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Der ehemalige SI-Chefredaktor Peter Rothenbühler erinnert sich

Rückblick auf die goldene Ära der Miss Schweiz

Ist Jastina Riederer die letzte Miss der Schweiz? Ihr Rauswurf verstellt den Blick auf den Glanz ihrer glorreichen Vorgängerinnen. Der frühere SI-Chefredaktor Peter Rothenbühler über die goldenen Jahre der Missen.

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Karina Berger Tanja Gutmann Melanie Winiger Sonja Grandjean
Rolf Edelmann

Die Beliebtheit der Miss-Wahlen in der Schweiz habe ich stets so erklärt: Wir haben keine gekrönten Häupter und wenig Stars. Das Krönchen der Miss Schweiz erfüllt unsere heimliche Sehnsucht nach Prinzessinnen. 

Schon vor der Direktübertragung durch das Fernsehen (ab 1989) war die Miss-Wahl ein Renner. Legendär Lolita Morena (Miss Schweiz 1982), die später welscher Fernsehstar und Schauspielerin wurde und heute eine eigene Tierschutz-Sendung moderiert. Ihre gescheiterte Ehe mit Fussballer Lothar Matthäus machte auch in Deutschland Schlagzeilen. Unvergesslich Silvia Affolter (1984), eine der erfolgreichsten Missen überhaupt, die heute ein eigenes Unternehmen leitet.

Als neuer Chefredaktor der «Schweizer Illustrierte» sage ich sofort zu, als der neue Besitzer der Miss Schweiz Organisation, Christoph Locher, uns 1989 anfragt, ob wir Medienpartner werden möchten. Allerdings wollen wir die Miss-Wahl auf ein qualitativ höheres Niveau stellen. Wir wünschen, dass die Show am Schweizer Fernsehen direkt übertragen, die Jury professionalisiert, die gekrönte Miss rund um die Uhr fachlich betreut wird. 

Da die Leute im Leutschenbach eine Miss-Wahl eher daneben finden, fährt Locher zum welschen TV. Und so findet die erste Fernseh-Direktwahl 1989 in Genf statt – die neue Miss Schweiz Catherine Mesot ist ein Publikumserfolg. 

Jetzt findet das Deutschschweizer Fernsehen die Sache plötzlich ebenfalls sexy und will sie ganz an sich reissen. Doch wir bestehen darauf, dass die Show im Turnus mal in Genf, mal in Lugano, mal in Zürich stattfindet. Damit entsteht das einzige nationale Fernsehereignis, das dem später erfundenen Motto «Idée Suisse» entspricht. 

Früher verdienten die Missen viel Geld

23 Jahre ist die Miss-Wahl ein Hit für alle Beteiligten, die meisten Missen verdienen viel Geld, machen steile Karrieren. Am besten erinnere ich mich an Melanie Winiger (1996), die erst 17-jährige Tessinerin (heute 40!), die das Publikum durch ihre selbstbewusste Art überzeugt und heute neben ihrer Karriere als Model eine gefragte Schauspielerin ist. Ich chauffierte Melanie damals persönlich zum Aktmaler Christoph Aerni, bei dem wir ein Gemälde von der neuen Miss bestellten. Ich mag mich noch gut an unser Gespräch im Auto erinnern, ich fragte die junge Frau, wie sie mit dem plötzlich grossen Interesse an ihrer Person klarkomme. «Das geht mir am Arsch vorbei», sagte sie. Ich habe diesen Ausdruck damals zum ersten Mal gehört.  

Galerie: Die schönsten SI-Fotos unserer Missen

Gut in Erinnerung auch die blonde Stéphanie Berger (1995), die heute mit einer One-Woman-Show als Comedian auftritt. Sie bildete mit dem Snowboard-Star Fäbu Rohrer ein schmuckes Paar. Fiona Hefti (2004) macht Karriere als Journalistin bei der «NZZ am Sonntag». Die welsche Lauriane Gilliéron ergattert nach einer Schauspielausbildung in Hollywood kleinere Rollen neben Weltstars, liegt unter dem Messer eines Chirurgen und nennt sich fortan Lauriane Gill. Linda Fäh (2009) wird erst Moderatorin, dann Schlagersängerin mit Auftritten in TV-Shows. Jetzt geht sie in Deutschland mit Superstar Florian Silbereisen auf Tournee. 

Keine Brustspitzen, keine Schamhaare!

Wir haben mit der neuen Miss jeweils drei Titelgeschichten produziert: einmal am Morgen nach der Wahl im Hotelbett mit Frühstück. Dann die Homestory mit Freund, schliesslich eine Modestrecke. Alles echte Verkaufsrenner. Meine gewagte Idee, die Miss jeweils nackt auf einem roten Leintuch zu fotografieren, wie einst Marilyn Monroe auf ihrem berühmten Poster, haben wir umgekehrt: Wir fotografierten die nackte Miss unter einem roten Leintuch, sodass die Körperform sichtbar wurde. Ich wünschte auch, dass die Miss in die Badewanne steigt und ein nacktes Bein über den Wannenrand legt. Allerdings mussten wir so viel Schaum produzieren, dass auf keinen Fall eine Brustspitze zu sehen war. Das wurde nämlich vom Miss-Universe-Reglement streng verboten. Keine Brustspitzen, keine Schamhaare! Das galt deshalb auch für die Miss Schweiz. 

Garantie für ein erfolgreiches Missen-Jahr war auch die persönliche Betreuung der Miss durch die «Missen-Mutter» Karina Berger (selber Miss Schweiz 1988). Sie integrierte manche Miss gleich in ihre Familie: Junge Frauen, die aus der tiefen Provinz nach Zürich kamen und hier plötzlich vor Kameras sprechen mussten, waren ohne Karina verloren. 

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Karina Berger bei ihrer Wahl zur Miss Schweiz 1988.

Bruno Torricelli

Bei einer Miss aus dem Wallis nützt alles nichts: Als sie kurz nach der Wahl erfährt, was auf sie zukommt, hat sie einen Weinkrampf und will nach Hause. Klarer Jury-Fehler. Ich schärfte den Juroren jeweils ein, dass sie unbedingt eine Frau wählen müssen, die kontaktfreudig ist, ein geschliffenes Mundwerk hat und gerne auswärts übernachtet – auch ohne Mama oder Freund.

Ich war von Anfang an gegen Schönheits-OPs

Die absolute Über-Miss ist die Tessinerin Christa Rigozzi (2006), die alles geworden ist, was man sich als Miss wünschen kann: Model, Werbe-Ikone, Moderatorin, Tessin-Botschafterin, Mutter von Zwillingen, Buchautorin und Unternehmerin. Sie moderiert sogar die «Arena» mit und beweist, dass die Miss Schweiz eine Frau mit Köpfchen sein kann.

Galerie: So luxuriös wohnt Christa Rigozzi

Als ich Chefredaktor von «Le Matin» wurde, habe ich mich noch einmal in die Miss-Wahl eingemischt. Ich frage meine Journalistin, die 2003 in Lugano dabei ist, am Telefon, wer denn die Favoritin sei. «Maria Dolores Dieguéz wird Miss Schweiz», sagt sie, «eine sehr schöne und sehr sympathische Frau.» – «Frag sie mal, ob sie schon Schönheitsoperationen gemacht hat», sage ich meiner Korrespondentin. Denn von Anfang an bin ich strikt dagegen gewesen, dass junge Frauen den Busen vergrössern, nur um Miss zu werden. Am folgenden Tag steht auf dem Plakat von «Le Matin»: «Miss Schweiz: die Favoritin hat die Brüste vergrössert.» Was für eine Aufregung in Lugano! Favoritin Maria Dolores wird Dritte, die Krone darf sich Bianca Sissing aufsetzen. 

Maria Dolores heiratet sechs Jahre später den Hollywood-Schauspieler Joseph Fiennes, bekommt Kinder und wird auch ohne Krönchen glücklich. 

Von Peter Rothenbühler am 1. Februar 2019 - 06:00 Uhr, aktualisiert 3. Februar 2019 - 13:10 Uhr