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Exklusives Portrait

Irina Kastrinidis – die Schweizerin, die mit Polanski drehte

Für Irina Kastrinidis erfüllte sich ein Traum, von dem viele Schauspielerinnen und Schauspieler nur träumen können: Einmal mit Roman Polanski drehen. Schweizer Illustrierte hat die Zürcherin getroffen und sie hat mir uns exklusiv über ihr Leben, ihre Karriere und natürlich Polanski gesprochen.

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Irina Kastrinidis ist eine Schweizer Schauspielerin – und hat jetzt sogar mit Roman Polanski gedreht.

Irina Kastrinidis ist eine Schweizer Schauspielerin – und hat jetzt sogar mit Roman Polanski gedreht.

Jan Spitz

Ich treffe Irina Kastrinidis im Zürcher Kaffee Kweer. Die Schauspielerin mit den dunklen Locken und blauen Augen, die geheimnisvoll und doch verschmitzt leuchten, begrüsst mich fröhlich und mit einer so herzlichen Art, dass ich das Gefühl habe, als seien wir bereits alte Bekannte. Auf die Frage, wie es ihr gehe, kommt ein «Mir geht es richtig gut!» Kein Wunder, die Schauspielerin ist gerade von den Filmfestspielen in Venedig zurück , wo der neuste Film der Regie-Legende Roman Polanski, «The Palace» vorgestellt wurde, in dem Irina in der Rolle der Tschechin Dubravka spielt, welche mit ihrer Familie ihren Schwiegervater, gespielt von Mickey Rourke, aufsucht.

Irina Kastrinidis als Dubravka im Film «The Palace»

Irina Kastrinidis als Dubravka im Film «The Palace»

Malgosia Abramowska

Eine Erfahrung, die sie sich nicht durch die Finger gehen lassen wollte. Denn wann bekommt man schon mal die Chance, mit einem Regisseur wie Polanski zu arbeiten? Und dann noch in der Schweiz? Trotz Hollywood-Vibe also sozusagen ein Heimspiel für die Zürcherin, die an der Hochschule Musik und Theater, Bern, studierte «Auf dem Weg nach Gstaad bin ich natürlich durch Bern gekommen. Es war schon unglaublich, durch den Ort zu kommen, in dem meine Schauspielkarriere startete, und auf dem Weg zu einem Hollywood-Dreh zu sein.

Die Zusammenarbeit mit Polanski hat Konsequenzen

«Das war ein verrücktes Gefühl», erzählt sie mir. Doch natürlich war sie auch nervös, Roman Polanski zu treffen. All die Nervosität sollte aber unbegründet sein. «Er ist ein total netter Mensch, mit einem tollen Sinn für Humor. Dass er bereits 90 Jahre alt sein soll, halte ich für Fake News», scherzt Irina Kastrinidis, denn Roman Polanski wirke in seinem ganzen Wesen viel jünger Die Arbeit mit ihm sei aber wohl eine der interessentesten Erfahrungen in ihrer Künstlerlaufbahn gewesen, erzählt Kastrinidis und ihre sonst schon blauen Augen beginnen, noch mehr zu strahlen, als sie über ihre Erlebnisse am Set spricht.

Irina Kastrinidis mit Roman Polanski am Set von «The Palace»

Irina Kastrinidis mit Roman Polanski am Set von «The Palace»

Malgosia Abramowska

Die Zusammenarbeit mit Roman Polanski kam aber nicht nur gut an, denn wie Irina Kastrinidis erzählt, verlor sie dadurch ein Engagement mit einer österreichischen Filmproduktionsfirma. Man wollte offenbar keine Kontroversen am Set auslösen, hiess es in einer Erklärung an Irina. Auch war scheinbar die Angst zu gross, dass Polanski als Person (obschon ja nicht anwesend) zu viel Raum einnehmen würde. Für diese Entscheidung zeigt die Zürcherin Verständnis und sagt, sie sehe den Veränderungsbedarf in der Filmbranche, bemühe sich jedoch um einen differenzierten Zugang zu dieser Thematik.

Umstrittene Person, begnadeter Regisseur: Roman Polanski.

Umstrittene Person, begnadeter Regisseur: Roman Polanski.

Malgosia Abramowska

Irina Kastrinidis entdeckt die Schauspielerei für sich

Irina Kastrinidis entdeckte im zarten Alter von 13 Jahren ihre Leidenschaft zur Schauspielerei. Es begann mit einer Schulaufführung und damit, dass sie Biographien von berühmten Persönlichkeiten im Bücherregal ihrer Eltern entdeckte und diese verschlang. Der Beitritt in ein Jugendtheater zog sie dann endgültig in den Bann der Schauspielerei und Irina Kastrinidis wusste, dass sie ihre Berufung gefunden hatte.

Dieser Traum und die Biografien halfen ihr damals auch, mit schwierigeren Zeiten in ihrem Leben zurechtzukommen. «All diese Persönlichkeiten, über die ich las, hatten oftmals kein einfaches Leben und mussten schwere Zeiten durchstehen. Wenn dann etwas Schlimmes in meinem Leben passierte, dachte ich mir immer, dass das gar nicht so schlecht sei, weil das schliesslich zum Leben eines Stars dazu gehöre und meine Hintergrundgeschichte tragischer mache, meine spätere Biografie interessanter. Denn in meinem Kopf wurde man berühmt, wenn man schwere Prüfungen in seinem Leben bestehen musste», erzählt sie von ihren Anfängen. Ganz so tragisch wie das Leben vieler ihrer Vorbilder sei ihr eigenes dann aber glücklicherweise nie gewesen, sagt Irina Kastrinidis erleichtert. Sie weiss unterdessen, dass man nicht leiden muss, um eine gute Schauspielerin zu sein.

Ihren Schulabschluss an der Rudolf-Steiner-Schule machte die 45-Jährige nicht fertig, denn es zog sie viel stärker zur Schauspielerei. «Ich konnte mich nicht länger auf der Schulbank halten. Ich wusste ja, was ich mit meinem Leben anfangen wollte», gesteht sie. Damals sei sie 17 Jahre alt gewesen. Wie sie es trotzdem an die Hochschule schaffte? «Ich musste einen Aufnahmetest machen, der aufgrund meines fehlenden Schulabschlusses etwas schwerer ausfiel, um die Anforderungen zu erfüllen.» Bereut hat sie diese Entscheidung nie, auch wenn sie sich teilweise gegen gut gemeinte Ratschläge durchsetzen musste, um ihren eigenen Weg zu gehen.

Irina Kastrinidis ging schon immer ihren eigenen Weg.

Irina Kastrinidis ging schon immer ihren eigenen Weg.

Jan Spitz

Die Karriere nimmt ihren Lauf

Als sie 2000 ihre Schauspielausbildung abschloss, nahm sie ein erstes Festengagement am Staatstheater in Braunschweig an. Sie spielte gleich zu Beginn grosse Rollen, wie zum Beispiel die Rolle der Andromache von Koos Terpstra. Mit den Aufgaben wuchs auch die Verantwortung, die man als Schauspielerin hat. Das tägliche und allabendliche Funktionieren auf vielen Ebenen, um eine Vorstellung mitzutragen.

Nächste Station war Berlin, wo sie unter der Intendanz von Frank Castorf während zehn Jahren an der renommierten Volksbühne am Rosa- Luxemburg- Platz wirkte. Die dort produzierten Stücke wurden auf der ganzen Welt gezeigt. Parallel dazu hatte Kastrinidis auch das Glück, in ihrer Heimatstadt Zürich in mehreren Stücken auftreten zu können. Ihr künstlerischer Traum erfüllte sich und sie konnte während ihrer Karriere stets ein festes Engagement ergattern oder sonst auf genug Rücklagen zurückgreifen, dass es finanziell nie knapp wurde. So etwa im Corona-Jahr 2020. Die Theater hatten zu, aber langweilig wurde es Irina Kastrinidis lange nicht. Denn während sie nicht auf der Bühne stehen konnte, setzte sie sich an den Schreibtisch und schrieb ihr erstes Bühnenstück. «Das war mit drei Kindern nicht immer ganz einfach, da ich zum Teil schon sehr absorbiert im Schreiben war. Aber glücklicherweise sind sie schon in einem Alter, in dem sie etwas selbstständiger sind und nicht rund um die Uhr auf meine Aufmerksamkeit angewiesen sind», sagt die Schauspielerin.

Irina Kastrinidis spielte auch schon am Schauspielhaus Zürich.

Irina Kastrinidis spielte auch schon am Schauspielhaus Zürich.

Geri Born

Schauspielerin Irina Kastrinidis im Einsatz auf der Bühne des Zürcher Schauspielhauses

Irina Kastrinidis auf der Bühne im Schauspielhaus Zürich.

Irina Kastrinidis auf der Bühne im Schauspielhaus Zürich.

Geri Born

Den Lohn für ihre harte Arbeit erhielt sie 2022, als ihr Erstlingswerk «Schwarzes Meer», ein Stück über die Pontos-Griechen, am Landestheater Niederösterreich (Regie Frank Castorf) uraufgeführt wurde. Ihre Freude war besonders gross, als sogar die New York Times über den Theaterabend berichtete. 

Absurde Erfahrungen und Herausforderungen

Irina Kastrinidis’ Schauspielwurzeln liegen zwar im Theater, doch hat sie auch immer wieder in Filmen mitgespielt, etwa in der Berliner Komödie «Schwarze Schafe» von Oliver Rhis. Aus ihrer inzwischen doch beachtlichen Karriere kann Irina Kastrinidis auch so manche Anekdote erzählen. Ein Erlebnis blieb ihr in all der Zeit besonders in Erinnerung: «Wir hatten eine Vorstellung in einem Bergdorf in Brasilien, in Guaramiranga. Mit dem Stück «im Dickicht der Städte» von Bertolt Brecht unter der Regie von Frank Castorf. Als wir dort ankamen, wurden für dieses kulturelle Fest alle Häuser neu gestrichen und es war unglaublich, was dieses Dorf organisiert hatte, mitten im Regenwald. Ich hatte zu dem Zeitpunkt eine schlimme Magen-Darm-Verstimmung, das schon mal zum Anfang. Und wir wurden mit einem Bus über Serpentinen den Berg hochgefahren. Als wir im Theater ankamen, in dem wir spielen sollten, waren dort überall Fledermäuse. Die Vorstellung fing etwa zwei Stunden später an als geplant und es war schwierig die Spannung zu halten, bis es los ging…Als die Vorstellung dann langsam lief, war die Hauptdarstellerin plötzlich verschwunden. Und irgendwann war dann auch das Publikum weg, alle Leute waren gegangen. Später erfuhr ich dann, dass die Hauptdarstellerin die ganze Zeit draussen im Regen ausgesperrt war und nicht mehr ins Theater kam. Zudem fiel die Übersetzungsanlage komplett aus, so dass die Zuschauer überhaupt nicht mehr wussten, was hier eigentlich gespielt wurde. Dann gab es in dem Dorf noch eine Schlägerei und nachdem wir nachts durch den wunderschönen Regenwald zurück zu unserem Hotel kamen, erwartete uns schon ein nicht sehr erfreuter Produzent. Er hatte uns ja dorthin eingeladen – und unser Auftritt war so eine Katastrophe…Das war das erste und letzte Mal, dass wir dort auftreten durften», lacht sie beim Gedanken an diese absurde Erfahrung.

So chaotisch wie dieses Bühnenbild war wohl auch die Aufführung selbst in Brasilien mit Irina Kastrinidis (hier ganz in Pink).

So chaotisch wie dieses Bühnenbild war wohl auch die Aufführung selbst in Brasilien mit Irina Kastrinidis (hier ganz in Pink).

ZVG

Irina Kastrinidis hat, wie es sich während unseres Gesprächs anhört, schon so manch spannendes Erlebnis gehabt. Doch gab es natürlich auch einige Herausforderungen in ihrer Karriere. Eine der grössten, oder besser gesagt der ersten, sei in ihren Anfängerjahren in Braunschweig gewesen, erinnert sie sich. Zum ersten Mal hatte sie drei Monate eine Pause vom Theater und plötzlich nichts mehr zu tun, hatte also keinen geregelten Alltag mehr, gleichzeitig durfte sie nicht reisen, da sie trotz allem immer in der Nähe des Theaters bleiben musste – für den Fall, kurzfristig als Ersatz einspringen zu müssen. «Ich fühlte mich wie in einem Käfig», erzählt sie. 

Pläne für die Zukunft

Trotz allem hat sich für die heute dreifache Mutter aber eigentlich nie die Frage gestellt, was sie mit ihrem Leben hätte machen wollen, wenn es mit der Schauspielerei nicht geklappt hätte. Doch darauf angesprochen, überlegt sie kurz und antwortet: «Vielleicht Buchhändlerin. Es gab im Niederdorf in Zürich mal einen Laden mit Filmliteratur und da habe ich damals sogar nachgefragt, ob ich dort eine Ausbildung machen könnte. Aber das Theater wäre wahrscheinlich immer ein Teil meines Lebens gewesen, selbst, wenn ich nicht Schauspielerin geworden wäre.»

Irina Kastrinidis hofft künftig, mehr im Filmbusiness Fuss zu fassen.

Irina Kastrinidis hofft künftig, mehr im Filmbusiness Fuss zu fassen.

Jan Spitz

Die Balance zwischen Arbeit und Privatleben gelingt Irina Kastrinidis ihrer Meinung nach ganz gut und sie nimmt sich auch regelmässig Zeit für Freunde und achtet darauf, dass ihre Familie nicht zu kurz kommt. Künftig hofft sie nun darauf, weiterhin spannende Arbeiten machen zu können und mit künstlerisch interessanten Menschen zusammen zu arbeiten. Ihr neues Theaterstück «Clash», welches sie gemeinsam mit der Autorin Nora Amin geschrieben hat, wird im Oktober in Kairo das D-CAF Festival eröffnen. 

Bestaunen dürfen wir Irina Kastrinidis’ schauspielerisches Talent nun erst einmal in Roman Polanskis «The Palace» – produziert von der italienischen Produktionsfirma Eliseo Entertainment vom italienisch-uruguayischen Produzenten Luca Barbareschi –, welcher am Zurich Film Festival Schweiz-Premiere feiert und dann im Januar in den Schweizer Kinos anlaufen wird.  Der Traum wäre, eines Tages mit Sofia Coppola zusammenarbeiten zu dürfen. Doch bis dahin ist eines schon mal klar: Es dürfte nicht das letzte Mal sein, dass wir Irina Kastrinidis auf der Leinwand sehen. Denn diese Frau hat für die Zukunft noch so manches Ass im Ärmel.

 Silja Anders
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Von Silja Anders am 29. September 2023 - 15:04 Uhr