Es ist frühlingshaft warm, das Eis ist bereits abgetaut. Trotzdem bekommt Tim Berni, 18, Gänsehaut, als er mit seinem Bruder Fabian, 20, die Kunsteisbahn Dübendorf ZH betritt. «Hier haben wir unsere halbe Kindheit verbracht, in jeder freien Minute geknebelt, gar stets am 24. Dezember», sagt Tim Berni. Ihr Vater war 1.-Liga-Spieler beim EHC Dübendorf, die Buben folgten ihm schon früh aufs Eis.
«Dort drüben haben wir nach Leibchen oder Stöcken der Spieler gefragt», sagt Fabian, der ältere Berni, und zeigt auf die Treppe, die von den Spielerbänken zur Garderobe führt. «Mein Traum war es, einmal in der 1. Mannschaft zu spielen», fügt Tim an – schmunzelnd. Vor wenigen Tagen hat er schon mehr erreicht, als er sich damals in seinen kühnsten Träumen vorstellen konnte: Der Youngster wird mit den ZSC Lions Schweizer Eishockeymeister!
Nachdem er die Lions-Meistertitel 2012 und 2014 auf der Leinwand im Hallenstadion mitverfolgt hat, darf der Verteidiger, der noch mit Gitterhelm spielen musste – bis 18 ist das Pflicht –, nach der Finalissima in der Resega in Lugano den Kübel selbst in die Höhe stemmen. «Irgendwie surreal wie im Film.»
«Er ist ein begnadeter Schlittschuhläufer»
Der 18-jährige Dübendorfer ist Sinnbild für den Umschwung der Zürcher. In der ersten Saisonhälfte lässt die Leistung des Teams auch wegen zahlreicher verletzungsbedingter Ausfälle zu wünschen übrig, die Qualifikation schliesst der Z auf Rang sieben ab. Der Trainerwechsel zum Jahresende vom Duo Wallson/Johansson zu Hans Kossmann läutet die Wende ein.
Kossmann, der vor der Anfrage aus Zürich in der Heimat Kanada im Ruhestand weilte und mit seiner Frau, einer Innenarchitektin, Häuser renovierte, setzt auf mehr Zugkraft aufs Tor, statt auf schönes, technisches – aber ineffizientes – Spiel. Und er macht aus der Not eine Tugend: Für die verletzten Routiniers setzt er junge Spieler ein. Wie Tim Berni, den er gar vom Farmteam GCK Lions holt. «Er ist ein begnadeter Schlittschuhläufer, kommt mit wenig Effort auf Tempo, ist physisch weit und spielt für sein Alter sehr abgeklärt», lobt ZSC-Sportchef Sven Leuenberger.
Mein Bruder ist mein Vorbild. In Sachen Fleiss und Professionalität kann ich immer von ihm lernen.
Der neunte Titel der Lions bedeutet das Ende einer Ära. Klublegende Mathias Seger, der mit seinem ZSC sechs Meistertitel – so viel wie kein anderer NLA-Spieler – gewonnen hat, tritt zurück. Auch wenn der 40-Jährige auf dem Eis in seiner letzten Saison nicht mehr zu den Leistungsträgern zählt, ist sein Anteil am Erfolg nicht zu unterschätzen. «Ich bin froh, konnte ich noch mit ihm spielen. Er hat mir geholfen, mir Tipps gegeben, mir geduldig die Übungen erklärt», sagt Berni.
«Von ihm bin ich noch eine Ewigkeit entfernt»
Von einer Wachablösung oder einem Vergleich mit Seger, dem Ältesten des Teams, will der Jüngste nichts wissen. Auch wenn er die Klublegende vorübergehend auf die Tribüne verdrängte: «Oh, von ihm bin ich noch eine Ewigkeit entfernt.» Doch sein rasanter Aufstieg ist bemerkenswert: Vor zwei Jahren spielt er noch bei den Novizen, vergangenes Jahr bereits in der U20-Nati, und in die aktuelle Saison startet er bei den GCK Lions in der Swiss League.
In all diesen Mannschaften an seiner Seite ist Bruder Fabian. «Er ist mein Vorbild. In Sachen Fleiss und Professionalität kann ich immer von ihm lernen», sagt der Jüngere abgeklärt. Stürmer Fabian Berni gibt das Lob zurück: «Ich bewundere seinen Ehrgeiz und dass er immer ruhig bleibt, wie jetzt in den Playoffs.»
«Es tat auch mal gut, nicht immer an Hockey zu denken»
Konkurrenzdenken untereinander kennen sie nicht. Auch jetzt nicht, wo der Jüngere den Sprung in die höchste Schweizer Liga vor dem Älteren geschafft hat: «Ich mag es ihm gönnen. Es ist unser Traum, mal gemeinsam auf NLA-Eis zu stehen. Nun bin ich noch motivierter.»
Die gute Arbeitsmoral lehrte sie der Vater. «Er hat immer gesagt, dass einem nichts geschenkt wird», sagt Fabian. Auch neben dem Eis sind beide fleissig: Sie wählen die KV-Ausbildung an der United School of Sports. Fabian hat die Lehre abgeschlossen und arbeitet zu 20 Prozent, Tim ist im 3. Lehrjahr. Er ging auch während der Playoffs arbeiten, gar an den Nachmittagen vor den Heimspielen. «Es tut auch mal gut, nicht immer an Hockey zu denken.»
Abschalten kann er auch nächste Woche in den Ferien mit seiner Freundin auf Mallorca. Danach gehts um die Zukunft: Ein Verbleib in der Lions-Organisation oder ein Wechsel in eine Juniorenliga nach Übersee – auch ein NHL-Draft ist wahrscheinlich – ist möglich. Ob für Berni und Berni bald der nächste Traum in Erfüllung geht und sie im gleichen Team spielen? Die gegenseitige Unterstützung ist ihnen so oder so gewiss.