Frau Schnitzler, warum braucht das Spital Zollikerberg zusätzlich ein Geburtshaus?
Das Interesse an hebammengeleiteter Geburtshilfe ist gross. Uns erreichen diesbezüglich seit einigen Jahren bereits viele Anfragen. Nun wurde auch vom Kanton Zürich der Leistungsauftrag für die hebammengeleitete Geburtshilfe geschaffen. Damit steht die Grundlage, dass wir unser Angebot diesbezüglich ausbauen können.
In der Medienmitteilung heisst es, das Geburtshaus stehe Müttern offen, die sich eine «selbstbestimmte, natürliche und interventionsarme Geburt» wünschen. Ist dies im Spital denn nicht möglich?
Doch, natürlich. Auch im Spital bringen Frauen ihr Kind selbstbestimmt zur Welt, was ein ganz wichtiger Punkt bei einer Geburt ist. Auch im Spital gebären Frauen auf natürlichem Wege, auf Wunsch oder bei einer medizinischen Indikation sind im Gegensatz zum Geburtshaus aber beispielsweise ein Kaiserschnitt oder eine Periduralanästhesie (PDA) möglich. Zudem kann jede Frau selbst entscheiden, welche Interventionen sie wünscht. Da unterscheidet sich ein Spital nicht von einem Geburtshaus.
Wo liegt künftig der Unterschied zwischen Geburtshaus und Spital Zollikerberg?
Die Umgebung ist natürlich eine andere. Im Geburtshaus erleben werdende Eltern die Ankunft ihres Kindes in einer familiären Umgebung und einer häuslichen Struktur. Ein Gefühl wie zuhause, nur in Spitalnähe. Es wird eine Gemeinschaftsküche geben sowie einen Aussensitzplatz mit Zugang zum Spitalpark. Der Unterschied zwischen einer Gebärabteilung und einem Geburtshaus liegt in der Atmosphäre. Und auch in der Kontinuität der Betreuung. Im Geburtshaus werde kleinere Teams im Einsatz stehen. Dort wird es möglich sein, dass eine Frau vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Wochenbetts von derselben Hebamme betreut wird.
Welche Synergien entstehen durch die Nähe zwischen Spital und Geburtshaus?
In einem Geburtshaus arbeiten Hebammen, die ein häusliches Umfeld bevorzugen, im Spital Hebammen, die eine klinische Arbeitsstruktur und die Arbeit in grösseren Teams schätzen. Das Geburtshaus und das Spital Zollikerberg bieten optimale Arbeitsbedingungen für beide Gruppen.
Und betreffend medizinischer Versorgung von Mutter und Kind?
Internationale Studien zeigen, dass rund 20 Prozent der Frauen, die in einem Geburtshaus entbinden möchten, unter der Geburt eine Verlegung in ein Spital wünschen. Diese Zahlen sind nicht 1:1 auf die Schweiz ummünzbar, jedoch können wir, sollte eine Gebärende eine Verlegung wünschen, oder sollte es zu einem Notfall kommen, ohne Zeitverlust handeln.
Mit wie vielen Verlegungsfällen rechnen Sie?
Notfälle werden selten vorkommen, denn im Geburtshaus werden wir ausschliesslich natürliche Geburten ohne bekannte Risiken begleiten. Durch entsprechende Ein- und Ausschlusskriterien sollte selten etwas Unvorhergesehenes geschehen. Falls doch, steht die medizinische Versorgung in kürzester Zeit zur Verfügung.
Wie viele zusätzliche Geburten werden Sie künftig abdecken können?
Wir rechnen mit jährlich bis zu 300 Geburten, die wir im Geburtshaus begleiten können. Im Spital sind es über 2000.
Wem steht das Geburtshaus Zollikerberg offen?
Wir empfangen werdende Mütter aller Versicherungsklassen. Für Zusatzversicherte werden wir jedoch einen speziellen Service anbieten, den wir am finalisieren sind.
Das künftige Geburtshaus am Nauweg 8 auf dem Areal des Spitals Zollikerberg wird derzeit umgebaut. Ab dem 1. September 2023 erhalten Mütter dort eine hebammengeleiteten Betreuung vor, während und nach der Geburt. Die unmittelbare Nähe zum Spital Zollikerberg ermöglicht, sofern nötig, den Zugang zu medizinischer Infrastruktur für Mutter und Kind, inklusive Neonatologie.