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  3. Begleithund Chiva

Dieser Hund versteht nur Französisch. «Chiva, va à pied!», tönts blechern aus dem kleinen Sprachcomputer, den der 10-jährige Felix Illi aus Uznach SG in seinem Rollstuhl sitzend bedient. Ein paarmal muss der Bub zur Wiederholung die Enter-Taste drücken. Manchmal ist Chiva eine Diva. Dann aber trottet die zweieinhalbjährige Labradordame erhaben ins Wohnzimmer und stellt sich neben ihr Herrchen.

Felix stellt das Sprachprogramm seines Computers zurück auf Deutsch, tippt einen Satz ein. «Das ist mein Hund», sagt die elektronische Stimme. Felix nickt, legt den Kopf zur Seite und lächelt stolz. Der Viertklässler leidet an Arthrogrypose, einer angeborenen Schrumpfung von Bändern und Muskeln. Auch seine Zunge ist gelähmt.

Felix hat viel durchgemacht in den letzten Monaten, in unzähligen Operationen wurden seine Bänder gestreckt. Er weinte viel. Seine Tränen allerdings konnte selten trocknen. Denn Chiva war da. Und schleckte ihm mit den Tränen auch ein Stück Traurigkeit aus dem Gesicht.

Chiva ist ein Begleithund und wurde von der Organisation Le Copain geschult. 25 000 Franken kostet die aufwendige Ausbildung, bisher zahlte der Besitzer oft selbst, neu übernimmt die Invalidenversicherung den Grossteil der Kosten.

Als dreimonatiger Welpe kam Chiva in eine Gastfamilie, wurde spielerisch darauf vorbereitet, später gehbehinderten Menschen den Alltag zu erleichtern. Nach ihrem ersten Geburtstag begann das sechsmonatige Intensivtraining bei ihrem Französisch sprechenden Trainer in Granges VS – daher die französischen Kommandos. Auf diese reagiert Chiva «nicht immer, aber immer öfter», wie Felix’ Mutter Susanne augenzwinkernd erklärt: «Ohne Leckerli läuft aber gar nichts – irgendwie ist und bleibt sie halt doch ein Hund.»

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Wenn Chiva will, ist sie aber ein tierisch guter Helfer: Sie kann Türen öffnen und schliessen, Gegenstände vom Boden aufheben und Felix den Telefonhörer bringen. Sie bellt fast nie, ausser jemand stürzt oder braucht dringend Hilfe. Im Supermarkt, wo die Kassen für Rollstuhlfahrer oft schlecht zugänglich sind, reicht sie der Kassiererin das Portemonnaie. «Ekeln darf man sich dabei allerdings nicht», sagt Susanne, als sie das Prozedere zusammen mit Felix demonstriert: Der Geldbeutel ist versabbert, wenn man ihn entgegennimmt, und trägt noch die Wärme von Chivas Schnauze in sich.

Geduldig wartet die Hündin danach, bis man ein paar Münzen entnommen hat. Dann nimmt sie ihr «Spielzeug» wieder zwischen die Zähne und bringt das Portemonnaie zurück zu seinem Besitzer. «Très bien, Chiva!» – Herrchen reicht ihr ein Guetsli.

Sechs Halbgeschwister hat Felix. Mutter Susanne brachte vier, ihr Mann Christoph zwei Kinder in die Patchworkfamilie. Als sich im Frühling 2007 das Haus langsam leert, die älteren Kinder nach und nach ausziehen, beschliessen die Illis, einen Freund für Felix zu suchen. Sie bewerben sich bei Le Copain, schicken schriftliche Anfragen, Arzt- und Schulzeugnisse ein. Gut ein Jahr später ist es so weit:

In Sion trifft Felix Chiva zum ersten Mal. Sofort stellt sie sich mit den Vorderpfoten auf seine Knie, schleckt sein Gesicht ab und erreicht damit das, was sie noch heute am besten kann: Sie zaubert Felix ein Lachen ins Gesicht.     


am 12. September 2009 - 15:05 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 18:43 Uhr