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Paulina Porizkova

«Frauen, seid ehrlich und mutig!»

Sie galt als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit, war das bestbezahlte Model und weltberühmt. Ein exklusives Gespräch mit Paulina Porizkova übers Altern, Schönheit und Lebensfreude.

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Paulina Porzikova ist mit sich im Reinen und frisch verliebt.

Paulina Porzikova ist mit sich im Reinen und frisch verliebt.

ZVG

Mit nur 19 Jahren wurde Paulina Porizkova das bestbezahlte Model der Welt – als internationales Gesicht von Estée Lauder. Sie strahlte mit ihrem damaligen Mann, dem Popstar Ric Ocasek, im Rampenlicht. Doch mit dem Alter kam die Unsichtbarkeit. Heute, mit 60, ist die Tschechin zurück – nicht als makellose Muse, sondern als unerschrockene Stimme für mehr Realität in Diskussionen über Schönheit. In ihrer neuen Rolle als Botschafterin von Estée Lauder spricht das einstige Supermodel und die heutige Autorin und Aktivistin ungefiltert über das, was nach dem Glanz kommt: Altern, Verletzlichkeit und im besten Fall die Fähigkeit, sich selbst nicht zu verlieren. STYLE traf Paulina Porizkova in Paris:

Paulina Porizkova, Sie sprechen gern über das Altern. Was stört Sie an der gegenwärtigen Wahrnehmung des Älterwerdens?

Altern sollte als das gesehen werden, was es ist: ein Privileg. Ich sehe junge Frauen auf Instagram, die mit zugeklebtem Gesicht schlafen, um keine Falten zu bekommen. Das ist beängstigend. Wir brauchen andere Vorbilder. Menschen, die zeigen, dass das Leben seine Spuren hinterlassen darf. Dass das Gesicht eine Landkarte ist.

Gab es Momente, in denen Sie selbst das Altern besonders gespürt haben?

Ja, in meinen frühen 50ern. Mein Mann entfernte sich, meine zwei Söhne wurden flügge, und plötzlich war ich für die Welt unsichtbar. Ich wurde nicht mehr beachtet, nicht mehr begehrt. Es war, als wäre ich gelöscht worden. Aber jetzt, mit 60, habe ich mich neu erfunden. Ich vergleiche mich nicht mehr mit 20-Jährigen. Ich bin stolz auf meine Falten. Ich bin stolz auf mein Leben.

Was bedeutet Selbstakzeptanz für Sie?

Ich habe erst mit fast 60 begriffen, dass ich Bedürfnisse haben darf. Dass ich nicht schwierig bin, nur weil ich etwas brauche. Ich habe mein ganzes Leben lang so getan, als wäre ich unverwundbar. Aber erst in der Verletzlichkeit liegt eine echte Verbindung.

Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis über das Alter?

Dass es kein Makel ist. Dass wir unsere eigene Kraft neu entdecken dürfen. Ich fühle mich heute mehr wie ein Mensch als je zuvor. Endlich gehöre ich zur Menschheit. Und ich geniesse das sehr.

Welche Botschaft möchten Sie Frauen vermitteln?

Seid ehrlich. Seid mutig. Sucht nach Menschen, die euch wirklich sehen. Und habt keine Angst vor Falten. Sie sind das schönste Tagebuch eures Lebens.

Gibt es Begriffe, die Sie am liebsten aus dem Vokabular der Schönheitsindustrie streichen würden?

Ich finde es höchst problematisch, dass so viele Cremes suggerieren, Jugend sei der einzig erstrebenswerte Zustand. Auf den Tiegeln steht dann «Finde dein 18-jähriges Ich» – und ich denke nur: Nein danke! Ich möchte mein jetziges Ich feiern, nicht eine längst vergangene Version davon. Jugend wird völlig überbewertet. Nicht weil es nicht schön ist, jung zu sein, das ist es durchaus, sondern weil es oft das Einzige ist, was als schön gilt. Das ist doch absurd. Ich bin stolz darauf zu altern. Und mal ehrlich: Was ist denn eigentlich die einzige Alternative zum Altern? Der Tod.

Wie kann die Schönheitsindustrie Frauen besser unterstützen – unabhängig vom Alter?

Indem sie aufhört, uns einzureden, wir müssten jünger aussehen, um schön zu sein. Wenn mir jemand sagt: «Du siehst so viel jünger aus!», dann ist das kein Kompliment. Sagen Sie lieber: «Du bist eine wunderschöne 60-Jährige.» Das ist ein Kompliment!

Wie hat sich das Schönheitsideal seit Beginn Ihrer Karriere verändert?

Als ich 1980 anfing, war das Model-Dasein mit Mitte 20 vorbei. Mit 25 galt man als «verbraucht». Heute ist das anders und gleichzeitig auch wieder nicht. Der Druck, jung auszusehen, ist geblieben. Nur die Methoden haben sich verändert. Heute ist es einfacher denn je, der Zeit äusserlich entgegenzuwirken: durch Eingriffe, Filter, Cremes. Aber wir haben eine Wahl: Passe ich mich dem Ideal an oder zwinge ich das Ideal, mich zu sehen.

Was hat sich in Bezug auf das Selbstbewusstsein von Models im Lauf der Jahre geändert?

Früher hatten wir keine Stimme. Wir sollten nur hübsch aussehen und still sein. Heute haben Models dank Social Media eine Plattform. Sie können sprechen, sich wehren, Missstände öffentlich machen. Das ist ein riesiger Fortschritt.

Wann haben Sie sich zum ersten Mal richtig wohl in Ihrer Haut gefühlt?

Vielleicht gestern? (lacht.) Nein, im Ernst: Das hat bis in meine späten 50er gedauert. Und es bleibt ein Prozess. Die 50er sind, wie viele Frauen sagen, eine Phase der Anpassung. Die 60er hingegen sind das Jahrzehnt des «Ich machs, wie ich will.»

Und was bedeutet das neue Schlagwort Longevity, also Langlebigkeit, für Sie?

Für mich ist Langlebigkeit in erster Linie Gesundheit. Ich bin 60, frisch verliebt, und wir sagen uns: Wenn wir Glück haben, dann haben wir noch 20 gute Sommer zusammen. Das ist nicht viel. Jeder Tag zählt. Und ich will keinen einzigen davon verschwenden. Ich will das Leben einatmen, mich hineinstürzen mit allem, was ich habe.

Gibt es etwas völlig Unerwartetes, das Sie gerne ausprobieren, unbedingt machen möchten?

Alles! (lacht.) Als ich 50 wurde – ein ziemlich miserables Jahr für mich – beschloss ich: Ich sage ab jetzt Ja. Zu allem. Das Erste war ein Fallschirmsprung in Tschechien. Muss nicht wiederholt werden, aber hey, ich habs gemacht. Ich will leben, spüren, entdecken. Reisen steht dabei ganz oben auf meiner Liste: Indien, China, Griechenland – ich will alles sehen, solange ich kann. 

Von Valeska Jansen am 2. Juni 2025 - 07:30 Uhr