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  4. Christa Markwalder: Die FDP-Nationalrätin über ihr Mutterglück

Zu Besuch bei Christa Markwalder

«Ich war noch nie so glücklich»

Grosse Veränderung! Mit 46 bekommt Christa Markwalder ihr erstes Kind. Und hört als FDP-Politikerin nach 20 Jahren in Bern auf. Ihr neues Leben in Zürich – mit Bébé Michel und Ehemann Peter Grünenfelder.

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Familie Markwalder, Christa und Peter 2022

Seit diesem Februar sind sie verheiratet. «Wir lieben uns über alles», sind sich beide einig.

Thomas Buchwalder

Auf der einen Seite wird gegessen und getrunken – auf der anderen gewickelt. Wundsalbe, Windeln und Wickelunterlage liegen auf dem schwarzen Esstisch. «Wir haben halt nicht so viel Platz», sagt Christa Markwalder (47). «Aber der Tisch ist ja gross genug.» Ihr Ehemann Peter Grünenfelder (55) hat Bébé Michel Luca gerade von der Kita abgeholt. Mit grossen blauen Augen schaut der Kleine seine Mutter an. Die Berner FDP-Nationalrätin und der Direktor von Avenir Suisse wohnen im Herzen der Zürcher Altstadt, unweit der Bahnhofstrasse. Seit knapp neun Monaten leben sie zu dritt in der Dreieinhalbzimmer- Altbauwohnung. «Seitdem ist es bei uns ein bisschen chaotisch», sagt die Politikerin. «Michel war ein überraschendes Geschenk – aber die grösste Freude in unserem Leben.»

Im Frühling wurde bekannt, dass Christa Markwalder mit 46 ihr erstes Kind erwartet. «Wenn man zu jung Kinder bekommt, hat man womöglich das Gefühl, etwas zu verpassen», sagt sie. «Man sieht andere, die Karriere machen, und die kann man als Frau mit Kindern fast nicht mehr einholen.» Ihr Ehemann findet sowieso, je älter, desto gelassener: «Ich habe junge Kollegen mit kleinen Kindern. Für sie ist alles viel stressiger. Ich fühle mich in meinem Alter fähiger, ein guter Vater zu sein. Ich muss nichts mehr beweisen, spüre keinen Druck.» Als der Kleine kurz aufschreit, zuckt er das Handy und lenkt ihn mit einem Musikvideo der Beatles ab –«Michelle, ma belle».

Das späte Mutterglück von Markwalder sorgt für viele übergriffige Kommentare im Internet. «Klar, es ist ein ungewöhnliches Alter, das erste Kind zu bekommen. Aber wir Menschen werden ja auch immer älter», sagt sie. Mit negativen Reaktionen habe sie umzugehen gelernt: «Als Politikerin musste ich viel einstecken und mir eine dicke Haut zulegen.» Ihr Partner hingegen habe fast keine negativen Kommentare erhalten. «Und falls doch, habe ich sie ignoriert», so Grünenfelder.

Der berühmte Spagat

Schon lange bevor sie Mutter wird, setzt sich Markwalder für Frauenthemen ein, gehört zum gesellschaftsliberalen Flügel der FDP. «Für mich ist Gleichstellungspolitik auch Wirtschaftspolitik. Wir haben einen spürbaren Fachkräftemangel. Es ist wichtig, dass wir unsere gut ausgebildeten Frauen im Arbeitsmarkt behalten oder sie zurückholen.» Sie selber studierte Jura und Ökonomie und zieht mit 23 Jahren ins Stadtparlament von Burgdorf BE ein, drei Jahre später sitzt sie im Kantonsparlament und 18 Monate darauf bereits im Nationalrat. «Ich habe schon früh viel erreicht, konnte mich entfalten, aber musste mich da-für auch abrackern.» Sie profiliert sich als Aussenpolitikerin und Mitglied der Rechtskommission und setzt sich unter anderem für einen EU-Beitritt der Schweiz ein. Den Sprung in den Ständerat hat sie zweimal verpasst. «Ich hätte es gern gemacht. Aber die Wählerinnen und Wähler haben anders entschieden. Für mich ist das jetzt gut so.» Kurz nach der Geburt ihres Sohnes gibt sie bekannt: Für die nächste Legislatur tritt sie nicht mehr an. «20 Jahre waren spannend. Jetzt sollen auch neue Persönlichkeiten diese Chance erhalten.»

Familie Markwalder, Christa und Peter 2022

Christa Markwalder und ihr Ehemann Peter Grünenfelder unterwegs mit Bébé in Zürich. Die Familie wohnt im Herzen der Altstadt.

Thomas Buchwalder

Ihr Sohn sei nicht der Grund für diesen Entscheid – doch die Sessionen fordern die familiären Betreuungsmodelle heraus. «Stillen zum Beispiel ist eine wahre Entdeckung für mich. Ich wusste nicht, dass das so schön ist für Mutter und Kind. Und ja, es ist toll, ein Stillzimmer im Bundeshaus zu haben», sagt sie. «Aber was, wenn du nicht gerade stillst? Du kannst das Kind nicht einfach irgendwo parkieren. Das ist überhaupt noch nicht durchdacht.»

Mit der Bundespolitik schliesse sie Ende Legislatur ab, «aber ich werde immer ein politischer Mensch bleiben». In Zukunft will sie mehr Zeit für ihren Sohn haben und weiterhin als Juristin bei der Zurich Versicherung arbeiten. Dafür tritt nun ihr Mann aufs politische Parkett. Peter Grünenfelder kandidiert für den Zürcher Regierungsrat. Aufgewachsen ist er in Küsnacht ZH. «In dieser FDP-Hochburg ist man ja noch vor der Taufe Parteimitglied.» Seine Ziele: die Verwaltung reformieren, weniger Bürokratie. «Ich will den Zürcher Pioniergeist zurückholen.»

Windeln und Wahlkampf

Beruf, Baby und auch noch Wahlkampf – für Peter Grünenfelder absolut machbar. «Millionen Mütter und Väter arbeiten und sind noch ehrenamtlich tätig – auch sie schaffen das. Dann schaffen wir es auch.» Christa sei ein Organisationstalent, betont der Ökonom. Vier Tage die Woche ist der Kleine in der Kita, die beiden Grossmütter springen regelmässig ein, wenn es nötig ist. «Wir haben enorm grosses Glück mit unseren zwei Müttern, die trotz ihrem Alter noch fit sind», sagt Markwalder. Geschlafen wird noch zu dritt im gleichen Bett, ein Kinderzimmer gibts im nächsten Jahr. «Der Kleine strahlt mich morgens an, wenn ich aufstehe», sagt Peter Grünenfelder. «Und abends, wenn wir zu Bett gehen, erzähle ich ihm, was ich alles erlebt habe.»

«I schänke dir mis Härz»

Christa Markwalder und Peter Grünenfelder kennen sich schon seit einigen Jahren – gefunkt hat es an einem Konzert von Züri West im Berner Bierhübeli. «Wir hatten einen super Abend zusammen erlebt», sagt Grünenfelder. Wenn sie nicht in Zürich leben und arbeiten, geht es zur Erholung nach Burgdorf BE, dort besitzt Markwalder das alte Haus ihrer Grosseltern. Im Februar dieses Jahres haben sie Ja gesagt, im Schloss Bümpliz in Bern – für beide ist es die zweite Ehe. «Wir lieben uns über alles, die Hochzeit war schon lange angedacht», sagt Peter Grünenfelder. «Und wir haben geheiratet trotz Heiratsstrafe. Deshalb setzen wir uns auch ein für die Individualbesteuerung – das ist nichts als gerecht.»

Es ist eines der vielen politischen Themen, bei denen sie sich einig sind. «Peter ist sehr aufgeschlossen und ein moderner Vater», sagt sie. «Einer, der sich kümmern will, das ist nicht selbstverständlich. Wenn mein Mami sieht, dass Peter die Wäsche macht oder den Kleinen wickelt, sagt sie oft, das hätte sie sich auch gewünscht.»

Weihnachten verbringen sie zum ersten Mal als Familie. Auf dem Xylofon üben sie Weihnachtslieder zusammen. «An Heiligabend spielt Christa Cello, hervorragend natürlich. Ich spiele dazu Handorgel, miserabel leider», sagt Grünenfelder und lacht. «Leuchtende Kinderaugen unter dem Christbaum sind das Schönste, vor allem, wenn es die des eigenen Kindes sind», sagt Christa Markwalder. «Ich war noch nie so glücklich.»

 

In der SI vom 23. Dezember 2022 finden Sie alle Bilder vom Besuch bei Christa Markwalder und Familie.

SD
Silvana DegondaMehr erfahren
Von Silvana Degonda am 23. Dezember 2022 - 11:22 Uhr