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Nationalrat Nik Gugger

«Ich musste mir eine dicke Haut zulegen»

Vom Adoptivkind aus Indien zum Parlamentarier in der Schweiz: Nik Gugger hat im Leben viele Hindernisse überwunden. Dazu zählt neu eine Einreiseverweigerung in Aserbaidschan. Was den EVP-Politiker antreibt und bei wem er auftankt.

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Nik Gugger, Nationalrat , EVP, zu Hause in seinem Restaurant in Winterthur, mit Ehefrau Beatrice Gugger-Josi, 9. Februar 2024

Im Wohnzimmer in Winterthur kann der dreifache Familienvater Nik Gugger auch mal entspannen. Der Globus passt zu Guggers, die gern reisen.

Fabienne Bühler

Die Farbe Orange steht in Indien für Mut und Fröhlichkeit. Für Nik Gugger (53) symbolisiert sie nicht nur seine Wurzeln. «Wenn ich Orange trage, bestärkt mich das. Zudem drückt die Farbe Lebensfreude aus», sagt der EVP-Nationalrat und lässt sich vergnügt in die orange Schaukel fallen, die im Wohnzimmer der Familie Gugger in Winterthur von der Decke baumelt.

Rund eine Woche zuvor sass der Aussenpolitiker weniger gemütlich drei Stunden lang am Flughafen von Baku fest. Trotz Diplomatenpass und Akkreditierung als Wahlbeobachter der OSZE verweigerte ihm das Regime von Aserbaidschan die Einreise. «Rückblickend bin ich froh, dass ich so ruhig geblieben bin. Denn was da passiert ist, war ein diplomatischer Skandal.»

Heute weiss Gugger, warum er als Einziger aus der Delegation wieder nach Hause geschickt wurde: Der umtriebige Politiker ist seit vier Jahren Mitglied im Europarat. Und dieser hatte im Januar beschlossen, der aserbaidschanischen Delegation für ein Jahr nicht mehr das volle Stimmrecht zu geben – aufgrund des Konflikts mit Armenien.

Obwohl das Aussendepartement EDA den Botschafter von Aserbaidschan nach dem Vorfall nach Bern zitiert hat, durfte Gugger nicht mehr nach Baku. Klar habe ihn die Sache beschäftigt, sagt er: «Aber mein Leben war schon immer gespickt mit Herausforderungen. Entscheidend ist, was man daraus macht.»

Nik Gugger, Nationalrat , EVP, zu Hause in seinem Restaurant in Winterthur, mit Ehefrau Beatrice Gugger-Josi, 9. Februar 2024

«Meine Engel»: Elisabeth und Fitz Gugger aus Uetendorf BE adoptierten Nik als Baby im südindischen Kerala.

Fabienne Bühler

Die Frage: «Wer bin ich?»

Mit den Worten «Suchen Sie den besten Platz für ihn» übergibt Anasuya am 1. Mai 1970 ihr Baby im Missionsspital im südindischen Kerala einer Hebamme. «Dann kamen zwei Engel aus dem Nichts, um mich zu umarmen und mir klarzumachen, dass die Liebe sich nicht um Kasten-, Rassen- oder Religionsgrenzen kümmert», schreibt Gugger in seinem 2022 erschienenen Buch «Entgegen allen Widrigkeiten».

Die Engel, das sind Elisabeth und Fritz Gugger aus Uetendorf BE. Der technische Leiter und die Primarlehrerin arbeiten damals für das Hilfswerk Heks. Sie adoptieren «Chläusi» und kehren mit ihm und den zwei jüngeren Schwestern, die Elisabeth in Kerala zur Welt bringt, nach Uetendorf zurück.

Berndeutsch spricht Gugger, den es aufgrund seines Werkstudiums 1995 nach Winterthur verschlägt, bis heute gern und viel, dazwischen streut er englische Ausdrücke und Lebensweisheiten. «Durch meine Biografie habe ich mich stark mit mir selber auseinandergesetzt. Wer bin ich? Diese Frage stelle ich mir immer wieder.»

Gugger ist vieles: gelernter Maschinenbauer, studierter Sozialarbeiter und Notfallpsychologe, Nationalrat, Berater für CEOs auf der ganzen Welt, Hochschuldozent, Ehrendoktor und Botschafter der indischen Universität Odisha, Vertreiber seines eigenen alkoholfreien Ingwergetränks Zingi und Inhaber des Winterthurer Restaurants Concordia. Das Haus aus dem Jahr 1876, welches das «Concordia» beheimatet, hat die Familie Gugger vor 18 Jahren gekauft – und orange gestrichen.

Mit seiner Frau Beatrice (53) und den drei Kindern im Alter von 14, 17 und 21 lebt er im obersten Stock. Das Restaurant mit Schweizer und internationalen Spezialitäten öffnet nach einer Renovation in Kürze wieder, wie Gugger, ganz Marketingmann, betont. Die «Herzensecke» mit dem roten Sofa hat seine Frau eingerichtet. «Das Geheimnis unserer Liebe? Wir reden viel und lassen uns Raum», sagt die Fachfrau für Kinderkrankenpflege.

Nik Gugger, Nationalrat , EVP, zu Hause in seinem Restaurant in Winterthur, mit Ehefrau Beatrice Gugger-Josi, 7. Februar 2024

«Für mich ist das Glas immer halb voll», sagt Nik Gugger. Mit Gattin Beatrice stösst er im eigenen Restaurant Concordia mit dem selbst entwickelten Ingwergetränk Zingi an.

Fabienne Bühler

Brückenbauer im Parlament

Gefunkt hat es vor 35 Jahren – im Spital in Thun. Nik reisst sich bei einem Wochenende als Jugendarbeiter die Fussbänder, Beatrice – die ihn damals flüchtig kennt – arbeitet im Spital. Heute sind sie seit 30 Jahren verheiratet. «Nik ist immer noch der Gleiche wie damals. Eine starke Persönlichkeit, die in jeder Situation den Menschen sieht.»

Im orangen Treppenhaus stehen einige von Guggers rund 40 gesammelten Elefanten aus Indien. «Mein Lieblingstier», sagt er und streicht einem Elefanten aus rosa Marmor über den Kopf. Denn wie Elefanten sei er weichherzig, was in der Politik nicht immer einfach sei. «Ich musste mir eine dicke Haut zulegen.»

Dabei hilft ihm die Ochsentour von 15 Jahren Politik im Winterthurer Gemeinderat sowie im Zürcher Kantonsrat. Seit 2017 sitzt Gugger für die EVP im Nationalrat, er gilt dort als Brückenbauer. Und so erhält kein anderer Politiker für seine Anliegen so viel Unterstützung aus anderen Parteien wie er. Das zeigt eine Auswertung von CH Media aus dem Jahr 2021.

SP-Kollege Fabian Molina sagt: «Nik ist ein engagierter und cleverer Politiker, der das Herz am rechten Fleck hat. Wenn er etwas will, lässt er nicht locker.»

Nik Gugger, Nationalrat , EVP, zu Hause in seinem Restaurant in Winterthur, mit Ehefrau Beatrice Gugger-Josi, 9. Februar 2024

Über 40 Elefanten aus Holz, Stein, Metall und Marmor zählen zu Nik Guggers Sammlung. Gern verschenkt er die Tiere aus Indien an Freunde.

Fabienne Bühler

«Kinder müssen nicht der gleichen Meinung sein»

Als Brückenbauer reist der Gründer der Gruppe Schweiz-Indien mit Wirtschaftsminister Guy Parmelin mehrmals nach Indien zu Gesprächen für ein Freihandelsabkommen und wirbelt am WEF hinter den Kulissen für das Anliegen. Kurz nach Davos kommts denn auch zum Handschlag zwischen der Schweiz und Indien.

Lorbeeren für seine Arbeit als «Türöffner» möchte Gugger nicht: «Aber mich freut natürlich, wenn Bundesrat Parmelin meine Beziehungen nutzen konnte.» Kraft in seinem hektischen Leben tankt Gugger bei seiner Familie.

Bei der ältesten Tochter, die nach ihrem viermonatigen Aufenthalt in den USA Psychologie studieren will, beim Sohn, der im Finanzbereich arbeitet und gern Papis schicken Mantel ausleiht, und dem Jüngsten, der ins Gymi geht und mit ihm gern politisiert – etwa über die Pistenverlängerung am Flughafen Kloten. «Ich finde es super, wenn sich die Kinder engagieren – der gleichen Meinung müssen sie nicht sein.»

Nik Gugger, Nationalrat , EVP, zu Hause in seinem Restaurant in Winterthur, mit Ehefrau Beatrice Gugger-Josi, 7. Februar 2024

«Ich lebe meinen Glauben nicht offensiv», so EVP-Politiker Nik Gugger in der reformierten Kirche in Winterthur Veltheim. «Mir ist das Verbindende wichtig.»

Fabienne Bühler

E für Empathie

So hält er es auch mit dem Glauben. Sowohl er wie seine Frau sind in der reformierten Landeskirche gross geworden. «Mich prägten deren Werte», sagt Gugger in der Kirche, nur fünf Gehminuten von seinem Haus entfernt. Das E in EVP stehe für ihn für das Evangelium und für Empathie. Schon seine Eltern, die ein Altersheim leiteten, hätten diese gelebt.

Dann entdeckt Gugger eine Box mit Sprüchen und liest ein Sprichwort aus Nepal vor, das ihn strahlen lässt: «Wem nichts zu schwer ist, dem gelingt alles.»

Jessica Pfister
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Text: Jessica Pfister am 18. Februar 2024 - 18:00 Uhr