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Familie Hiltl

«Fledermäuse sind nicht so fein»

Er führt das älteste vegetarische Restaurant Europas. Doch das Gespräch mit Rolf Hiltl und seiner Familie über Diäten, Drogen und geröstete Heuschrecken hat ganz schön Fleisch am Knochen.

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Was ist das?», fragt Léna, 11, und zeigt auf die langen Schlangenbohnen auf der Anrichte. Mit Maman Marielle, 46, und ihren Geschwistern Céline, 15, und Téo, 9, ist sie nach der Schule zu Papa ins Restaurant mitten in Zürich gekommen. «Und das sind die Dinger für die roten Tandoori-Schnitzel?», fragt Téo. Das Interesse an Lebensmitteln haben die drei von ihrem Vater, Rolf Hiltl, 47, geerbt, der das Haus Hiltl – gegründet 1898 – mit seiner Frau in vierter Generation führt. Marielle arbeitet zu zwanzig Prozent im Betrieb, den Rest zu Hause. So kommt das Essen auch daheim nur frisch auf den Tisch. Neben Genuss ist der Familie aber auch Sport wichtig. Und auf keinen Fall soll das «Schmüsele» am Abend fehlen. «Wenn Rolf mal länger arbeitet, darf abwechselnd eines der Kinder bei mir einschlafen», sagt Marielle Hiltl. «Rolf trägt das schlafende Kind dann später in dessen Zimmer.» Das soll aber die Ausnahme sein. Wichtiger ist den Hiltls, abends zusammen essen zu können. Dafür stehen die fünf auch mal gemeinsam am Herd.

Céline, Léna und Téo, was ist euer Lieblingsessen?
Léna: Mamis Zwiebelgratin mit roten Zwiebeln, der ist uh-mega fein.
Téo: Zwiebelwähe.
Rolf: Die ist auch von Mami.
Céline: Vegi-Carbonara und Suppen.

Magst du die Carbonara-Sauce auch mit Fleisch?
Céline: Nicht so sehr. Ich mag zwischendurch Fleisch, aber nicht zu viel.
Léna: Aber ich liebe Bolognese! In den Ferien in Zermatt essen ich und Téo in der Snowboardschule jeweils Spaghetti Bolognese.

Wie oft gibts daheim Fleisch oder Fisch?
Marielle: Etwa zwei- bis dreimal pro Woche. Und nur aus biologischer Produktion. Aber Wurstwaren mag ich nicht.
Rolf: Auswärts gibts schon mal eine Wurst. (Téo kichert.) Téo mag Würste sehr. Aber ein Fleischtiger ist auch er nicht.
Téo: Fleisch ist so hart, so schwer zu schneiden! Ich kann es fast nicht «abeschlucke».

Was würdet ihr nie essen?
Céline: Hm, da gibts kaum etwas. Im Ferienlager haben wir sogar schon einmal Heuschrecken gegessen. Und in den Ferien auf Mauritius Fledermäuse. Die waren aber nicht sehr fein.

Wie oft isst die ganze Familie gemeinsam?
Rolf: Oft. Jedes Wochenende und an zwei bis drei Abenden pro Woche. Morgens nicht, da macht sich jeder selber etwas.
Marielle: Die Kinder und ich sind auch beim Mittagessen zusammen. Ich achte darauf, was sie essen.

Sind Diäten bereits ein Thema?
Céline: Ja, mit Freundinnen mache ich jeweils Gesundheitswochen, dann gibts Vollkornbrot und Früchte zum Zmittag.
Rolf: Wo willst du denn abnehmen?
Céline: Ich machs nicht, um abzunehmen, mir geht es um die Gesundheit.

Und deine Freundinnen?
Céline: Manche machen es schon wegen der Figur.
Marielle: Ihr hattet doch diesen Gipfeli-Krieg.
Céline: Einige Mädchen wollten mir einfach nicht glauben, dass Gipfeli ungesund sind!

Marielle, achten Sie auf fettarme Ernährung?
Der Körper braucht Fett, Kinder besonders. Ich verwende pflanzliches Fett. Aber Pommes gibt es nicht.
Céline: Mami achtet vor allem darauf, dass wir viel Frisches essen: Früchte zum Zmorge, tagsüber viel Salat.

Aber Téo und Léna, mit dem Taschengeld geht ihr sicher mal zum Kiosk, um Süsses zu «chrömle».
Beide zusammen: Hmm.
Marielle: Wir haben schon Schoggi zu Hause; ich will nicht, dass sie solche Sachen im Geheimen naschen.
Rolf: Aber sie müssen fragen.
Téo: Grosmami gibt uns auch Süsses.
Léna: Und bei ihr hat es immer Aromat auf dem Tisch.

Welche Essmacken hat Familie Hiltl?
Rolf: «Piocher»: überall probieren. Ich teile gern, aber Marielle isst manchmal von meinem Teller, bevor ich die Speisen selber probiert habe!

Gibts spezielle Tischregeln?
Marielle: Mir ist ein gerader Rücken wichtig.
Rolf: Und dass man anständig miteinander redet …
Léna: … und nicht dreinredet!
Rolf: Genau, daran üben wir.

Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie auswärts essen?
Rolf: Kinderfreundlich muss es sein und frisch, bloss kein Convenience Food! Und es darf nicht lange dauern.

Wer kocht zu Hause?
Marielle: Alle, aber Rolf am besten.
Céline: An Papas Geburtstag haben wir Kinder allein einen Viergänger gekocht, mit Lammgigot als Hauptspeise.
Marielle: Und sie haben ohne Aufforderung die Küche aufgeräumt!
Rolf: Manchmal kochen wir auch alle miteinander, aber wir machen daraus kein riesiges Ritual, stehen nicht fünf Stunden lang gemeinsam am Herd.
Céline: Papi mag es, wenn es schnell geht. (Gelächter)
Rolf: Mir ist einfach wichtig, dass man einander hilft. Die einen kochen, die anderen räumen bereits auf.

Wer bestimmt das Menü?
Marielle: Ich kaufe ein und weiss, wer was mag und was nicht. Wenn jemand eine Idee für ein Menü hat, kann er bei mir die Zutaten bestellen.
Rolf: Grundsätzlich bestimmen aber wir Eltern, was es gibt.

Und wenn jemand etwas nicht mag?
Rolf: Was auf den Tisch kommt und was man sich schöpft, isst man. Gell, Téo?
Céline: Auch aus Respekt der Person gegenüber, die es zubereitet hat.
Rolf: Was gar nicht geht: Man sitzt hin und sagt «Buäää, das mag ich nicht!».
Léna: Aber wir sagen das nicht mehr! Ich habe schon uh-lang nicht mehr «Wäh!» gerufen. Jetzt sage ich eher: «Das mag ich nicht so» oder «Muss ich das jetzt essen?».

Und dann, was antworten Mami und Papi?
Léna: Dass ich es essen müsse oder zumindest noch einen Teil davon.
Téo: Manchmal schieben wir das Essen auf dem Teller umher, damit es aussieht, als hätten wir davon gegessen.

Zu einem guten Essen gehört für viele Erwachsene ein Glas Wein. Ist das bei Céline schon Thema?
Céline: Ich mag Wein nicht so.

Macht es Ihnen als Eltern Angst, wenn Sie von jugendlichen Rauschtrinkern lesen?
Rolf: Nein, gar nicht. Wir sind zuversichtlich und versuchen, unseren Kindern unsere Werte mitzugeben. Sie sind frei und können selbst entscheiden, was okay ist und was nicht. Wir haben Respekt vor gewissen Dingen, aber das hat mit Aufklärung zu tun.
Marielle: Wir verschliessen uns nicht vor den Problemen der Welt. Es gibt ganz tolle Kinderbücher über Drogen oder Alkoholprobleme. Je früher die Kinder vorbereitet sind, desto besser.

Was ist Ihnen bei der Erziehung sonst noch wichtig?
Rolf: Ordnung, und zwar nicht nur physisch. Ich mag es nicht, wenn alle durcheinanderrufen, und bin hochallergisch auf Streit. Ich will, dass wir uns mit Wertschätzung begegnen, nicht nur in der Öffentlichkeit.
Marielle: Unsere Beziehung als Paar ist uns ebenfalls wichtig; wir konzentrieren uns nicht nur auf die Kinder. Wenn wir beide es nicht gut haben, wollen sie später vielleicht nicht heiraten!
Rolf: Zuerst kommt unsere Beziehung, dann kommen die Kinder. Diese Reihenfolge halten wir ein. Über Auffahrt hatten wir drei Tage nur für uns, und man muss schon sagen: Als Paar ist es ohne Kinder entspannend! Drei Kinder sind drei Menschen, die stets Bedürfnisse haben. Da kann man nicht wie im Büro einfach mal die Tür schliessen.
Marielle: Aber wenn die Kinder länger als drei Tage weg sind, ist es Rolf, der zuerst nach ihnen fragt.

Wie wichtig ist es Ihnen, dass die Kinder in Ihren Betrieb einsteigen?
Rolf: Jedes Kind ist frei, wir haben kein Recht, ihnen etwas aufzuzwingen. Aber es würde uns natürlich freuen, wenn sie dereinst mitanpacken würden.

Kommt das für euch in Frage?
Céline: Ich weiss es noch nicht, könnte es mir aber vorstellen. Ich helfe jetzt schon ab und zu in den Ferien aus. Téo (auf dem Stuhl im Kreis drehend): Ich will Rennfahrer, Fussballspieler oder Hiltl-Chef werden.
Léna: Ich will nicht Chefin werden, ich will «Chindsgigärtnerin» werden. (Gelächter, weil Léna beim Herumfingern gerade ungewollt ihren Drehstuhl hat herunterflitzen lassen)
Marielle: Léna begleitet Céline manchmal, wenn sie babysitten geht. Sie flippt aus, wenn sie Bébés sieht.
Céline: Sie hätte halt am liebsten noch ein Geschwisterchen, aber Mami und Papi wollen nicht.
Rolf: Papi würde schon wollen. Damit das mal geklärt ist!

Von Christa Hürlimann am 23. Juni 2012 - 08:29 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 22:22 Uhr