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Dafür & Dagegen

Soll man junge Kinder ein Jahr später in den Kindergarten schicken?

Kommt der Sohn unserer Redaktorin Marie regulär in den Kindergarten, gehört er zu den Jüngsten der Klasse. Für Marie kein Problem. Redaktorin Serafine sieht das anders und plädiert dafür, sehr junge Kinder eher ein Jahr zurück zu halten. Ein Pro & Contra.

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Kindergarten

In der Schweiz kommen Kinder im Alter von vier Jahren in den Kindergarten.

Getty Images/Maskot

In der Regel kommen Kinder in der Schweiz im Alter von vier Jahren in den Kindergarten. Stichtag für die Einschulung ist der 31. Juli. Konkret heisst das: Wenn ein Kind bis Ende Juli 4 Jahre alt geworden ist, kommt es nach den Sommerferien in den Kindergarten.

Bis Ende Februar haben Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder zurück zu stellen. Dafür braucht es ein ärztliches Zeugnis und eine Begründung. Nicht trocken sein oder emotional einfach noch nicht genug weit entwickelt sein, gehören zu den häufigsten Gründen, die Eltern dazu veranlassen, ihre Kinder erst ein Jahr später einzuschulen. 

Auch bei uns in der Redaktion ist das Thema präsent. Wobei die Meinungen vor allem von zwei Müttern auseinander gehen. Bei der Frage, ob man ein junges Kind ein Jahr später einschulen soll, scheiden sich Geister von Serafine und Marie.

Serafine ist pro Zurückstellen!

Serafine, Mutter von zwei Primarschulkindern: «Es braucht fünf positive Feedbacks, um ein negatives zu egalisieren. Dieser psychologische Grundsatz ist in Kinderjahren besonders wichtig. Dann, wenn sich Selbstbild und Selbstwert formen und verankern. Fakt ist aber auch, dass sehr viele Lehr- und Betreuungspersonen durch die frühe Einschulung und die Inklusion hart an der Grenze des Machbaren funktionieren.

Meine Erfahrung als zweifache Mutter und Hausaufgabenhilfe zeigt, dass zu viele Kinder aus diesen und diversen anderen Gründen im Kindergarten- und Schulalltag permanent negatives Feedback erhalten. Nicht nur in Form von Noten, sondern auch abschätzige Bemerkungen, Blossstellungen, Blicke, gehören leider in vielen Klassen zur Tagesordnung. Selbstwertgefühl und Lernmotivation leiden darunter. Das ist der Hauptgrund, warum ich in der späten Einschulung viele Vorteile sehe.

Ich glaube, dass es das Schulpersonal entlasten würde, wenn alle Kinder nur schon ein Jahr älter wären bei ihrer Einschulung. Und dass gerade verspielte Kinder davon profitieren, wenn ihre Entwicklung noch etwas nachreifen darf, bevor sie nach Lehrplan funktionieren müssen.

Das fällt vielleicht in den ersten Schuljahren noch gar nicht ins Gewicht. Aber beim Übertritt in die Oberstufe oder das Gymnasium macht es plötzlich einen Unterschied, ob man zu den Klassenältesten oder den Klassenjüngsten gehört.

Studien zeigen, dass ältere Kinder gegenüber jüngeren im Vorteil sind, wenn es um die Benotung oder relevante Schulübertritte geht. Sie haben eindeutig bessere Chancen, ans Gymi zu kommen. Allerdings muss man auch festhalten, dass eine Rückstellung aus solchen strategischen Gründen nur Familien in einer privilegierten Situation (finanziell oder betreuungstechnisch) möglich ist.

Solange sich nur vereinzelte Familien die hinausgezögerte Einschulung leisten können, fördert sie die Chancenungleichheit und ist deswegen eigentlich keine Option.»

Kinder im Kindergarten

Nicht jedes Kind ist gleich reif für den Kindergarten.

Getty Images/Maskot
Marie ist contra Zurückstellen!

Marie, Mutter eines Vorschulkindes: «Mein Sohn wird im Juni 4 Jahre alt. Im August kommt er in den Kindergarten. Er wird ganz sicher zu den Jüngsten gehören. Nicht nur die regulär eingeschulten Kinder werden mehrheitlich älter sein. Auch die, die vorletztes Jahr zurückgehalten wurden, werden meinem Bub weit voraus sein. 

Natürlich wecken diese Tatsachen ambivalente Gefühle in mir. Klar habe ich mir überlegt, dass es wahrscheinlich einfacher wäre, wenn wir das Kind zurückhalten. Noch ein Jahr Kita, Kind sein, verspielt sein, in den Tag leben. Tun und lassen, was man will, wann man will. Ferien inklusive.

Hinzu kommt, dass der Kleine (noch) nicht trocken ist. Emotional ist er auch noch nicht ganz da, wo ich es sehe, dass er lange und geduldig in einem Kreis sitzt und zuhört. Ich hätte also genug Gründe, um ihn abzumelden. 

Das will ich aber nicht!

Ich will meinem Kind nicht die Chance nehmen, dass es in den nächsten sechs Monaten noch einen Sprung macht und deswegen halt erst etwas kurzfristiger parat ist. Noch weniger will ich, dass es sich ein Jahr länger in der Kita langweilt und auch sonst unterfordert ist, zumal ich mir sehr sicher bin, dass er rein von seinem Wesen das gefordert und gefördert werden im Kindergarten sehr schätzen wird.

Ich bin auch der Meinung, dass der Kindergarten ja durchaus ein Ort sein darf, wo primär das spielerische Lernen im Vordergrund steht. Kinder sollen doch noch klein sein dürfen und bei weitem noch nicht alles in Perfektion beherrschen, das beim Eintritt in den Kindergarten gefordert wird. Geben wir ihnen doch die Chance, dass sie es im Kindergarten lernen dürfen. Und lassen wir die Kleinen wissen, dass wir ihnen was zutrauen und ihnen dabei immer zur Seite stehen. 

Zugegeben, wir haben noch nicht final entschieden, ob unser Sohn kommenden August tatsächlich in den Kindergarten startet. Nicht aber, weil wir uns vor einer Entscheidung scheuen. Wir gehen einfach mit seinem Tempo. Ist er im Frühsommer noch nicht trocken und emotional noch nicht da, wo wir ihn mit gutem Gewissen schicken können, darf er natürlich absolut noch ein Jahr Schonfrist geniessen.

Ist er aber ready, sind wir sicher, dass er auch als einer der Kleinsten ein ganz Grosser im Kindsgi wird.»

Von SI online am 14. Februar 2024 - 07:00 Uhr