Sporty Spice Mel C. im grossen Interview mit Schweizer Illustrierte

Mel C, du kommst nächste Woche in die Schweiz und trittst an Art on Ice Zürich, Freiburg und Davos auf. Freust du dich schon?
Ja, total. Es ist schon so lange her, seit ich bei euch war und seitdem ist viel passiert, wir mussten alle so lange voneinander fern bleiben. Es ist wunderbar, wieder in die Schweiz kommen zu können, einige meiner Lieblingslieder performen zu können und Teil einer so grossartigen Show zu sein.

Worauf freust du dich besonders?
Teil dieser grossartigen Produktion von Art on Ice zu sein, ist etwas sehr Besonderes für mich. Bei so einer Live-Show bin ich noch nie aufgetreten, aber ich habe mir im Vorfeld Ausschnitte im Internet angesehen und finde die Eiskunstläufer und ihre Figuren atemberaubend, zudem hat die Show eine super Band. Ausserdem freue ich mich darauf, meine bezaubernden Schweizer Fans zu sehen!

Du wirst auf einer Bühne auf dem Eis singen, wagst du dich auch auf die Schlittschuhe?
Ich habe vor vielen Jahren Eisschnelllaufen gelernt. Aber als Künstlerin schrecke ich häufig davor zurück, Dinge zu machen, in denen ich nicht besonders gut bin, wie etwa Eiskunstlauf oder Skifahren, da ich immer Angst habe, mich zu verletzen. Aber meine Teilnahme bei Art on Ice sehe ich auch ein wenig als Möglichkeit, vielleicht ein wenig Training von den Profis zu bekommen.

Wie schwierig ist es, in einer kalten Eishalle zu singen?
Darüber habe ich noch gar nicht wirklich nachgedacht. Aber natürlich möchte ich als Sängerin immer die perfekten Konditionen haben. Ich muss einfach gut zu mir schauen und sicherstellen, dass ich mich stimmlich gut aufwärme und mich warm halte. Und letztlich hilft das Adrenalin und das Publikum und die Aufregung drum herum einem, das Ganze durchzustehen. 

Machst du dir Sorgen, dass deine Stimme nicht durchhalten könnte?
Ich bin auch schon in Skigebieten aufgetreten und in so einer kalten Umgebung zu singen, kann ziemlich beunruhigend sein. Es kommt meiner Meinung nach einfach darauf an, auf sich zu achten, sich warm anzuziehen und in der besten Verfassung zu sein, in der man sein kann. 

Mit welchen Ritualen bereitest du dich auf deinen Auftritt vor?
Wenn man so lange im Business ist, wie ich, lernt man, dass Disziplin ein wichtiger Teil der Vorbereitung ist. Ich achte also auf meine Ernährung, trinke keinen Alkohol und mache Sport, um gesund zu bleiben, vor allem, wenn eine so grosse Show wie Art on Ice bevorsteht. Ich gehe morgens also ins Fitnessstudio und bereite meinen Körper auf die Show vor. Es geht vor allem darum, dass ich mir gut Sorge trage, weil ich einfach eine gewisse Verantwortung habe. Das Publikum, welches sein hart verdientes Geld für die Tickets ausgibt, erwartet eine tolle Show! Es ist meine Aufgabe, in bestem Zustand zu sein, um ihnen genau das bieten zu können.

In der Schweiz beginnen bald die Sportferien. Nutzt du die Gelegenheit, Ski zu fahren?
Ich habe nie Skifahren gelernt und später als Künstlerin hatte ich immer Angst mich zu verletzen. Aber je älter ich werde, desto mehr versuche ich, neue Dinge zu wagen und würde eigentlich gerne mal noch Skifahren lernen. Vielleicht ist mein Besuch in der Schweiz diesmal eine gute Gelegenheit, es auszuprobieren. Eigentlich wäre es fast eine Schande, in der Skisaison in der Schweiz zu sein und die Gelegenheit nicht zu nutzen.

Zurück zu deinen Anfängen als Künstlerin: MIt knapp 20 Jahren wurdest du Mitglied der Spice Girls und standest früh im Rampenlicht. Woher hast du als junge Frau dieses Selbstbewusstsein genommen?
Seit ich ein junges Mädchen bin, trete ich vor Publikum auf, das war schon immer meine grosse Leidenschaft. Während Kinder bei euch in der Schweiz damit aufwachsen, regelmässig Ski zu fahren, bin ich mit meinen Auftritten gross geworden. Daher war es für mich immer etwas ganz Natürliches. Und mit den Spice Girls hatte ich immer Rückendeckung, wir haben aufeinander aufgepasst und haben uns gegenseitig aufgebaut, indem wir das Beste im Anderen gesehen haben. Dadurch haben wir uns gegenseitig viel Selbstbewusstsein gegeben. 

Die Spice Girls waren die Verkörperung von «Girl Power» und ein Vorbild für viele junge Mädchen und Frauen, selbstbewusst durchs Leben zu gehen. Was hat sich in Sachen Feminismus seither verändert?
Meine Tochter ist fast vierzehn Jahre alt, daher bekomme ich aus erster Hand mit, wie anders es heute ist, eine junge Frau in der Gesellschaft zu sein. Sie müssen sich mit anderen Dingen auseinandersetzen, die wir nie hatten, wie beispielsweise Social Media. Dadurch sind sie mit einer anderen Art von Druck konfrontiert. Sie haben dadurch eine andere Sichtweise, aber auch andere Probleme, als wir sie hatten.

Seit den 90er-Jahren, als wir angefangen haben, über «Girl Power» zu sprechen, ist Feminismus so viel etablierter geworden und junge Leute verstehen das Thema viel besser und können es besser ausleben. Und mit jeder neuen Generation setzt der Feminismus noch ein bisschen mehr durch. Ich behaupte, Mädchen heutzutage kecker, sie sind sehr intelligent, wissen genau, was sie wollen und wissen, dass sie ihre Meinung frei äussern können. In der Schweiz und Grossbritannien leben wir zum Glück in einer modernen und frei denkenden Gesellschaft, in der Menschen gleichberechtigt behandelt werden, unabhängig von ihrem Hintergrund oder ihrer Denkweise. Es freut mich zu sehen, wie junge Frauen immer stärker und selbstbewusster werden und sich in der Gesellschaft behaupten. 

Ist es für junge Mädchen heute einfacher, sich zu entwickeln und ihre eigene Stimme zu finden?
Wir bekommen die Entwicklung der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen in gewissen Bereichen derzeit live mit, aber ich denke nicht, dass wir schon an dem Punkt angelangt sind, an den wir kommen wollen. Wir sind nicht perfekt und werden es wahrscheinlich auch nie sein, aber Mädchen und Frauen spüren heutzutage definitiv, dass sie gehört und ernstgenommen werden – mehr, als es früher der Fall war. Aber die Welt, auch in der Unterhaltungsindustrie, ist immer noch sehr männerdominiert. Was allerdings spannend zu beobachten ist: Die Geschlechterrollen weichen sich immer mehr auf, was sich zum Beispiel am Begriff «Gender Fluid» zeigt. Ich bin überzeugt, dass dieser offene und verständnisvolle Umgang mit den Geschlechtern den kommenden Generationen helfen wird, in der Gesellschaft besser akzeptiert zu werden. 

Wie erziehst du deine eigene Tochter zu einer selbstbewussten und unabhängigen jungen Frau?
Scarlet ist in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für mich. Natürlich bin ich ihre Mutter, aber seit dem Moment, in dem sie geboren wurde, hat sie mir so viel beigebracht. Kinder setzen sich intensiver mit ihren Gefühlen auseinander, wir Erwachsene verlieren das mit den Jahren leider ein bisschen. Daher sollten wir Kindern besser zuhören, um uns selbst besser zu verstehen. Ich gebe zu, es war nicht immer einfach, als alleinstehende Mutter meine Tochter zu erziehen, teilweise war es sehr anstrengend. Aber sie ist unglaublich und ich bin sehr stolz auf sie. Tochter eines Spice Girls zu sein und mit den Kindern der anderen Spice Girls zusammen zu sein, hat ihr geholfen, ein starkes Selbstbewusstsein zu entwickeln

Im Februar wird Scarlet vierzehn Jahre alt. Welchen Ratschlag möchtest du ihr gerne mit auf den Weg geben?
Sie soll einfach sie selbst sein. Natürlich hat sie wie viele junge Frauen immer mal wieder Momente der Unsicherheit und ist auf der Suche nach sich selbst und stellt sich die Frage, wer sie sein will und was sie mit ihrem Leben anfangen möchte. Aber ich denke, unsere Aufgabe als Eltern ist es, unsere Kinder einfach dazu zu ermutigen, sich selbst zu sein und Vertrauen in sich und die eigenen Fähigkeiten zu haben. Ich selbst habe Jahrzehnte gebraucht, um mit mir selbst im Reinen zu sein und glücklich mit der Person zu sein, die ich bin. Aber ich habe realisiert, wie viel Power in dieser Akzeptanz liegt, weil man einfach viel glücklicher ist und so viel mehr erreichen kann. Wenn ich es schaffe, meinem Kind dieses Denken mitzugeben, kann ich stolz auf mich sein.

Ist deine Tochter eigentlich ein Spice Girls Fan? 
Sie hat einen sehr abwechslungsreichen Musikgeschmack. Sie hört viel amerikanischen und britischen Hip Hop, R’n’B, Billie Eilish, Taylor Swift, Adele … sie hört wirklich alle möglichen Arten von Musik. Aber nein, sie schwärmt nicht unbedingt für die Musik ihrer Mutter. Aber ich glaube, das ist normal für einen Teenager.

Was würdest du ihr raten, wenn sie in deine Fussstapfen treten und Sängerin werden möchte?
Wie die meisten Eltern, möchte ich meine Tochter einfach darin unterstützen, glücklich zu sein, egal, welchen Karriereweg sie einschlägt. Sie performt nicht wirklich gerne und im Gegensatz zu mir ist es keine Leidenschaft von ihr. Ihre Talente liegen in anderen Bereichen und darüber bin ich ehrlich gesagt etwas erleichtert. Es kann schwer sein, in die Fussstapfen eines Elternteils zu treten, vor allem, wenn dieser sehr erfolgreich war. Ich freue mich einfach, dass sie ihren eigenen Weg findet.

Du bist eine alleinerziehende Mutter, viel auf Tour und nicht oft daheim. Wie schaffst du es, trotzdem genug Zeit mit deiner Tochter zu verbringen?
Es ist wirklich schwierig. Momentan arbeite ich in London, bin also die ganze Zeit zu Hause und da, wenn sie aus der Schule und wenn sie am Morgen aufsteht. Meine Mutter ist mir ausserdem eine grosse Hilfe und ich habe zum Glück viele Leute um mich herum, die helfen. Ich versuche aber immer, nicht zu lange von zu Hause weg zu sein. Wenn meine Tochter Ferien hat, versuche ich, schöne Ausflüge und Ferien zu organisieren, damit wir ein wenig Quality Time miteinander haben. Wir versuchen, wann immer möglich, Zeit miteinander zu verbringen und diese dann einfach zu geniessen.

Du sagst, du hast lange gebraucht, dich selbst zu finden. Was hat es mit dir gemacht, mit den Spice Girls in so jungen Jahren Teil der wohl erfolgreichsten Girl Group aller Zeiten zu sein?
Es war eine absolut märchenhafte Erfahrung. Aber wir haben auch hart dafür gearbeitet, zu erreichen, wovon wir träumten. Es ist also nicht alles nur gut oder nur schlecht. Mit dem Erfolg kam natürlich auch eine Menge Verantwortung und die Presse, vor allem die Klatschpresse in Grossbritannien kann sehr grausam sein, vor allem damals in den 90ern gab es zum Teil wirklich unschöne Momente. Als junger Mensch war es sehr schwer, damit umzugehen. Unsere Leben haben sich damals stark verändert und danach brauchten wir alle ein wenig Zeit, um erst einmal herauszufinden, wer wir eigentlich sind. Wir haben alle unser eigenes Ding gemacht, haben Familien gegründet und hatten Zeit, uns selbst zu finden. Aber es ist dadurch jedes Mal umso schöner, wenn wir uns wiedersehen, weil wir eine neue Wertschätzung füreinander haben und für alles, was wir zusammen erreicht haben.

À propos Zusammenkunft: Wie sieht es mit einer Spice-Girls-Reunion aus? Es wird gemunkelt, sie könnte am diesjährigen Glastonbury-Festival stattfinden.
Ich muss euch leider enttäuschen, wir konnten leider keinen gemeinsamen Termin finden, auch wenn wir wirklich gerne wieder miteinander aufgetreten wären. Aber wir möchten auf jeden Fall wieder gemeinsam auf der Bühne stehen, weil es jedes Mal toll ist, wenn wir es schaffen. 2019 sind wir gemeinsam in Grossbritannien und Irland aufgetreten und das waren die besten Shows, die wir jemals zusammen gemacht haben. Wir waren einfach glücklich, miteinander zu singen und das Publikum war unglaublich. Momentan ist allerdings nichts in Planung, wir arbeiten aber daran und stehen miteinander in Kontakt. Hoffentlich das nächste Mal dann auch mit Victoria [Beckham, Anm.d.Red.], die 2019 auf Zeitgründen nicht mit auf der Bühne stehen konnte, aber trotzdem in den gesamten kreativen Prozess stark involviert war. Aber wir hoffen, dass sie das nächste Mal dabei sein wird, denn schliesslich ist sie immer noch ein Spice Girl und sehr stolz darauf. 

Du bist seit Langem als Solokünstlerin unterwegs, nachdem du jahrelang mit den Spice Girls auf Tour warst. Was sind die grössten Unterschiede, wenn man alleine auf der Bühne steht?
Die Zeit, die wir Mädels miteinander verbracht haben, war natürlich etwas ganz Besonderes. Ich liebe es aber auch, als Solo-Künstlerin auf der Bühne zu stehen. Aber wenn ich mit den Spice Girls auf der Bühne performe, versetzt mich das in meine Jugend zurück und es ist jedes Mal sehr nostalgisch, weil wir so viele verschiedene Generationen im Publikum sehen. Unsere Fans von damals sind inzwischen selber Eltern, bringen zum Teil ihre eigenen Eltern mit an die Konzerte oder bringen ihre Kinder mit und das ist jedes Mal sehr schön zu sehen. 

Was vermisst du so gar nicht aus deiner Zeit als Spice Girl?
Als Solokünstlerin muss ich keine Kompromisse eingehen. Ich bin die Chefin, was ich sage, wird gemacht. Und das ist das Schwierige, wenn du mit einer Gruppe unterwegs bist. Jeder muss mit allem einverstanden sein. Jetzt muss ich auf niemanden mehr warten – die Leute können auf mich warten.

Girl Group, Juror bei Talentshows, Musicaldarstellerin, erfolgreiche Solo-Künstlerin und seit vergangenem Jahr auch noch Buchautorin. Es wirkt fast, als hättest du alles schon gemacht. Was würdest du gerne noch erreichen? Was kommt als nächstes?
2020 habe ich ein grossartiges Album herausgebracht und jetzt kann ich es gar nicht erwarten, zurück ins Studio zu gehen und an meinem nächsten Album zu arbeiten. Ich habe in letzter Zeit viele Shows und Festivals gespielt, auch diesen Sommer läuft wieder viel. Ich freue mich einfach, wieder live Musik machen zu können, aber auch neue Musik zu schreiben. Ich lasse es einfach auf mich zukommen, was sich so für Möglichkeiten eröffnen und worauf ich Lust habe. Ich bin immer offen für neue Herausforderungen und neue Abenteuer. Aber mein Hauptziel für 2023 ist definitiv ein neues Album.

Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, was wünscht du dir, wäre anders gelaufen?
Ich denke, es ist schwierig, wenn man in jungen Jahren im Business praktisch ins kalte Wasser geworfen wird. Was ich mir definitiv gewünscht hätte wäre, dass ich mehr Unterstützung gehabt hätte. Nichts kann dich auf das vorbereiten, was mit grossem Erfolg kommt und ich finde es gut, dass heutzutage ein so viel grösserer Fokus auf mentale Gesundheit gelegt wird. Viele Künstlerinnen und Künstler werden durch die Höhen und Tiefen, die man in der Branche erlebt, sehr verletzlich. Das war bei mir nicht anders und etwas mehr Unterstützung und Führung hätten mir damals schon geholfen. 

Wenn du also dein zehnjähriges Ich treffen könntest, was würdest du der kleinen Melanie sagen?
Ich würde ihr sagen, dass sie toll ist und dass all die harte Arbeit sich auszahlen wird und sie einfach dran bleiben soll. Musik war schon immer meine grosse Leidenschaft, ich war eine mittelmässige Schülerin, weil ich einfach immer nur Musik machen wollte und mich im Musikraum oder in der Schauspielgruppe aufgehalten habe. Deshalb würde ich jeder jungen Melanie raten, ihrem Herzen zu folgen und das zu tun, was sie glücklich macht.

Letzte Frage: Mit wem würdest du gerne mal auf der Bühne oder im Studio stehen?
Mit Madonna! Meine Mutter hatte ihre Schallplatten, die ich mir als junges Mädchen immer anhörte. Sie war es, die mich wirklich begeisterte und inspirierte. Und jetzt, da sie auf einer Welttournee ist, denke ich mir: «Hey, Madonna, komm, lass uns Musik zusammen machen!». Ich habe in meinem Leben so vieles erreicht, bei dem mein jüngeres Ich ausflippen würde. Doch eine Zusammenarbeit mit Madonna wäre das ultimative Ziel.