentinien, ihre Stadt. «Fin del mundo – das passt doch perfekt», sagt Extremabenteurer Mike Horn, 42. «Wo die Welt für andere aufhört, beginnt mein Terrain.» Er steht kurz vor dem Start zu seinem neusten Abenteuer: Projekt «Pangaea».

Die letzten Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, Mike ist praktisch Tag und Nacht auf den Beinen – immer barfuss. Dabei ist es gerade mal drei, vier Grad warm und der Wind, den man hier respektvoll Escoba de Dios, den Besen Gottes, nennt, fegt eisig durch die wilde Landschaft.

«Wozu sollen Schuhe gut sein?», fragt Mike. «Nasse Füsse trocknen doch viel schneller, wenn sie unbekleidet sind.» Und während man noch verblüfft über Mikes eigenwillige Logik nachdenkt und in Gedanken schlottert, doppelt der gebürtige Südafrikaner lachend nach. «Also komm, solange ich noch nicht in der Antarktis bin, kann ich auf Schuhwerk nun wirklich verzichten.»

«Wir tauschen unsere Gefühle und Emotionen sehr intensiv aus, das schweisst uns zusammen»

An Mikes kleinere und grössere Verrücktheiten haben sich Ehefrau Cathy, 44, und seine Töchter Annika, 15, und Jessica, 14, längst gewöhnt. «Einen Löwen kann man nicht in einen Käfig sperren», sagt Cathy über ihren Mann. Der Wahlschweizer ist Vollblutabenteurer.

Seine Projekte faszinieren und irritieren gleichermassen: Er hat 8000er im Himalaja bestiegen, ist den Amazonas runtergeschwommen (und hat sich u. a. von Krokodilen ernährt), hat die Erde dem Äquator entlang umrundet, ist zum Nordpol gewandert. 2001 erhielt er für seine Leistungen den Laureus-Award als bester Alternativ-Sportler der Welt.

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Doch was Mike Horn jetzt vorhat, übertrifft alles bisher Dagewesene. «Ich packe alle Schwierigkeiten meiner bisherigen Abenteuer zusammen», sagt er. Der gesammelte Wahnsinn sozusagen: 100 000 Kilometer will er zu Fuss, auf dem Fahrrad oder mit dem Segelschiff zurücklegen, quer durch alle Kontinente und über die beiden Pole – vier Jahre lang!

Wieso, um Gottes willen, tut sich das ein Mensch an? «Andere musizieren, malen oder weiss der Teufel was. Ich bin halt
Abenteurer», sagt Mike. Cathy, Annika und Jessica werden lange ohne Mike auskommen müssen. In eine Familienkrise stürzt das die Horns noch lange nicht. «Ich fühle mich weder allein noch verlassen, wenn Mike weg ist», sagt Cathy.

Auch Annika und Jessica nehmens locker: «Das ist nun mal Papis Job.» Schnell merkt man: Das Familienband der Horns ist trotz allen Umständen aussergewöhnlich stark. Mike glaubt zu wissen weshalb: «Man zeigt seine Liebe nicht, indem man seinen Kindern einen Computer schenkt. Wir tauschen unsere Gefühle und Emotionen sehr intensiv aus, das schweisst uns zusammen.»

Und lachend fügt er an: «Hey, so schlimm kann ich ja nicht sein, wenn meine Frau schon zwanzig Jahre mit mir zusammen ist, oder?» Cathy witzelt: «Na ja, vielleicht klappt es vor allem, weil du immer unterwegs bist. Ich würde ja verrückt werden, wenn ich dich ständig im Haus hätte!»

Im Gegensatz zu Mikes bisherigen Projekten soll «Pangaea» nicht (nur) ein Ego-Trip sein. «Diese Weltumrundung soll zur Erhaltung des Planeten beitragen.» Was nach einer wohlformulierten Floskel für potenzielle Sponsoren tönt, ist bei Mike ein ernsthaftes Anliegen – und wird konsequent umgesetzt.

Auf seinem Schiff, der «Pangaea», nimmt er etappenweise Jugendliche aus der ganzen Welt mit. «Angstmacher wie Al Gore gibt es schon genug. Mein Ziel ist es, der Jugend die Schönheit des Planeten zu zeigen. Denn erst wenn man etwas liebt, schützt man es auch.»

Zu Botschaftern der Natur sollen diese «Young Explorers» werden. Zehn von ihnen dürfen Mike nun auf seiner ersten Etappe zur Antarktis begleiten. Mike ist begeistert: «Jeder und jede zwischen 13 und 20 kann sich auf www.mikehorn.com darum bewerben, das ist doch einmalig!»

Um so viele dieser «Young Explorers» überhaupt mitnehmen zu können, liess Horn die 35 Meter lange «Pangaea» bauen. Ein Schiff, bei welchem praktisch jedes Element wiederverwertbar ist. Geld dafür hatte er nicht. «Ich habe mich vor alle möglichen Leute gekniet, bis ich einen Financier fand, der alles bezahlt hat.» Mikes Gegenleistung: Er hat dem Sponsor sämtliche Rechte an seinem Namen abgetreten. «Was solls, ich bin ja nicht Beckham», sagt Mike.

Mit fast kindlicher Begeisterung spricht der Abenteurer stundenlang über Biodiversität, die geplanten Umweltprojekte, die Hydropresse für den Abfall, den er unterwegs einsammelt. Fast könnte man dabei vergessen, dass Horn, sobald er dann alleine unterwegs sein wird, vom liebevollen Familienvater und sympathischen Spinner zum wilden Einzelkämpfer wird, der erst bei Temperaturen unter minus 40 Grad richtig auftaut.

Bei seiner Solo-Durchquerung der Antarktis wird er einen 220 Kilo schweren Schlitten hinter sich herschleppen. Der einzige Luxusartikel, den er dabeihat, ist WC-Papier. «Zwei Meter pro Tag.» Ansonsten ist alles auf Gewichtsminimierung ausgerichtet. Selbst der Kochtopf hat eine Doppelfunktion: Er ist auch Mikes Klo! «Das ist eine saubere Sache. Ich lege einen Plastiksack in den Topf und verrichte im Zelt so mein Geschäft. Und keine Sorge, das Essen hat bis jetzt immer gut geschmeckt.»

In der Auseinandersetzung mit der Natur und mit sich selber finde er das wahre Leben, sagt Mike. «Alles, was ich besitze, sind meine Erlebnisse. Und die kann mir niemand nehmen. Deshalb geht mir eine Finanzkrise – Entschuldigung! – am Arsch vorbei.»

Dass sein Beruf nicht ungefährlich ist, weiss er besser als alle anderen. Als er von 2002 bis 2004 den nördlichen Polarkreis abschritt, hat er zwei Fingerkuppen verloren. «Ich musste bei minus 50 Grad die Handschuhe ausziehen, um die Schuhe zu binden. Solche Fehler dürfen mir nicht oft passieren. Sie können tödlich sein.»

Trotzdem, Angst, dass er bei seinem jetzigen Mammut-Projekt mehr als nur seine Fingerkuppen verlieren könnte, hat Mike Horn nicht. «Ich habe eine Frau und zwei Töchter. Ich gehe da raus, um zu leben. Nicht, um zu sterben.»


am 2. Dezember 2008 - 21:49 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 18:35 Uhr