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  4. Gewaltfreie Erziehung: Wird sie endlich im ZGB verankert?

Der Nationalrat berät

Kommt jetzt das Gesetz für gewaltfreie Erziehung?

Noch immer erleben Kinder in der Schweiz physische und psychische Gewalt. Nun berät der Nationalrat darüber, ob diese per Gesetz verboten werden soll. Bei der Stiftung Kinderschutz Schweiz ist man hoffnungsvoll.

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Little boy suffering from child abuse curled up on the sofa with his teddy.

Physische und psychische Gewalt in der Erziehung kann bei Kindern schwerwiegende Folgen haben.

Getty Images

Ein Klaps auf den Hintern hier, eine Ohrfeige da, Bestrafung durch Liebesentzug dort – der Alltag von Kindern ist nicht überall frei und unbeschwert wie auf hübschen Bildern in den sozialen Medien. Ganz im Gegenteil.

Die Stiftung Kinderschutz Schweiz hat die Fakten dazu: Jedes vierte Kind erfährt daheim psychische Gewalt. Zudem ist eines von 20 Kindern regelmässig körperlichen Strafen ausgesetzt. Dies zeigen mehrjährige Studien in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg. Auffallend ist, dass nicht jeder, der Gewalt gegen seine Kinder ausübt, dies vorsätzlich tut. Oft sind die Eltern einfach überfordert, haben beispielsweise Stress, gesundheitliche oder finanzielle Probleme.

Bundesrat sah bisher keinen Handlungsbedarf

Im Gegensatz zu anderen Ländern kennt die Schweiz aber kein Gesetz, welches Gewalt in der Erziehung explizit verbietet. Dies könnte sich nun ändern. Denn heute berät der Nationalrat über das Postulat Bulliard. Darin fordert CVP-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach, 61, den Schutz von Kindern vor Gewalt in der Erziehung mit dem Ziel, dass ein entsprechendes Gesetz im Zivilgesetzbuch (ZGB) verankert wird.

Es ist nicht der erste parlamentarische Vorstoss zu diesem Thema. Seit dem Jahr 2000 gab es mehrere. Bisher scheiterten sie am Bundesrat. Dieser sieht die Kinderrechte bereits genügend gesichert, sie seien im Strafgesetz festgehalten. Was weiterführen würde, könne als staatlicher Interventionismus interpretiert werden.

Den letzten Versuch von Bulliard-Marbach lehnte der Bundesrat im Februar 2020 ab, liess allerdings ein Hintertürchen offen, indem er sich bereit zeigte, in einem Bericht zu prüfen, wie dem Anliegen der CVP-Politikerin am besten entsprochen werden könnte. Daraufhin reichte sie das Postulat ein, welches aktuell zur Debatte steht.

«Mit einem Gesetz zur gewaltfreien Erziehung wüssten Eltern ganz konkret, was im Umgang mit Kindern erlaubt ist und was nicht.»

Regula Bernhard Hug, Kinderschutz Schweiz

Falls das Postulat angenommen wird, beginnt erst die politische Ochsentour: Prüfberichte um Prüfberichte, bis schliesslich der Bundesrat entscheiden muss. Läuft es so, wie es sich Regula Bernhard Hug, Leiterin der Geschäftsstelle Kinderschutz Schweiz, erhofft, wird am Ende das Zivilgesetz angepasst: «Ein Gesetz ist ein starkes Signal und reduziert nachweislich die Gewalt an Kindern in der Erziehung», sagt sie.

Besonders jene gewalttätigen Eltern, die in ihren Taten kein Problem sehen und damit ein angepasstes Verhalten ihrer Kinder erreichen wollen, könnten so besser angesprochen werden. «Diese Eltern sind geprägt von Werten wie Anpassungsfähigkeit und Disziplin. Sie würden dieses Gesetz sehr wohl befolgen», ist Regula Bernhard Hug überzeugt.

«Starke Ideen – Es gibt immer eine Alternative zur Gewalt»

Die Sensibilisierungskampagne der Stiftung Kinderschutz Schweiz hat laut Regula Bernhard-Hug nicht nur die Diskussion um gewaltfreie Erziehung angeregt, sondern das Thema auch auf die nationale Agenda gebracht. Rund drei Millionen Menschen in der Schweiz konnten erreicht werden. Und am wichtigsten: Es konnte ein leichter Rückgang der körperlichen und psychischen Gewalt an Kindern festgestellt werden. 

Eltern, die ihre Kinder gewaltfrei erziehen möchten, finden hier ein Angebot an Online-Kursen.

Von Edita Dizdar am 9. Dezember 2020 - 07:09 Uhr