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Sie kämpft heute um den Bundesrats-Sitz

Zu Besuch bei Heidi Z'graggen im Kanton Uri

Auch Heidi Z'graggen will nach Bern in den Bundesrat - heute Mittwoch gilt es ernst. Als Urner Regierungsrätin ist sie Föhnstürme gewohnt: Sie weiss, dass man diese auch als Rückenwind nutzen kann.

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Heidi Z'graggen

Lässig: Im Café Danioth in Altdorf UR verschnauft sie bei einem Milchkaffee vor der heutigen Wahl.

Kurt Reichenbach

Über den Gipfeln der Urner Alpen fegt der Föhn, unten im Reussdelta beginnt Heidi Z’graggen, 52, in ihrer Daunenjacke zu schwitzen. «Der cheibe Feen», sagt sie, «aber er gehört halt zu uns Ürnern.»

Dreck klebt an ihren schwarzen Pumps. Hätte sie doch nur die Turnschuhe angezogen! Aber die stehen noch im Kofferraum ihres BMW-Cabriolets bei Seedorf UR. Z’graggen wollte Zeit sparen.

Selbstmarketing als Stärke

Die Urner Justizdirektorin ist offiziell für die Nachfolge von Doris Leuthard nominiert. Aber weil sie im Bundeshaus noch kaum bekannt ist, muss sie bei jeder Gelegenheit für sich werben. Oder anders gesagt: jeden Tag bis zur Wahl die beste Version von sich selbst zeigen. Was für ein Druck! Doch Z’graggen meistert ihn souverän – mit Zahnlücken-Lachen, schmalen Zigaretten und einem Schnauf Natur.

Heidi Z'graggen

Zielsicher: Heidi Z'graggen versucht sich im Reussdelta bei Seedorf UR im «Schiferen». Ihr Rekord: fünf Hüpfer.

Kurt Reichenbach

An diesem Sonntag Ende November führt sie an ihren Lieblingsort: zum Reussdelta. Hier eröffnet sich hinter den Sandstränden eine Naturlandschaft, wo seltene Pflanzen wachsen und Vögel brüten, wo ein Kranich gerade zum Landeanflug ansetzt. «Von hier aus kann man in alle Himmelsrichtungen schauen, darum mag ich den Ort so gerne.»

Schon früher von Uri nach Bern

Der Süden, die Heimat. Hinter ihr liegt Silenen UR. Dort ist sie mit zwei Brüdern aufgewachsen. Der Vater ist Maschinenmeister in der Bally-Schuhfabrik, ein gschaffiger Mann, der seinen Kindern einbläut: «Macht ja eine gute Ausbildung.» Heidi folgt seinem Rat, wird Primarlehrerin. Für ihre Klassen gibt es jeden Tag ein Lied und ein Diktat. «Heute würde ich die Fehler nicht mehr rot markieren», sagt sie, «sondern grün, was richtig ist.» Später studiert Z’graggen Politologie an der Uni Bern – mit Doktorabschluss.

Konkordanz ist der Königsweg

Nach ihrer Rückkehr in die Heimat wird sie 2004 auf Anhieb in den Urner Regierungsrat gewählt, wo sie seither die Justizdirektion verantwortet. Ihr spektakulärster Erfolg ist das Tourismus-Projekt von Samih Sawiris in Andermatt, dem sie massgeblich den Weg bereitet hat – «es steht sinnbildlich für die Art, wie ich Politik mache». Das heisst: Alle Interessenten an einen Tisch bringen, zusammen eine Lösung finden. «Konkordanz ist der Königsweg», sagt Z’graggen. 

Z'graggen lebt in einer Fernbeziehung

Der Norden, die Liebe. Als «gelebte Konkordanz» bezeichnet sie auch ihre Beziehung zu Bruno Dobler, 66, Vizepräsident des Bankrats der Zürcher Kantonalbank, einst Autopartei-Mitglied, später Zürcher SVP-Kantonsrat. «Wir teilen natürlich gemeinsame Grundwerte», sagt Z’graggen. «Aber ich gehöre seinetwegen nicht in die rechte Schublade.» Seit zehn Jahren lebt sie mit Dobler in einer Fernbeziehung; er wohnt in Eglisau ZH, sie in Erstfeld UR.

Heidi Z'graggen Bruno Dobler

Im Spiegel: Seit zehn Jahren lebt sie in einer Fernbeziehung mit Bruno Dobler, Zürcher Bankrat und SVP-Politiker.

Privat

Wenn Z’graggen über diese Distanz spricht, klagt sie nicht vom leeren Stuhl an ihrem Küchentisch, auf dem eigentlich jemand sitzen müsste, dem man vom Tag erzählt. Vielmehr sagt sie Sätze wie: «Wir sind beide froh, wenn wir nach einem strengen Tag Zeit für uns selber haben.» Oder: «Der Abstand erspart uns den gemeinsamen Alltagstrott.»

Eine Berglerin in der grossen Stadt?

Der Osten, die Natur. Wie sie da fest verwurzelt steht, am vordersten Zipfel des Reussdeltas, hinter ihr der peitschende Urnersee, hat man keine Zweifel: Diese Frau hat es gut mit sich selbst. «Ich bin eine Berglerin, da lernt man, mit dem zu leben, was ist», sagt sie. Sie kenne die Naturgewalten, darum sei ihr der Schutz der Natur so wichtig. Gleichzeitig sei sie sehr offen gegenüber Neuem. «Ich bin an der Gotthardstrecke aufgewachsen, erlebte die Menschen auf der Durchfahrt, das machte neugierig.»

Heidi Z'graggen

Im Schilf: Ein Ausflug in die Natur, wie hier ins Reussdelta, relativiere vieles, sagt Heidi Z'graggen. «Ich nehme mich dann nicht mehr wichtig.»

Kurt Reichenbach

Der Westen, die Zukunft. Auf der Brücke zwischen Badeinsel und Naturschutzgebiet kreuzt sie an diesem Sonntag einen alten Weggefährten, Leo Brücker, 59. «Eigentlich ist er schuld, dass ich vor 20 Jahren in der Politik gelandet bin», sagt sie. Brücker, damals Präsident der CVP des Kantons Uri, habe sie als Politologin für ein Referat engagiert. Thema: die Zukunft der CVP in Uri. «Danach motivierte er mich, der Partei beizutreten.» Nun prägt sie die Zukunft der CVP vielleicht bald als Bundesrätin. «Sie schafft das», sagt Brücker. «Wir werden sehen», sagt Z’graggen.

Im Reussdelta hat die Bise mittlerweile den Föhn verjagt, fährt wie Schmirgelpapier über die Gesichter der Spaziergänger. Z’graggen schaut zum wiederholten Mal auf das Handy, «die Zeit», mahnt sie, «die Zeit». Dann läuft sie los, Richtung Auto, Richtung Bern. Die Bise im Rücken.

Von Michelle Schwarzenbach am 5. Dezember 2018 - 08:00 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 11:49 Uhr