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Der Glücksforscher erklärt

So werden Kinder zu glücklichen Erwachsenen

Eltern wünschen sich vor allem eines: Dass ihre Kinder glücklich durchs Leben gehen. Wie kann man ihnen dabei helfen, den richtigen Weg für ein erfülltes Dasein einzuschlagen? Ein Gespräch mit Glücksforscher und Papa Mathias Binswanger.

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Kleeblatt

Die gute News: Glücklich sein lässt sich trainieren! Für alles andere gibts vierblättrigen Klee.

plainpicture/Sibylle Pietrek

Mathias Binswanger, Kinder scheinen insgesamt glücklicher zu sein als Erwachsene, stimmt das?
In vielen Fällen ist es wahrscheinlich so. Allerdings ist das eine etwas verklärte Sicht. Erwachsene vermuten das Glück bei Kindern und Kinder vermuten es bei Erwachsenen. Glück scheint immer dort zu sein, wo man gerade selbst nicht ist. Es lässt sich jedoch wissenschaftlich feststellen, dass Menschen typischerweise in jungen Jahren, wenn sie viele Freiheiten geniessen, glücklicher sind als in der Mitte des Lebens, wenn sie stark eingebunden werden und unter mehr Leistungsdruck stehen. Später, nach der Pensionierung, nimmt mit der gewonnenen Freiheit auch das Glück wieder zu.

Also ist die Freiheit die Hauptzutat von Glück?
Menschen wollen Freiheit, aber auch Sicherheit, was sich zum Teil gegenseitig ausschliesst. Totale Freiheit ist genauso die Hölle wie die totale Sicherheit. In einem glücklichen Zustand braucht es eine gesunde Mischung von beidem. Letztlich besteht Glück aus zwei Komponenten: Allgemeine Lebenszufriedenheit - dieser Aspekt lässt sich bei Kindern nicht wirklich messen - und emotionales Wohlbefinden. Letzteres ist sprunghaft. Einen Moment empfindet man sich als glücklich, weil man etwas Feines isst. Im nächsten steht man im Stau, da verfliegt das Glücksgefühl.

Bestimmen nur Drittfaktoren, oder ist doch jeder selbst verantwortlich für sein Glück?
Glücklich sein lässt sich zum Teil trainieren. Man entscheidet selber, ob man das Glas halb voll oder halb leer sehen will. In der Schweiz hätten wir eigentlich allen Grund, glücklich zu sein. Hier ist das Glas sogar zu neun Zehnteln voll. Aber unsere Kultur programmiert uns darauf, auf den fehlenden Zehntel zu fokussieren, diesen zu analysieren und verbessern zu wollen. Wir haben eine ausgeprägt negative Sicht. 

«Wenn Kinder Kind sein dürfen, entwickeln sie wichtige Kompetenzen wie Kreativität und Selbstvertrauen.»

Mathias Binswanger, Glücksforscher

Also haben Schweizer Kinder keine Chance, wirklich glücklich zu werden?
Tatsächlich muss man aufpassen, dass man den Kindern diese negative Mentalität nicht vermittelt. Aber es hängt nicht das ganze Glück der Kinder von den Eltern ab. Forscher gehen davon aus, dass 50 Prozent der Glücksfähigkeit genetisch bedingt sind. Die Persönlichkeit des Kindes ist also ebenso entscheidend.

Wie können wir Eltern unseren Einfluss nutzen, um unsere Kinder zu glücklichen Erwachsenen zu erziehen?
Es gibt beeinflussbare Faktoren wie die Umstände, in denen Kinder aufwachsen. Ein liebevolles Umfeld und der soziale Austausch mit anderen Kindern sind wichtig. Auch sollten sie Kind sein dürfen. Die Tendenz geht heutzutage leider dahin, Kinder analysieren und optimieren zu wollen. Im Vorschulalter schon Schulstoff trainieren. Oder das Kind möglichst dreisprachig aufwachsen lassen. Dieser Wettbewerb unter Eltern ist ein starker Trend, aber dem Glück wenig förderlich. Denn das Glück eines Kindes besteht auch in der später nie mehr erlebbaren Freiheit von Zwängen. Kinder müssen auch ein bisschen verrückt sein dürfen - denn auch daraus entstehen Kernkompetenzen wie Kreativität oder Selbstvertrauen, die wichtig sind fürs Erwachsenenleben.

Was ist Ihre glücklichste Kindheitserinnerung?
Ich habe Dinge getan, die nicht typisch sind für Kinder. Zum Beispiel Literaturklassiker gelesen, kaum kannte ich alle Buchstaben. Verstanden habe ich sie nicht, aber das Entdecken dieser neuen Welt fand ich faszinierend. Diese Momente, wenn sich mir neue Welten erschlossen, gehört für mich zu den schönsten Erinnerungen.

Mathias Binswanger

Mathias Binswanger, 56, ist Ökonom, Glücksforscher und Papa von zwei Kleinkindern, die «einen glücklichen Eindruck machen».

ZVG
Sylvie Kempa
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Von Sylvie Kempa am 7. Mai 2019 - 14:13 Uhr