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  4. Heidi Klum macht auf Diversität: ältere Models überraschen bei «Germany's Next Topmodel»

Best-Agers bei «Germany’s Next Topmodel»

«Die jungen Models sind gar nicht mehr so gefragt»

Sie heissen Martina, Lieselotte oder Barbara, sind 50, 66 und 68 Jahre alt und mischen grad gehörig die 17. Staffel von «Germany's Next Topmodel» auf. Denn mit dem Einzug von älteren Models in der Show geht Moderatorin Heidi Klum punkto Diversity konsequent noch einen Schritt weiter. Gut so, findet Bettina Schaefer, Chefin der Agentur Scout Models und erklärt, wieso Best-Ager-Models gerade so gefragt sind.

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Martina, Lieselotte und Barbara, Models bei «Germany's Next Topmodel»

Mehr Diversity geht fast nicht mehr: «GNTM»-Kandidatinnen Martina, Lieselotte oder Barbara geben in der Show ihr Bestes.

ProSieben

Auch bei der 17. «GNTM»-Staffel setzt Heidi Klum wieder voll auf Diversität, gleich drei reife Frauen, 50, 66 und 68 Jahre alt, sind am Start. Was halten Sie davon?
Wenn du so viele Jahre «GNTM» machst, ist es irgendwann auch mal langweilig, wenn man immer nur die schönen, grossen und schlanken Frauen sieht. Ältere Models sind sehr marktgerecht und nun schon seit Jahren erfolgreich. Sie machen weltweit einen grossen Teil des Umsatzes im Fashion- und Werbe-Business aus. Genauso verhält es sich mittlerweile auch mit Transgender-Models – und diese werden immer gefragter. Daneben hat es gleich auch noch den Effekt, einen starken Gegensatz in der Show zu haben. Diversität macht die Sendung interessant.

Sind Best-Ager-Models auf dem Werbemarkt tatsächlich so gefragt?
Ja, und dies nicht erst seit gestern. Das sehe ich auch bei uns. Ich habe meine Agentur vor fast zwanzig Jahren gegründet und von Anfang an auf ältere Models gesetzt. Ich wusste, dass dieser Trend kommen wird, gerade im kommerziellen Bereich. Und schon damals hat man mir diese Frauen aus den Händen gerissen. Heute werden bei uns über 50 Prozent Ältere gebucht. Im Gegensatz zu den Jungen, die sind schon lange nicht mehr so gefragt, gerade im Zeitalter von Photoshop und Digitalisierung.

Wie meinen Sie das?
Wenn ein Kunde bei einem älteren Model sagt, «die und die Falte will ich nicht auf dem Foto haben», dann machst du ein paar Klicks und die Korrekturen sind gemacht. Du hast dann aber trotzdem die viel gewünschte Erfahrung im Gesicht des Models. Wenn man zum Beispiel ein Anti-Aging-Produkt verkaufen will und das mit einer 18-Jährigen vermarktet, wird man nicht ernst genommen. Das kommt einfach nicht authentisch rüber. Also nimmt man dementsprechend ein Model, das die jeweilige Altersgruppe auch verkörpert – und bearbeitet das Bild so lange, bis es dem Kunden gefällt. Gerade auch die jungen Leute, die die Sendung heute schauen, sind sehr ehrlich mit sich selbst. Diversität ist gefragt. Die finden das cool, wenn jemand schwul, lesbisch oder transgender ist, die wollen diese Echtheit spürbar erleben.

Da werden Models genommen, die Zoff bringen, die irgendwie was Spezielles haben, wo die Produzenten wissen, es gibt ein bisschen Krieg. It’s a Show!

Bettina Schaefer
«Germany's Next Topmodel» Staffel 17

Alt, jung, dick, dünn, weiss, People of Color: Bei den Model-Typen geht bei Heidi Klum alles.

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Dann ist das nicht bloss ein Marketing-Gag der Show?
Klar, auch! Die ganze Show ist Marketing. Die Leute, die in die Sendung kommen, das sind ja nicht Models die super fotogen sind oder die grosse Karriere machen, sondern da werden solche genommen, die Zoff bringen, die irgendwie was Spezielles haben, wo die Produzenten wissen, es gibt ein bisschen Krieg. It’s a Show!

Ist es denn nicht so, dass eine grössere Diversität gerade mehr Harmonie mit sich bringt?
Das werden wir jetzt sehen, aber ich denke grundsätzlich schon. Mein Gefühl ist, dass die Älteren eine mütterliche Rolle übernehmen werden, denn viele der Models könnten ja altersmässig ihre Kinder sein, bzw. in einem Fall ist das ja auch so (Martina (50) tritt gemeinsam mit ihrer 18-jährigen Tochter Lou-Anne an, Anm. d. Red.). Wenn da jetzt ein junges Mädchen heult und sehr emotional wird, dann werden die zur Stelle sein.

Wenn ein Markt dafür besteht und Kunden auch ältere Models buchen, weshalb kam man denn nicht schon früher auf die Idee, reifere Frauen in der Show auftreten zu lassen?
Weil Veränderungen immer viel Zeit brauchen. Um etwas umzusetzen, dauert es halt einfach. Heidi Klum ist ja jetzt auch schon 48 Jahre alt, sie weiss doch ganz genau, dass ältere Models gefragt sind. Aber sie kann da ja auch nicht alleine bestimmen. Das Thema dürfte sie schon länger ins Spiel gebracht haben, nur bis dann halt der Sender, beziehungsweise die Produktionsfirma eine solche Veränderung akzeptiert, kann das schon ein paar Jährchen dauern.

Bettina Schaefer

Bettina Schaefer Scout Model
ZVG

Die gebürtige Bremerin Bettina Schaefer lebt seit ihrem 18. Lebensjahr in der Schweiz. Nach fünf erfolgreichen Jahren als Model gründete sie die Option Model Agentur in Zürich. Nach sechs Jahren im Modelagentur-Business zog es sie jedoch weiter in die Welt der Fotografie. Während den folgenden 15 Jahren arbeitete Schaefer als Porträt- und Lifestyle-Fotografin. 2004 baute sie dann, parallel zu ihrer Tätigkeit als Fotografin, die Scout Model Agentur in Zürich auf, ein paar Jahre darauf folgte Scout Commercial.

Heidi Klum und Models bei «Germany's Next Topmodel» Staffel 17 in Griechenland

Moderatorin Heidi Klum (2. v. l.) und ihre Mädchen beim Lunch auf der griechischen Insel Mykonos.

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Was haben denn ältere Models den jüngeren voraus?
Ganz einfach gesagt: Lebenserfahrung. Es ist sehr spannend mit älteren Frauen zu arbeiten. Klar, die haben ein paar Falten mehr im Gesicht, dafür steht da ein interessanter Mensch vor dir und das macht doch auch Spass. Viele Junge sind halt noch scheu und wissen nicht, wo es lang geht.

Diversität in der Castingshow allein mache noch lange kein Topmodel aus, sagt Model Agent und Ex-Juror Peyman Amin. Liegt er damit richtig?
Na ja, das hat jetzt ja auch nicht viel mit Diversität zu tun. Die Models, die in den vergangenen Staffeln auftraten, waren alle gross und schlank. Da waren auch viele dabei, die einfach genommen worden sind, weil sie zickig waren und blöd getan haben. Und genau diese Leute hat man in die Sendung genommen – und nicht unbedingt nur die Schönsten. Das war gerade auch Teil des Problems, dass die wirklich guten Models ganz schnell rausflogen, weil sie zwar attraktiv, aber langweilig waren. Deshalb denke ich schon, dass Diversität ja einfach mal nur ein neuer Approach ist. Heidi braucht Publikum, für die Sendung ist das genau richtig, was sie da gerade macht.

Ist die Werbung nicht vor allem auf ganz junge Menschen verschossen? Der Wunsch nach Jugendlichkeit und jungem Aussehen scheint bei uns Menschen doch grenzenlos.
Das stimmt ja so auch nicht mehr, Sie sind einfach nicht mehr up-to-date! (lacht)

Klar, da gibt es ja auch Beispiele von erfolgreichen Models, die schon bisschen älter sind. Zum Beispiel Carmen Dell'Orefice oder Eveline Hall. Was ist deren Erfolgsgeheimnis?
Wenn ein Mensch schön ist, kann er ja auch im Alter schön sein. Was dann noch dazu kommt, ist die Weisheit und die Lebenserfahrung, das rundet das Ganze dann noch ab. Es gibt auch Menschen, die im Alter immer schöner werden und das hat vor allem mit einem selbst zu tun. Wenn du ein negativer Mensch bist, dann kommst du auch so rüber, dein Gesicht strahlt aus, was für eine Persönlichkeit du bist!

Die jüngere Generation will keine heile Welt vorgegaukelt bekommen

Bettina Schaefer
Heidi Klum und Model Barbara «Germany's Next Topmodel» Staffel 17

Üben, üben, üben: Model-Mutti Heidi stolziert mit Kandidatin Barbara über den Laufsteg.

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Wir hatten in der jüngsten Vergangenheit schon alles auf dem Catwalk: Heroin Chic, Androgynität, meterosexuelle Männer und seit neuestem sind auch Frauen, die früher mal Jungs waren, sehr beliebt. Wie verändert sich das Schönheitsideal gerade?
Schönheit ist immer eine Modeerscheinung. Heute geht fast alles, es wird gerade mächtig experimentiert mit Typen und Stilen. Im Prinzip ist der Markt so offen, dass man sagen kann, jeder kann eigentlich ein Model sein, ob dick, dünn, schwul, transgender – man probiert halt einfach aus. Früher waren es nur die explizit Schönen, die eine Karriere machen konnten, das ist heute schon anders. Wenn du Attraktivität mit Authentizität und diesem gewissen Etwas paarst, dann ist das das Erfolgsgeheimnis. Ich glaube nicht, dass es noch ein klassisches Schönheitsideal gibt, 90-60-90 war gestern. Alles ist im Wandel, aber was man jetzt schon sagen kann: Best-Ager- und Curvy-Models werden bleiben.

2021 gewann erstmals ein Transgender-Model den Wettbewerb. Warum erobern immer mehr Transsexuelle den Laufsteg?
Früher hätten sich Transgender-Menschen nicht in eine Show getraut, wo man Topmodels sucht, heute tun sie es. Und sie haben halt auch was Interessantes. Dieser spezielle Look macht es aus. Und sie können, wenn sie hübsch sind, durch diese Umwandlung einen starken Appeal gewinnen. Doch schlussendlich gilt: Mensch ist Mensch.

Steigt der öffentliche Druck nach Inklusion auch bei «GNTM»? Also, dass alle möglichen Menschen akzeptiert werden und niemand ausgegrenzt wird?
Diese Forderung ist da, gerade von der jüngeren Generation. Die will keine heile Welt vorgegaukelt bekommen, das langweilt die Jungen. Und sie sind schliesslich das Zielpublikum von «GNTM». Es geht um das Bewusstsein, dass es da draussen halt nicht nur schöne, perfekte Menschen gibt, sondern genauso grosse und kleine, dicke und dünne, alte und junge.

Heidi Klum will wegen den älteren Kandidatinnen jetzt nicht mehr «Mädchen», sondern «Models» sagen. Finden Sie das richtig, oder hätte sie die Best-Ager-Ladys durchaus auch so ansprechen dürfen?
Ich habe mir das auch überlegt, als ich mir die Sendung angeschaut habe. Dass sie sich immer wieder versprochen hat, das macht sie meines Erachtens nicht absichtlich. Wenn du so viele Shows gemacht hast, dann ist das einfach in deinem Kopf drin, dann sind auch Ü60-Kandidatinnen nach fünf Folgen plötzlich ihre Mädchen, weil Heidi das auch wirklich so empfindet.

Von Simon Beeli am 3. März 2022 - 17:54 Uhr