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FCSG-Trainer Uli Forte

Uli lässt den Tiger raus

Ehrgeiziger Workaholic, sprachgewandter Charismatiker - und vor allem ein grosses Trainer-Talent: Mit 35 will Uli Forte die Super League erobern. Den angezählten FC St. Gallen hat er in die höchste Spielklasse zurück­gebracht. Nun verlangt er von sich die Meisterprüfung - den Ligaerhalt.

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Den brüllenden Tiger liess Uli Forte  in der Kabine der AFG-Arena auf­malen. «Denn so sollen unsere Spieler auf dem Fussballplatz auftreten», fordert der ambitionierte Jungtrainer des FC St. Gallen.

Es gibt nicht vieles, was Uli Forte mehr nervt als die falsche Aussprache seines Vornamens. «Nicht Ueli der Pächter, sondern Uli Hoeness», sagt er dann belehrend, aber nicht ohne seinen Lausbubencharme. Bezeichnend, dass Forte den Bayern-Manager Hoeness nennt. Die Bundesliga – ein Fernziel des Arbeitersohns aus Brüttisellen ZH.

Und glaubt man Experten, dann gibt es hierzulande keinen Jungtrainer, der so viel Talent und so glänzende Perspektiven in diesem harten Business hat wie der 35-Jährige. Selbst der Schweizer Spitzentrainer Christian Gross sagt: «Er wird von Jahr zu Jahr besser. Forte ist zweifellos ein Talent.»

Dabei liegen die Wurzeln von Ulrich Massimo Forte, wie der studierte Betriebswirtschafter mit vollem Namen heisst, tatsächlich auf einem Bauernhof. Seine Eltern kamen 1969 aus Salerno (100 km südlich von Napoli) in die Schweiz, «nur mit 5000 Lire im Sack». Bei einem Bauern in Bassersdorf fanden sie Arbeit und Unterkunft.

Aus Dankbarkeit tauften sie ihren Erstgeborenen Ulrich – so hiess die gute Seele vom Bauernhof. «Leider habe ich meinen Namensgeber nie kennengelernt», sagt Forte. Aber ohne Ulrich gäbe es Uli vielleicht nicht. Und schon gar keinen Trainer Forte beim FC St. Gallen.

Letzte Saison hat er den schlingernden Traditionsklub souverän in die höchste Spielklasse zurückgeführt. Dafür mit eisernem Besen ausgemistet und nach dem Motto «Back to the roots» junge Ostschweizer in die schmucke AFG-Arena (zurück)geholt. Er fordert totale Identifikation mit dem Verein, auch von den Neuzuzügen für die Super League. «Dem hier unterordnen», sagt Forte und klopft ans grün-weisse Klublogo auf der schwarzen Trainerjacke.

Wenig später sitzt Uli Forte in der Business-Loge und blickt auf die Ränge im Stadion hinaus: «Mein Wohnzimmer!» Er trägt jetzt Anzug. Wie beim Spiel. «Ich muss etwas repräsentieren – da kann ich doch nicht in Jogginghosen an der Linie stehen», findet er. Genauso wie eines seiner Vorbilder, Christian Gross. Allianz-Arena statt Glunggenhof.

Obwohl er erst ein Jahr bei den Espen arbeitet, hat Uli Forte den Klub bereits voll für sich eingenommen. Mit seiner offenen Art, seinem Charisma. Die Damen im Logen-Trakt lächeln entzückt, wenn sie ihm die Türen aufschliessen. Die Angestellten der Geschäftsstelle schätzen seine korrekte, zielorientierte Art. Auch die Spieler mögen ihren Chef. Und die Führung? «Mister President!», ruft Forte laut, als Klubboss Michael Hüppi in der Mixed Zone auftaucht. «Maestro!», entgegnet der Präsident erfreut.

Später wird Hüppi sagen, dass Forte ein hervorragender Trainer sei. «Er versteht es, Spieler zu führen und ihre Entwicklung voranzutreiben.» Von den acht Kandidaten, die vor einem Jahr nach dem Abstieg als Krassimir Balakovs Nachfolger zur Debatte standen, sei Forte «schlicht der Beste» gewesen. Und es standen prominente Namen auf der Liste.

Forte bringt viele Voraussetzungen mit, es als Trainer nach ganz oben zu schaffen. Fachliche Kompetenz (die Uefa-Pro-Lizenz schliesst er in diesen Tagen ab). Psychologisches Geschick. Identifikation mit dem Arbeitgeber, mit den Fans. Guten Ausdruck (er spricht sechs Sprachen!). Motivationskunst. Leidenschaft. Das Spiel mit den Medien. «Oft ist es ein Wahnsinnsspagat», sagt er. Doch etwas vom Wichtigsten ist für ihn: «Ein Trainer ist der Dompteur der Spieler.»

Dazu passt, dass er als eine seiner ersten Amtshandlungen in der AFG-Arena einen Tiger an die Kabinenwand malen liess. «Ich sah diese leere gelbe Fläche und dachte sofort: ‹Die wäre super für ein Konterfei!› Ich überlegte, welches Tier zu uns passt, wie wir auftreten wollen – und kam auf den zähnefletschenden Tiger.» Daneben steht geschrieben: «Lass den Tiger raus!»

«So wie ich im Moment lebe, kann ich das keiner Frau an meiner Seite zumuten. Ich ordne alles dem Fussball unter»

Forte arbeitet gerne mit Bildern, genau wie Christian Gross, der einst ein Foto vom Matterhorn in die Hardturm-Kabine hängte. Forte ging mit seinen Profis auf den Säntis. Aber weil er gut 20 Jahre jünger ist als der ehemalige Erfolgscoach von GC und dem FCB, lässt er in der Kabine Techno und House von DJ Bolli aus dem Ghettoblaster hämmern. Und ist mit den meisten Spielern per Du. «Alles andere wäre nicht authentisch. Schliesslich bin ich auch jung.» Dass ihn die Spieler trotzdem respektieren, dafür sorgt er, indem er zur rechten Zeit die Schraube anzieht. Und mit natürlicher Autorität.

Was Forte ausserdem unter Respekt versteht, kann man auch an der Tür zu seinem Büro ablesen: Bitte anklopfen und warten! «Es war unglaublich – ständig latschten Leute einfach so hinein. Wie soll ich da arbeiten?», empört sich der Coach. In diesem unspektakulären Raum ohne Fenster sitzt Uli Forte manchmal bis 23 Uhr. Führt Gespräche, macht Telefonate, beantwortet E-Mails, studiert Spielervideos, wertet Statistiken aus, liest Zeitungen («Ich versuche, auch den Wirtschaftsteil zu lesen»).

Die Spieler sagen, Uli Forte sei ein totaler Workaholic. Stets perfekt vorbereitet. Oft ist er bereits um 8 Uhr im Stadion anzutreffen. Schliesslich wohnt er in Abtwil nur fünf Minuten vom Stadion entfernt. Forte: «Die Amerikaner nennen es 24/7. Ich lebe 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche für Fussball!» Selbst beim Joggen auf der Gründenmoos-Finnenbahn kreisen seine Gedanken um den Ball. «Oft fällt mir dabei die perfekte Aufstellung für den nächsten Match ein!»

Uli Forte schüttelt den Kopf. «So wie ich im Moment lebe, kann ich das keiner Frau an meiner Seite zumuten!» Seit 2006 eine längere Beziehung zu Ende ging, ist er Single. Kurz darauf bekam er die Chance, beim Challenge-League-Klub FC Wil in den Profifussball einzusteigen. «Ein entscheidender Punkt meiner Karriere. Da beschloss ich, alles meinem Ziel unterzuordnen. So lange, bis ich mir in der Super League einen Namen gemacht habe.»

Noch sieht er sich selber als Greenhorn im Spitzenfussball. Aber wenn ihm nun mit dem Ligaerhalt das «Meisterstück» gelingt, dann ist ihm nicht nur die Anerkennung sicher. Dann hat vielleicht auch die Liebe wieder Platz. Schliesslich träumt der Italiener von einer «gesunden Familie».

Statt Sonntagsspaziergang mit Kinderwagen stehen vorläufig Trainings und Spielbeobachtungen (immer mit dem Laptop auf dem Schoss) auf seinem Wochenend-Programm. Und sogar Handballmatches: «Interdisziplinäres Denken» nennt er es. Ihm gefällt die «Leichtigkeit des Spiels beim Handball, dieser Studenten-Groove, während meine Spieler manchmal fast gelähmt schienen vom Druck des Aufsteigenmüssens …»

Dass es am Ende doch souverän gereicht hat für die Rückkehr ins Oberhaus, ist zweifellos zu einem grossen Teil Uli Fortes Verdienst. Darum feiern ihn am 30. Mai beim letzten Challenge-League-Spiel in der AFG-Arena 20?000 Fans mit Sprechchören. Obwohl Forte Zürcher ist und die, wie er schmunzelnd feststellt, «in der Ostschweiz nicht sonderlich beliebt sind».

Aber Uli Forte lebt eben vor, was er von seinem Umfeld verlangt. Die totale Identifikation mit dem Verein. Klar, dass er auch bei der Aktion «800 Ostschweizer zahlen je 1000 Franken für ihren Klub» mitmacht, damit der Verein seine Schuldenlast von 800?000 Franken loswerden kann. «Danach können wir einen Strich unter die Vergangenheit machen und einen Neuanfang starten», hofft Forte.

Mit ihm an der Seitenlinie. «Die neue Saison wird pickelhart», ist er überzeugt. Sein Vertrag läuft bis 2010, «und meine Arbeit hier ist noch nicht beendet», so Forte, der auch schon mit GC in Verbindung gebracht wurde. Er plant in kleinen Schritten. Dass er trotzdem hohe Ziele hat, verhehlt Uli Forte aber nicht. «Jeder Trainer träumt doch davon, eines Tages in der Bundesliga zu arbeiten. Und die Serie A wäre für mich als Italiener natürlich ein ‹Träumli›!» Dann wäre Uli der Spitzentrainer am Ziel.

Von Sylvia Vogel am 2. Juli 2009 - 11:14 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 18:40 Uhr