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Den Obdachlosen widmete er sein Leben

Pfarrer Ernst Sieber ist tot

Er war berühmt für sein grosses Herz - selbst über die Landesgrenzen hinaus - und half jenen Menschen, die es bitter nötig hatten. Jetzt ist Pfarrer Ernst Sieber im Alter von 91 Jahren gestorben.

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Pfarrer Ernst Sieber ist am Samstag im Alter von 91 Jahren friedlich eingeschlafen. Das liessen die Familie Siebers sowie das Sozialwerk Pfarrer Sieber über die Schweizerische Depeschenagentur sda am Sonntagabend vermelden.

Jesus ist seit jeher Pfarrer Ernst Siebers Vorbild. Ihm will er mit seinen Taten folgen, grossherzig und sozial engagiert sein und jenen helfen, mit denen es das Leben nicht immer gut meint. Am 24. Februar 1927 in Horgen geboren, beginnt Sieber seine Laufbahn zunächst als Bauernknecht und besucht die Landwirtschaftliche Schule Strickhof, ehe er über den zweiten Bildungsweg die Matura nachholt und sich für ein Theologiestudium entscheidet. Er ist aber kein Theologe im klassischen Sinne. Frömmelei sei ihm zuwider, sagt er. «Mein Auftrag ist gelebte Nächstenliebe und Barmherzigkeit», sagt er einmal in der «Schweizer Illustrierten»

Zwar setzt er sich schon früh - Ende der 1940er-Jahre - für Obdachlose ein. Schlagzeilen aber macht er 15 Jahre später, als im Seegfrörni-Winter 1963 viele Menschen ohne Daheim der Kälte schutzlos ausgeliefert gewesen wären, er ihnen aber ein Dach über den Kopf ermöglicht. Im Kriegsbunker am Zürcher Helvetiaplatz bietet er ihnen einen warmen Unterschlupf. Er erklärt den Bunker zu einem «Stück Himmelreich für Randständige».

Es ist der Grundstein seines jahrzehntelangen Engagements für Menschen in Not. Er ruft den Pfuusbus ins Leben - eine Schlafmöglichkeit für obdachlose Menschen -, die Suchthilfeeinrichtung Ur-Dörfli oder das Sunedörfli, ein Rehabilitationszentrum für ehemals suchtabhängige Menschen. Rund 30 Sozialwerke tragen mittlerweile seinen Namen. Zudem feiert er jeden Dezember mit 600 Randständigen im Hotel Marriott in Zürich Weihnachten. 

«Ich habe wirklich nichts Besonderes geleistet»

Egal, was Pfarrer Sieber auf die Beine stellt, seiner Arbeit liegt die Einstellung zugrunde, dass die von ihm und seinem Team betreuten Menschen das Gefühl bekommen sollen, «dass wir an sie glauben». «Nicht mit leeren Worten, sondern mit Taten, mit gelebter Liebe. Geben kann diese Liebe nur, wer selbst einen Sinn im Leben sieht und aus dem Wort Christi Kraft schöpft», so der Theologe auf seiner Website

Sieber wurde das Bedürfnis, anderen zu helfen, in die Wiege gelegt. Seine Mutter lebt ihm vor, was er später zu seinem Lebensinhalt macht. «Diese feine Frau tischte in unserem bescheidenen Heim Bedürftigen Suppe auf, bis alle satt waren», so Sieber im November 2017 zur «Schweizer Illustrierten». Damals wurde er vom «Beobachter» mit dem Prix Courage für sein Lebenswerk ausgezeichnet. «Welches Lebenswerk?», fragt Ernst Sieber ernst. «Ich habe doch wirklich nichts Besonderes geleistet!» 

«Ich würde nicht ungern gehen»

Pfarrer Ernst Sieber war verheiratet mit der Liebe seines Lebens, Sängerin Sonja Sieber-Vasalli. Fast sei er von der Kanzel gekippt, als er das «schöne Geschöpf» vor über fünf Jahrzehnten in der Kirchenbank erblickt habe, erinnert er sich einmal. Das Paar hat acht Kinder. Vier eigene: Martina, Jasmin, Ilona, Jethro. Und vier adoptierte: Simone, Michele, Patrice, Nuredin. 

Ganz offen redet Sieber in den letzten Jahren über den Tod. So sagt er im November 2017 zum «Blick»: «In den letzten Monaten dachte ich oft, so, jetzt wäre es dann mal Zeit. Ich würde nicht ungern gehen. Aber der Chef will mich offenbar noch nicht zu sich holen.» Gedanken über den Tod gehören zu seinem Leben. Er wolle aber erst gehen, wenn es «im Jenseits mindestens genauso schön ist wie auf der Erde». Offenbar ist es nun genauso schön wie auf der Erde.

Von Yasmin Rosner am 20. Mai 2018 - 19:38 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 12:45 Uhr