Vor vier Jahren ist Miriam Rizvi, 17, das letzte Mal in ein Flugzeug gestiegen. Damals zieht sie mit ihrer Schweizer Mutter von Maryland bei Washington D.C.in die Schweiz. «In den USA gibts noch immer viele Leute, die nicht an den Klimawandel glauben», sagt sie mit amerikanischem Akzent. «Auch die Schweiz tut zu wenig. Nur Leute, die Geld haben, können sich Bio-Lebensmittel leisten und umweltfreundlich wohnen. Viele fliegen zu oft.» Aus ihrem Zimmer im Haus der Grosseltern organisiert sie mit ihren Mitschülern der Kanti am Burggraben im Dezember den ersten Ostschweizer Klimastreik – 400 haben mitprotestiert. 500 sind es bei der zweiten Demo, 600 bei der dritten im Januar. «Unsere Erde wird immer wärmer.
Stefan WalterIn St. Gallen gabs diesen Sommer wegen der Hitze ein Feuerverbot.» Die Zeit sei gekommen, etwas zu tun. Am Samstag finden in der ganzen Schweiz wieder Demos statt – Rizvi ist an einer dabei. «Dann muss auch niemand die Schule schwänzen.»
Stefan Walter«Kamaradinne und Kamarade! Das isch eusi Zuekunft, das isch euse Planet. MIR müend defür kämpfe!» 300 Schülern redet Benjamin Koch, 16, beim Klimastreik in Aarau ins Gewissen, mit dem Megafon in der Hand. Die gepfefferte Rede hat er daheim in seinem Dachstockzimmer in Dietwil AG geschrieben.
Stefan WalterAn der Fachmittelschule in Wohlen AG belegt Koch die Fachrichtung Erziehung und Gestaltung. Er ist Mitglied der Juso, Vegetarier, als Ben & Jerry’s tritt er mit Kollege Jeremy nächstens an der Poetry-Slam-Schweizer-Meisterschaft auf. «Wir machen politische und satirische Texte.» Benjamins Berufsziel: Politik als Künstler auszuleben. Im Herbst geht seine Klasse für ein Austauschprojekt nach Dänemark: Er und eine Kollegin sind die Einzigen, die mit dem Zug reisen, nicht mit dem Flugzeug. Schon dieses Wochenende fährt er nach Bern – zur nationalen Klima-Demo. «Hoffentlich kommen viele Jugendliche! Wir haben ein Recht auf Zukunft!»
Stefan WalterAm liebsten läuft Gianna Catrina, 17, barfuss durch ihr Zimmer. Sie legt eine Platte von Carlos Santana auf. «Ich liebe Musik und Kunst», sagt die Kantischülerin, die Gitarre spielt und schon ein Jahr alleine in Australien zur High School ging. Auch für die Umwelt schlägt ihr Herz. Sie organisiert den Klimastreik in Graubünden mit, gründet einen Chat und verteilt Flyer.
Stefan Walter«Ich hatte keine Ahnung, wie das bei den Mitschülern ankommt.» Einige lachen darüber, meinen, das bringe sowieso nichts. «Ich finde es wichtig, dass die Leute darüber reden.» Am Ende kommen 300 Menschen an die Demo. Darunter auch Gianna Catrinas Mutter Ursula, 53. «Ich bin stolz auf meine Tochter», sagt die Arzthelferin. «Meine Eltern haben die gleichen Werte wie ich – sind auch Naturmenschen. Aber ich bringe sie schon noch mehr auf die Öko-Schiene», sagt Gianna Catrina und lacht. Letzte Woche gründete sie die Partei der Jungen Grünen Graubünden. «Ich möchte auf jeden Fall später etwas auf der Welt bewirken.»
Stefan WalterPolitik hat Alex Calabrese, 16, aus dem solothurnischen Bellach nie gross interessiert. Bis er auf Youtube Greta Thunbergs Auftritt an der UN-Klimakonferenz sieht. «Greta hat mir die Augen geöffnet, mein Leben verändert.» Flugreisen sind für Calabrese nun tabu, seine Eltern fordert er auf, biologisch einzukaufen. Vor sechs Jahren ist die Familie aus dem süditalienischen Kalabrien nach Bellach gezogen.
Stefan WalterIn seinem Zimmer spielt Alex Playstation und auf seiner akustischen Gitarre, über seinem Bett hängen Vinyl-Singles, mit Cross-Fit hält er sich in Form. Alex geht in die 9. Klasse, er will Schauspieler oder Regisseur werden. Als er beim Schüler-Klimastreik in Solothurn zum Megafon greift, ist er ganz aufgeregt. Doch nach zwei Sätzen ruft er laut: «In Schweden hat sich ein neues Wort gebildet, flygskam, Flugscham. Das ist gut so!» Und: «Wir Jugendlichen hier sind voller Hoffnung, mit unseren Politikern und unserem Stolz die Welt retten zu können. Merci viu mau!»
Stefan Walter«Es ist unsere Generation, die vom Klimawandel betroffen sein wird! Und es ist unsere Generation, die ihn noch bremsen kann», sagt Elin Buholzer, 16, daheim in Münsingen BE. Es sei megawichtig, diese Botschaft unter die Jugendlichen zu tragen. «Deshalb haben wir gestreikt. Nicht, um zwei Stunden schulfrei zu haben.»
Stefan Walter«Make love, not CO2», steht auf einem Transparent auf dem Stadtberner Waisenhausplatz. Buholzer geht ans Gymer Kirchenfeld in Bern. Ihre Matura-Arbeit will sie dem Klimawandel und anderen geopolitischen Problemen widmen – gestaltet mit selber gezeichneten Karikaturen. Die engagierte Bernerin will Psychologin oder Juristin werden. «Auch als Pfadileiterin setze ich mich für die Umwelt ein.» Sie hat aufgehört, Fleisch zu essen, kauft ihre Kleider in Brockis, verzichtet auf Plastikverpackungen. «Keiner ist perfekt. Und niemandem soll etwas verboten werden. Doch jeder sollte auf seine Art einen Anfang machen.»
Stefan WalterUnd das ist das Vorbild der fünf Teenager. Greta Thunberg, 16, aus Schweden streikt für eine konsequente Klimapolitik.
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