«Skischule und Firmenrennen fallen aus. Aber wir sind solidarisch!» Eigentlich hätte sie mit ein paar Lernwilligen gerne die letzten Schwünge der Saison in den Schnee gezogen. Aber die Ski- und Snowboardschule von Vreni Schneider, der grossen Elmer Ski-Ikone, ist geschlossen. Die 55-Jährige schaut über die Piste: «Es entfallen jetzt auch Firmenrennen, Lagerrennen, Klubrennen. Aber die Lage ist ernst, und wir im Dorf sind solidarisch! Jeder geht alleine in die Natur oder macht zu Hause etwas.» Die Schweizer Sportlerin des Jahrhunderts hofft auch, dass die Spitäler nicht an ihre Grenzen kommen. «Ich wünsche den Ärzten und dem Pflegepersonal viel Kraft. Es wäre schön, wenn selbst dieses Virus etwas Gutes bringt. Dass die Familien wieder mehr Zeit miteinander verbringen. Dass wir zur Ruhe kommen, nicht immer mehr wollen. Wir müssen jetzt halt auf die ältere Generation schauen, so wie sie zu uns geschaut hat.»
Geri Born
«Wir planen Zeitfenster, in denen nur Risikopatienten einkaufen» Sachbücher, Sommerkleider und die neusten Smartphones. Im Glatt in Wallisellen ZH gibts alles, was das Herz begehrt. Doch das grösste Einkaufszentrum der Schweiz – mit 600 Millionen Franken Umsatz im Jahr – hat jetzt Zwangspause. Zumindest fast. Die meisten Läden mussten nach der Verordnung des 
Bundesrates die Türen schliessen. «Die Apotheken, Lebensmittelläden und der Qualipet haben geöffnet», sagt Glatt-Chef Rageth Clavadetscher, 48. Die Restaurants sind zu, alle Sitzgelegenheiten abgesperrt. Statt 25000 Besucher am Tag sind es noch 1500. Doch der Corona-Notstand macht erfinderisch. Glatt-Chef Clavadetscher kombiniert denn auch Geschäftssinn mit Solidarität: «Wir planen Zeitfenster, in denen nur Risikopatienten einkaufen. An einer konkreten Lösung arbeiten wir zurzeit noch.»
«Ohne die Emotionen des Publikums macht Fussball sowieso keinen Spass» In der Maladière verfolgen normalerweise Tausende Fussballfans ein Heimspiel ihres Klubs: des 1912 gegründeten Traditionsvereins Neuchâtel Xamax. Die erste Mannschaft spielt in der Saison 2018/19 erstmals seit dem Konkurs 2012 in der Super League. Die aktuelle Saison aber steht jäh still. Trainer Joël Magnin, 48, ist traurig: «Ohne die Emotionen des Publikums macht Fussball sowieso keinen Spass.» Noch hoffen die Klubs landauf, landab, dass sie im Frühsommer wieder spielen und einen Meister küren können. Dank der Verschiebung der Europameisterschaft um ein Jahr hat sich dieses Zeitfenster geöffnet. GC-Geschäftsführer Fredy Bickel, 54, ist trotzdem in grosser Sorge: «Es gibt Spieler, die jetzt um ihre finanzielle Existenz bangen.» Und Sion-Boss Christian Constantin, 63, prophezeit: «Der Liga werden nun 100 Millionen Franken fehlen.»
«Der Kulturplatz Schweiz ist in Gefahr» Mord, Liebe, Hass: Der Zürcher Opernhaus-Direktor Andreas Homoki, 60, kennt die menschlichen Abgründe. Doch was sich nun auf der Weltbühne abspielt, lässt selbst den sturmerprobten Regisseur mit ungarischen Wurzeln erzittern. Die 1100 Plätze seines Hauses – wie leer gefegt. Der Orchestergraben verwaist. Sänger, Statisten, Techniker, Kostümbildnerinnen warten zu Hause auf bessere Zeiten. «Neben den finanziellen Einbussen ist es für uns alle sehr traurig, nicht mehr für unser Publikum spielen zu können», sagt Homoki, der das Opernhaus seit 2002 leitet. Viele Kulturschaffende arbeiten bereits unter prekären Verhältnissen. «Die Situation der kleineren, privat finanzierten Theater und Künstler bereitet mir grosse Sorge. Ich sehe die Vielfalt des Kulturplatzes Schweiz in Gefahr.» Er selber macht Cocooning: «Meine Familie und ich bleiben, soweit es geht, zu Hause.»
«Ich fühle mich, als würde ich gerade einen Film schauen» Dagmar Rösler, 48, neue Präsidentin des Schweizer Lehrerinnen- und Lehrerverbands, hat verrückte Tage hinter – und vor – sich. In Bellach SO unterrichtet sie normalerweise selbst einmal pro Woche. «Nun ist die Stimmung im Lehrerzimmer bedrückt. In diesen Tagen fühle ich mich, als würde ich gerade einen Film schauen.» Man versuche, pragmatische Lösungen für Schüler und Eltern zu finden. «Doch die Lage ändert sich sehr schnell, das führt zu grosser Unsicherheit.» Anfangs hätten sich viele Schüler über die neue Situation gefreut. «Doch meine Kinder finden es schon nicht mehr so toll, es wird ihnen langweilig.» Laut Rösler muss auch damit gerechnet werden, dass die Schulen sogar bis zu den Sommerferien geschlossen bleiben könnten. «Dann sieht die Situation auch für uns wieder ganz neu aus.»
«Wir versuchen, Struktur in die Tage zu bringen». Nicht nur im Zirkuszelt, auch in den Köpfen von Ursus & Nadeschkin herrscht gerade Leere. Die Enttäuschung darüber, vorerst nicht in der Knie-Manege zu stehen, ist beim Komiker-Duo riesig. «Wir bereiten uns seit zwei Jahren darauf vor und haben uns extrem gefreut», sagt Urs «Ursus» Wehrli, 50. Man werde nun versuchen, das speziell für die Premiere antrainierte Konditionslevel zu halten und weiterhin die Texte zu repetieren. «Zu pausieren, ohne zu wissen, ob das monatelang Einstudierte vor Publikum funktioniert, ist schwierig», so Nadja «Nadeschkin» Sieger, 51. Auch privat sind sie gefordert, haben Kinder. «Wir versuchen, eine Struktur in die Tage zu bringen», sagt Wehrli. Es werde viel Zeit brauchen, das Geschehen zu verdauen. «Aber die Hoffnung bleibt, dass wir bald vor Publikum auftreten dürfen!»
Geri Born
«La vita è bella – Gemeinsam schaffen wir das!» Der letzte Grappa ist getrunken, die Stühle bleiben hochgestuhlt. «Chiuso», geschlossen, heissts für die 40 Restaurants des Schweizer Gastrounternehmens Bindella. «Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommen könnte. Wir haben die Dramatik der Lage unterschätzt», sagt Chef Rudi Bindella jun., 42, im leeren Ristorante Più an der Zürcher Europaallee. Was nun? «Mein Unternehmerherz blutet. Wir haben Anträge auf Kurzarbeit eingereicht.» Ein paar der 1300 Mitarbeitenden setzt er neu für den Home-Delivery-Service «Santa Lucia – a casa mia» ein. Geliefert wird – vorerst allerdings nur in Zürich – kostenlos und auf Wunsch sogar kontaktlos. Damit die Zeit daheim versüsst wird, gibts zur Bestellung gratis ein Dessert. Bindella freut sich auf «mehr Zeit mit der Familie. Zum Glück habe ich ein fantastisches Team. La vita è bella – gemeinsam schaffen wir das.»
Geri Born
