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Was machen eigentlich Schulsozialarbeitende?

«Wir helfen Kindern, selbst Lösungen für Probleme zu finden»

Der Start ins neue Schujahr ist nicht nur für die Kinder ein spezieller Moment, sondern auch für die Schulsozialarbeitenden. In vielen Kantonen unterstützen sie den Schulbetrieb bald flächendeckend. Was sie Kindern – und auch Eltern – bieten können, erklärt Prof. Dr. Florian Baier vom Institut Kinder- und Jugendhilfe der Hochschule für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

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Ältere Frau in fröhlichem Gespräch mit Mädchen

Gute Stimmung schafft Vertrauen: Für manche Kinder ist die Schulsozialarbeiterin nebst ihren Eltern eine der ersten Erwachsenen, denen sie sich anvertrauen.

Getty Images

Was bedeutet der Start ins neue Schuljahr für die Schulsozialarbeitenden?
Der Schulstart ist auch für sie speziell, da gerade Kinder, die neu in die Schule kommen, viele neue Eindrücke haben, die teils auch mit Unsicherheiten verbunden sind. Andererseits sind die Kinder erholt, sie haben noch keinen Stress, es gibt noch keine grösseren Konflikte, das ist ideal, um erste positive Eindrücke zu vermitteln, Kontakte zu knüpfen und Hemmungen abzubauen, zum Teil gibt es ja diffuse Bilder von der Schulsozialarbeit.

Stammen diese Vorurteile nicht eher von den Eltern?
Auch, sie vermuten vielleicht gleich etwas Dramatisches, wenn das Kind erzählt, es sei bei der Schulsozialarbeiterin gewesen. Zudem ist es für manche Eltern neu, dass ihr Kind nun gewisse Themen statt mit ihnen mit jemand anderem besprechen will. Doch das fördert die Lebenskompetenzen der Kinder: sich Hilfe holen, um ein Thema für sich sortieren zu können.

Wie gehen die Schulsoziarbeitenden im Gespräch mit den Kindern vor?
Sie geben keine Lösungen vor, sondern helfen den Kindern, selbst welche zu finden. Sie begleiten sie in der Entwicklung ihrer sozialen Kompetenzen. So können die Kinder auch mal ausprobieren, Probleme nicht nur mit ihren Eltern zu besprechen, sondern auch mit anderen Erwachsenen, mit einer unvoreingenommenen Stelle, die zudem unter Schweigepflicht steht.

Gilt diese Schweigepflicht auch gegenüber den Eltern?
Ja, das ist tatsächlich so, und das kann für die Kinder eine spezielle Qualität haben. Bei einem Verdacht zum Beispiel auf häusliche Gewalt oder sexuellen Missbrauch wäre es mitunter nicht förderlich, wenn die Schulsozialarbeitenden verpflichtet wären, sofort die Eltern zu informieren. Hier gilt es für die Schulsozialarbeit, zunächst mit Fachpersonen aus dem Kindesschutz zu kooperieren, um eine angemessene Vorgehensweise zu entwickeln. Die Sozialarbeitenden sollten die Schweigepflicht im Gespräch mit dem Kind konkret kommunizieren und thematisieren, wer über das Beratungsthema in welchem Ausmass informiert wird. Dabei können sie durchaus vorschlagen, dass es aus ihrer Sicht gut wäre, die Eltern oder Lehrpersonen zu informieren.

Und wenn ein Kind dies ablehnt?
Dann ist die Schweigepflicht kinderrechtlich verbrieft und nur in Fällen einer akuten Gefährdung gegenüber den Instanzen des Kindesschutzes aufgehoben. Schulsozialarbeitende sollten sehr aufmerksam für die Anliegen der Kinder in Bezug auf die Schweigepflicht sein, denn es könnte sein, dass die Kinder in den ersten Beratungsgesprächen noch gar nicht alles erzählt haben, was sie beschäftigt und erst einmal ausloten möchten, ob sie der Schulsozialarbeit tatsächlich vertrauen können.

Prof. Dr. Florian Baier

Experte für Sozialarbeit: Prof. Dr. Florian Baier vom Institut Kinder- und Jugendhilfe der Hochschule für Soziale Arbeit, Fachhochschule Nordwestschweiz.

ZVG

Ist die Schulsozialarbeit auch als Anlaufstelle für Eltern gedacht?
Die primären Adressaten sind Kinder. Die Schulsozialarbeit soll helfen, dass es ihnen gut geht und ein positives Klima auf dem Schulhof und im Klassenzimmer fördern. Aber die Schulsozialarbeit ist auch für die Eltern da, bei allen Fragen rund ums Kind im Schulalter. Falls die Schulsozialarbeitenden selbst nicht helfen können, vermitteln sie an geeignete spezialisierte Beratungsstellen weiter.

Gibt es Schulsozialarbeitende in der Schweiz eigentlich an jeder Schule?
Seit 20 Jahren nimmt die Anzahl stark zu, viele Kantone streben eine flächendeckende Einführung an, und es dauert nicht mehr lange, bis dieses Ziel erreicht ist. Das heisst aber nicht, dass das Angebot überall genügend umfangreich wäre. In ländlichen Regionen gibt es durchaus Schulsozialarbeitende, die an mehreren Schulhäusern tätig sind und dort dann jeweils nur recht wenige Stellenprozente zur Verfügung haben.

Warum begann die Entwicklung der Schulsozialarbeit vor 20 Jahren stark zuzunehmen?
In den 90ern gab es grosse Debatten um Jugendgewalt in und ausserhalb von Schulen, parallel äusserten sich immer mehr Lehrpersonen dahingehend, dass das Unterrichten schwieriger geworden sei, da es immer mehr Störungen in den Klassenzimmern gebe. Schulsozialarbeit war vielerorts die passende Lösung für schwierige Situationen in Schulhäusern. Es konnte mit Schulsozialarbeit sowohl gewährleistet werden, dass der Schulbetrieb wieder besser funktioniert als auch das Wohlbefinden der Kinder gefördert werden. Dies war allein durch Lehrpersonen nicht leistbar. In zahlreichen anderen Ländern war die Schulsozialarbeit damals allerdings schon längst etabliert, in Deutschland beispielsweise schon seit den 70er Jahren.

Von am 15. August 2023 - 15:42 Uhr