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  4. Messe Basel Herzog & de Meuron: Jacques Herzog im Interview

Jacques Herzog

Ihr Glanzstück für Basel

Diese Woche wurde die neue Messe Basel von Herzog & de Meuron eröffnet. Architekt Jacques Herzog sagt, warum Hochhäuser bald die Stadt prägen und was der Bundesrat tun sollte.

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Schlichter Konferenzraum, weisse Wände, ein grosser Holztisch, Telefonanlage. Doch hinter der Glasfront kräuseln sich die Wellen des Rheins, immer wieder gleitet schwerfällig ein Frachtschiff vorbei auf dem Weg vom Basler Freihafen flussabwärts Richtung Nordsee. Weite Welt. Hier sitzt Jacques Herzog, schaut raus: «In Basel werden in den nächsten Jahren über zwanzig Hochhäuser gebaut. Das wird die ganze Stadt verändern.»

Die Architektengemeinschaft von Jacques Herzog, 62, und Pierre de Meuron, 62, hat Bauwerke geschaffen wie den St. Jakob-Park in Basel, die Allianz Arena in München, das Olympiastadion in Peking, das Museum Tate Modern in London. In den Büros an der Rheinschanze arbeiten über 280 Mitarbeiter an Projekten auf der ganzen Welt. Diese Woche feiern die Baumeister ein Heimspiel. Die neue Messe Basel wird anlässlich der Uhren- und Schmuckmesse Baselworld eröffnet. Unter der Projektnummer 213 plante ein Team um Jacques Herzog, Pierre de Meuron und Stefan Marbach seit 2004 die Messehalle und den überbauten Stadtplatz. Basel hat ein neues Wahrzeichen.

Schweizer Illustrierte: Am Dienstag wurde das neue Messegebäude eröffnet. Jacques Herzog, an welchen Stand gingen Sie als Erstes?
Jacques Herzog: Wir mussten ins Ausland. Deswegen haben wir diesen Moment leider verpasst.

Ihr Büro hat berühmte Stadien, Museen und Privatgebäude entworfen. Was reizt Sie an einem technischen Haus wie der Messe?
An sich sind Messegebäude uninteressant. Es sind Container, deren Inhalt die Aussteller bestimmen. Sie liegen ausserhalb der Stadt, beim Flughafen oder in Industriezonen. Doch hier in Basel haben wir eine einzigartige Situation, da das Ausstellungsareal mit der Stadt verwoben ist. Alle Besucher erleben hautnah das alltägliche Leben einer Stadt mitten in Europa. Schwierig war, ein sehr grosses Gebäude in ein kleinteiliges Stadtquartier zu bauen. Ein Stück Welt, globalisierte ökonomische Handelsmacht, dringt sichtbar mitten ins lokale Basler Leben ein.

Pierre de Meuron und Sie kennen die Messe aus Kindheitstagen.
Wir sind in der Nähe aufgewachsen und haben das Messegelände als abseits liegenden Teil, als Vorstadt erlebt. Nun gehört dieses Quartier zum Stadtzentrum. Mit dem Neubau ist etwas angestossen, was das Viertel völlig verändern wird: Es wird weltstädtisch. Ein weiteres Hochhaus, der Warteck Tower von Morger + Dettli, ist schon beschlossen. Er wird etwa so hoch wie der alte Messeturm. An die Stelle des alten Parkhauses wird wahrscheinlich noch ein Hochhaus mit Wohnungen und Hotel gebaut.

Ist das für Schweizer Verhältnisse eine extrem grossstädtische Umgebung?
Das wird man sehen... Den neuen Messebau kann man vergleichen mit einem Stein, den man ins Wasser wirft. Dabei entstehen Wellen. Und unser Gebäude wirft Wellen in die Stadt. Da sich die Regierung und das Volk vor Jahren für die Messe in der Stadt, wo die Fläche begrenzt ist, entschieden haben, bleibt starke Verdichtung in die Höhe der einzige konsequente Weg. Bauen in die Höhe wird Basel in Zukunft prägen.

Ein Problem scheint das grosse Loch mitten im Messegebäude...
...warum? Die Öffnung ist wichtig. Sie ist wie ein Gelenk, das die zwei Hallen in der Mitte zusammenhält und Tageslicht durchlässt. Ich habe oft beobachtet, wie die Menschen fasziniert durch das Loch zum Himmel schauen. Man sieht die Wolken vorbeiziehen wie in einem Film. Leute schicken uns Bilder, auf denen man sieht, wie es runterschneit, wie die Sonne hindurchscheint, es regnet. Das Loch ist ein Angebot für die vorbeigehenden Menschen. Ein Ausblick, der jedes Mal wieder anders ist.

Trampassagiere werden nass, wenn sie unter dem Loch stehen und warten, weil Sie kein Haltestellenhäuschen vorgesehen haben. Ärgert Sie die Kritik?
Das sehen wir ganz entspannt. Wir haben uns gewünscht, dass die Tramhaltestelle etwas verschoben würde. Dann stünde niemand im Regen, und eine Überdachung wäre überflüssig.

Die Fassade besteht aus breiten, gewellten Alubändern.
Das ist nicht einfach eine «Fantasy», sondern strategische Absicht. Eine glatte Oberfläche wirkt hart und mächtig. Glas macht keinen Sinn, weil völlige Transparenz in einer Messehalle nicht erwünscht ist, und Backstein ist zu schwer. Das Gebäude sollte etwas Leichtes, Veränderliches bekommen, weil es so gross ist - daher die Alubänder.

Jeden Tag um 10 Uhr gibt es in der Cafeteria Frühstück für alle Mitarbeiter: Zopf, Konfitüre, Kaffee, Tee. Entstehen in dieser informellen Pause die besten Ideen?
Die Pausen sind zur Entspannung. Und klar auch, um die Mitarbeiter miteinander zum Reden zu bringen. Was da an brauchbaren Ideen entsteht, ist schwer zu sagen. «Ideen» entstehen ja oft so nebenher. Die Welt ist voll von Architektur, beinahe zu voll, sodass wir alle ständig Anschauungsmaterial haben, was ebenfalls zu verbessern wäre.

Wo spürt man in Basel Ihre Idee von urbanem Bauen?
Basel ist eine schweizerische Stadt am Rhein und Teil einer grenzübergreifenden, trinationalen Region. Und auf dem Weg zu einer trinationalen Metropole. Die S-Bahnen und Tramlinien fahren über die Grenzen nach Frankreich und Deutschland. Wir haben in den letzten dreissig Jahren immer wieder Areale in dieser Region beschrieben, die unserer Meinung nach in die metropolitane Städteplanung einbezogen werden müssten. Dazu gehört unter anderen der Dreispitz mit dem Museum Schaulager und der Hochschule für Gestaltung. Ein Gebiet, das in den nächsten Jahren ausgebaut wird. Auch sind Projekte wie die Messe, der Novartis Campus oder das Roche-Areal Cluster Puzzleteile eines Ganzen.

Die Schweiz ist in weiten Landstrichen zersiedelt. Wie lautet Ihre Architekturvision für die Schweiz der Zukunft?
Auf politischer Ebene hat die Schweiz mit der Zweitwohnungsinitiative und dem neuen Raumplanungsgesetz den Weg in die richtige Richtung eingeschlagen. Nur - das reicht nicht. Der Schweizer hat immer noch eine sehr bäuerische Seele. Vor allem junge Familien sehnen sich nach einer ländlichen Idylle. Das verstehe ich, und das darf man auch nicht schlechtreden. Aber es führt dazu, dass die Einfamilienhaus-Zonen, die seit dem Krieg explosionsartig gewachsen sind, die Landschaft zerstören. Wenn die Schweiz weiterwächst, was vorausgesagt wird, wenn die Zuwanderung weiterhin anhält, wird man etwas ändern müssen. Wir können nicht weiter Land verschwenden.

Was schlagen Sie vor? Viele denken an Hochhäuser und finden sie als Wohnort schlimm.
Die Leute müssen nicht denken, dass sie alle in Hochhäusern wohnen müssen. Aber auch! Den grössten Spielraum für Verdichtung gibt es in den Vorstädten. Dort könnte man höher, dichter, urbaner bauen. Es gibt Vorbilder, wie die frühen Quartiere der Jahrhundertwende, die von vielen Menschen und nicht nur von Architekten sehr geschätzt werden.

Warum geschieht nichts?
Ohne Leidensdruck verändert sich nie etwas. Politiker, Investoren und Städteplaner müssten gemeinsame Modelle entwickeln. Das gibt es bis jetzt nicht.

Besprechen Sie die Zerstörung der Naturlandschaft Schweiz mit Bundesrätin Doris Leuthard?
In anderen Ländern sind Hintergrundgespräche mit Architekten normal. Sinnvoll wäre, wenn sich die Schweizer Politiker auch von Spezialisten beraten liessen. In der Schweiz ist es jedoch schwierig, weil die Politiker nicht die gleiche Machtfülle wie etwa in Frankreich oder Deutschland haben und weil ein Architekt, der sich mit Regierungsmitgliedern trifft, schnell in den Verdacht gerät, seinen persönlichen Vorteil zu suchen.

Wenn schon die Bundesrätin nicht reden will. Was halten Sie von Expertenrunden im Fernsehen?
Frau Leuthard haben wir als eine an diesen Fragen sehr interessierte Politikerin kennengelernt, aber besser wäre in der Tat ein regelmässiges Podium wie die «Arena» oder der «Zischtigsclub». Dort könnten Politiker und Architekten offen diskutieren. Nur so verstehen die Menschen das schwierige Thema Architektur. Es wird für die Schweiz immer wichtiger.

Von Stephanie Ringel am 27. April 2013 - 09:52 Uhr, aktualisiert 21. Januar 2019 - 00:20 Uhr