Gideon Sartorius, welche Voraussetzungen muss ein Samenspender erfüllen?
Er muss gesunde Kinder zeugen können. Es dürfen keine Krankheiten vorliegen, die das Risiko erhöhen, dass seine Nachkommen erkranken oder sich die Empfängerin der Samenspende mit einer Krankheit ansteckt. Zudem muss der Spender volljährig und mit den gesetzlichen Vorgaben zur Samenspende einverstanden sein.
Gibt es auch eine Altersbeschränkung gegen oben?
Keine gesetzliche. In der Regel werden aber nur Spender unter 45 Jahren gewählt. Es gibt Hinweise darauf, dass die Spermienqualität danach abnimmt und das Risiko für Krankheiten leicht steigt.
Was ist damit gemeint, dass der Samenspender mit den gesetzlichen Vorgaben einverstanden sein muss?
Die Samenspende ist in der Schweiz nicht vollständig anonym. Der Spender muss damit einverstanden sein, dass das gezeugte Kind nach Erreichen der Volljährigkeit erfahren darf, wer sein biologischer Vater ist.
Gideon Sartorius ist Reproduktionsmediziner und Fachperson für Samenspende am Kinderwunschzentrum Fertisuisse in Basel und Olten. Er ist auch Präsident der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin AGER und Vorstandsmitglied der Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe SGGG.
ZVGWas erfahren die werdenden Eltern im Voraus über den Samenspender?
Im Grunde nichts. Wir Reproduktionsmediziner und -medizinerinnen wählen den geeigneten Spender aus. Dabei achten wir unter anderem darauf, dass das Erscheinungsbild dem sozialen Vater ähnelt. Falls gewünscht, dürfen wir auch schauen, dass die Blutgruppe mit jener eines Elternteils übereinstimmt. Es erfordert also viel Vertrauen von den werdenden Eltern.
Das heisst, sie dürfen keine Wünsche bezüglich Aussehens oder Bildungsgrad anbringen?
Nein, denn ansonsten gäbe es irgendwann nur noch besonders schöne, sportliche und intelligente Kinder. Das wäre ethisch und moralisch problematisch. Aber wir stellen natürlich sicher, dass die Spender gesund sind und die Tragweite ihres Entscheides verstehen. Wir führen zwar keine IQ-Tests durch, aber sie müssen eine Ausbildung abgeschlossen haben. Es werden nur Spender ins Programm aufgenommen, die wir auch für uns selbst wählen würden, wenn wir auf eine Samenspende angewiesen wären.
Aus welchen Gründen spenden die Männer ihre Samen?
Uns ist wichtig, dass es aus einer altruistischen Motivation geschieht. Also, dass sie anderen Menschen helfen möchten. Viele Spender haben Bekannte, die aufgrund einer Unfruchtbarkeit oder weil sie eine gleichgeschlechtliche Ehe führen, eine Samenspende benötigten.
«Es werden nur Spender ins Programm aufgenommen, die wir auch für uns selbst wählen würden.»
Werden die Samenspender bezahlt?
Bei uns erhalten sie eine Aufwandsentschädigung von 150 Franken pro Termin. Geld darf nicht die Motivation der Spender sein. Das ist auch für die künftigen Eltern wichtig: Die Spender sollen spenden, weil sie davon überzeugt sind, das Richtige zu tun. Im Übrigen verdienen auch die reproduktionsmedizinischen Zentren kein Geld mit gespendeten Samen. Natürlich sind unsere Arbeit und unsere Therapien nicht gratis. Aber wir betreiben keinen Handel mit den Samen. Die kosten im Grunde nichts. Die Kosten für die Spende decken den relativ hohen Aufwand der Spenderuntersuchungen.
Kürzlich wurde bekannt, dass in den Niederlanden 85 Samenspender je mindestens 25 Kinder gezeugt haben. Wäre das bei uns auch möglich?
Nein, bei uns darf ein Samenspender maximal acht Kinder zeugen. Das wird anhand eines zentralen Samenspenderregisters erfasst. Sobald ein Kind geboren ist, werden die Informationen zum Samenspender ans Eidgenössische Amt für Zivilstandswesen weitergeleitet.
Fehlt diese Kontrolle in anderen Ländern?
Nein, in den Niederlanden wurde diese Praxis beispielsweise auch eingeführt – so wurde dieser Skandal überhaupt entdeckt. Bei uns gab es das zentrale Register schon immer. Es gibt aber auch Länder, in denen die Anzahl Kinder pro Spender nicht so stark begrenzt ist – zum Beispiel in Dänemark und einigen US-Staaten.
«Die Spender sollen spenden, weil sie davon überzeugt sind, das Richtige zu tun.»
Gibt es in der Schweiz weitere Kontroll-Massnahmen? Etwa, dass darauf geachtet wird, dass nicht alle acht Kinder eines Spenders in derselben Stadt leben?
Nein, das wird nicht berücksichtigt. Aber man achtet darauf, dass eine Familie zwei oder drei Kinder vom selben Spender haben kann, damit sie nicht nur Halb- sondern Vollgeschwister sind. Zudem raten wir den Eltern, ihre Kinder möglichst früh über die Samenspende zu informieren.
Weshalb ist das wichtig?
Die Eltern entlastet es, wenn sie kein Geheimnis mit sich tragen müssen und die Kinder können sich gesünder entwickeln, wenn sie von Beginn an wissen, wie sie entstanden sind. Zudem gehen wir davon aus, dass Menschen, die wissen, dass sie durch eine Samenspende gezeugt wurden, beim Gründen einer Familie vorsichtiger und bewusster vorgehen. Das heisst, sie würden im Vorfeld das Risiko abklären, ungewollt mit einem Halbgeschwister liiert zu sein.
Das wäre bestimmt ein grosser Zufall…
Ja, aber theoretisch nicht ausgeschlossen – obwohl in der Schweiz strenger limitiert ist, wie viele Kinder ein Samenspender zeugen darf, als in anderen Ländern. Allerdings gibt es womöglich bald eine Anpassung: Es wird diskutiert, nicht mehr die Anzahl Kinder auf acht zu begrenzen, sondern die Anzahl der Empfänger-Familien beispielsweise auf vier. So könnte man sicherstellen, dass eine Familie, die etwa bereits zwei Kinder vom selben Spender hat, noch ein drittes “Voll-Geschwister” bekommen kann. Die Totalanzahl an Kindern wäre aber nur selten höher als bei der aktuellen Regelung.
Gibt es eher zu viele oder zu wenige Samenspender?
Momentan ist der Bedarf knapp gedeckt. Schwierig ist es aktuell, für in der Schweiz seltenere Phänotypen einen passenden Spender zu finden. Kommt ein Paar ursprünglich beispielsweise aus Sri Lanka, kann es schwierig sein, einen passenden Spender zu finden.