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Thomas Aeschi im Porträt

So tickt der Bundesratskandidat privat

Er fährt mit dem Töff durch Syrien, besitzt eine schwarze Kuh und ist stolzer Götti der dreijährigen Sara. Nun will der Zuger Thomas Aeschi für die SVP in den Bundesrat. 

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Sara und Lulu: So heissen Thomas Aeschis Glücksbringer für die Bundesratswahl. Sara ist sein dreijähriges Gottemeitli. Lulu sein schwarzes Eringerrind, das bei SVP-Chef Toni Brunner im Stall steht. «Als Bub wollte ich Bauer werden. Jetzt bin ich Berater. Den Traum von der eigenen Kuh habe ich mir trotzdem erfüllt», sagt Aeschi und streckt Lulu eine Handvoll Heu hin.

Aeschi, der in der Pfadi «Prinz» hiess, ist der Kronfavorit der SVP für den Bundesratssitz. Der 36-jährige Zuger Nationalrat wächst als ältester von drei Söhnen im bäuerlichen 1000-Seelen-Dorf Allenwinden auf. Sein Vater ist Steuerberater, seine Mutter Krankenschwester. «Eine traditionelle CVP-Familie.» Aeschi war Ministrant und bezeichnet sich als religiös. «Ich bete regelmässig, gehe aber nicht häufig in die Kirche.» Für Schlagzeilen sorgte er vor zwei Jahren mit einem Vorstoss zu Kruzifixen. «Dieser wurde in den Medien teilweise falsch zitiert. Ich bin nur dagegen, dass man im Schulzimmer und in Gerichten das Kruzifix abhängen muss.»

Politisiert hat Aeschi die EWR-Abstimmung 1992. «Ich war zwar erst 13, doch ich habe gemerkt, dass es um eine wichtige Frage geht: die Unabhängigkeit unseres Landes.» 2009 beginnt er als Präsident der SVP Baar seine Politkarriere, nur zwei Jahre später zieht der damals 32-Jährige für die Volkspartei in den Nationalrat ein. «Meine Auslandaufenthalte haben mich darin bestärkt, dass die Schweiz das schönste Land auf Erden ist. Es soll nicht durch einen EU-Beitritt geschwächt werden.»

72 Länder hat Aeschi bereist. «Als ich meinen Eltern mit 15 sagte, ich wolle für ein Jahr in die USA, meinten sie, ich mache Witze.» Doch Aeschi setzt sich durch, geht nach Chicago und wird vom «Auslandvirus» angesteckt. Nach dem Gymi trampt er alleine durch Südamerika, während seines Wirtschaftsstudiums an der Uni St. Gallen zieht es ihn für ein Semester nach Malaysia, später lebt er zwei Jahre in Boston und absolviert ein Nachdiplomstudium an der Elite-Universität Harvard.

Wenn er über seinen Werdegang spricht, macht er das so ausführlich, dass er sich manchmal im Detail verliert. Dafür erfährt man viel. Etwa, dass er in Buenos Aires jeden Abend in der Tangoschule Schritte geübt hat, beim Meditieren in Myanmar aufgrund seiner inneren Unruhe gescheitert ist und nach einer Töffpanne in der Wüste von Syrien von Einheimischen zu einer Hochzeit eingeladen wurde. «Vor jeder Reise kaufe ich Bücher und streiche wichtige Passagen mit Leuchtstift an.»

Auch in Bundesbern gilt Aeschi als akribischer Schaffer mit hervorragenden Dossierkenntnissen. Allerdings gibt es auch Kritik: «Er ist fleissig bis zur Verbissenheit», sagt ein bürgerlicher Kollege aus der Wirtschaftskommission. Dabei gehe ihm das Gespür für das Ganze teilweise abhanden. «Er reicht so viele Anträge ein, dass ich mich manchmal frage, ob er die überhaupt alle selber geschrieben hat», sagt SP-Nationalrat Beat Jans.

Aeschi kann über diese Vorwürfe nur den Kopf schütteln. «Wir sind dafür bezahlt, genau hinzuschauen. Ich frage deshalb lieber einmal zu viel nach.» Es könne durchaus sein, dass die Sitzungen mit ihm als Bundesrat etwas länger dauern könnten.

Mindestens alle zwei Monate besucht Aeschi sein Gottemeitli Sara und ihre Familie in Solothurn. Kaum kommt er zur Tür rein, kleben die vier Kinder an seinen Beinen. «Götti, liest du mir aus dem Entenbüechli vor?», fragt Sara. «Klar», sagt er und setzt die Kleine auf seinen Schoss. «Die Kinder lieben ihn. Er verliert nie die Geduld und spielt stundenlang mit ihnen», sagt Mutter Martina, 40.

André, 40, der Vater von Sara, ist überzeugt, dass sein Freund einen guten Bundesrat abgeben würde. «Als ehemaliger Chef von Thomas weiss ich, wie gut er Leute zusammenbringen kann. Er ist sicher ein sehr exakter Schaffer, privat erlebe ich ihn aber überhaupt nicht als schnöden Zahlenmensch.»

Aeschi lebt alleine in Baar. Nachdem er mehrere Jahre eine Freundin hatte, ist er seit einigen Monaten wieder Single. «Ich möchte gerne Kinder, aber dazu gehört die richtige Frau.» Er lasse sich aber nicht unter Druck setzen. «Und ich mache mir auch keine Sorgen, dass ich als Bundesrat keine Freundin mehr finden könnte.» Momentan würde ihm für eine Partnerschaft sowieso die Zeit fehlen. Wenn er abends freihat, geht er mit Freunden jassen oder zu seinen Eltern essen. «Meistens am Sonntag, zusammen mit meinen Brüdern.»

Auch wenn Aeschi die junge, moderne SVP vertritt, zeigt er sich in gesellschaftlichen Fragen konservativ. Er ist gegen eine Legalisierung von Cannabis und lehnt den Elternurlaub ab. Anders als Heinz Brand, der ebenfalls Bundesratsambitionen hatte, ist Aeschi dagegen, Kriegsflüchtlinge direkt aus Krisengebieten aufzunehmen. Und das, obwohl er selbst schon in Syrien war. «Es ist tragisch, was dort geschieht. Und ich frage mich auch oft, was mit der Familie passiert ist, die mich damals aufgenommen hat.» Aber er müsse schauen, was richtig sei aus Schweizer Sicht. «Und da bin ich überzeugt, dass wir unser Geld besser in Camps, Schulen und Spitäler vor Ort investieren als in teure Integrationsprogamme in der Schweiz.»

Der stramme Parteikurs und seine Rolle als Gründungsmitglied des Blocher-Komitees «Gegen den schleichenden EU-Beitritt» hat Aeschi den Ruf eingebracht, Blochers Ziehsohn zu sein. SP-Frau Jacqueline Badran spottet auf Twitter, dass Aeschi als Bundesrat «täglich mit Stöffeli telefonieren» würde.

Diese Behauptung sei lächerlich. «Wenn ich mit Blocher reden will, muss ich wie jeder andere bei der Sekretärin um einen Telefontermin bitten!» Zwei Jahre hat er mit Blocher in der Finanzkommission zusammengearbeitet. «Für einen jungen Politiker wie mich waren seine Tipps Gold wert.» Seit er nicht mehr im Rat ist, sei der Kontakt bescheidener geworden. Es ehre ihn, dass er zum innersten Führungszirkel gezählt würde, ohne jedoch Mitglied der Parteileitung zu sein. «Meine Kuh steht zwar beim SVP-Präsidenten im Stall, den Unterhalt aber bezahle ich selbst!»

Von Jessica Pfister am 30. November 2015 - 10:24 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 15:37 Uhr