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Expertentipps für verzweifelte Eltern

Hilfe, mein Kind schlägt und beisst!

Wie reagiert man richtig, wenn das eigene Kind andere Kinder schlägt oder beisst? Dieses schwierige Thema beschäftigt viele Eltern. Im Interview verrät Kinderärztin Dr. med. Anne-Kristin Rostetter ihre Tricks für solche Situationen und sagt, ob Kinder, die schlagen, «normal» sind.

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Zwei Kinder streiten sich um ein Spielzeug.

Wenn Kinder im Streit zuschlagen, sind viele Eltern ratlos.

Getty Images

Dr. Rostetter, was kann ich tun, wenn mein Kind andere Kinder, seine Geschwister oder Erwachsene schlägt, beisst oder schubst?

Analysieren Sie die Situation: Ist das Kind müde oder überfordert? Kann es sich nicht anders ausdrücken? Nehmen Sie das Kind ernst. Warum kam es zum Wutausbruch? Nehmen Sie es aus der Situation heraus und teilen Sie ihm mit, dass es nicht gut ist, jemandem weh zu tun. Suchen Sie gemeinsam nach Lösungen, wie es einen nächsten Konflikt angehen könnte.

Ist ein Kind, das schlägt, «normal»? 

Verhaltensweisen wie Trotzen, Schüchternheit, Angstträume, Beissen oder Schlagen sind altersspezifisch und gehören zur normalen Entwicklung eines Kindes. Solche Auffälligkeiten können das Zeichen einer Entwicklungsvariante sein. Emotionen wie Wut, Ärger oder Zorn gehören zu den Grundgefühlen eines Menschen und es ist abhängig vom Temperament eines Kindes, wie diese Gefühle zum Ausdruck kommen.  Man kann davon ausgehen, dass es mit zunehmendem Alter zur sozialen Reifung kommt.

Sind die Eltern schuld, wenn ein Kind haut, beisst oder schubst und sind die Ursachen in der Familie zu suchen?

Nein! Wichtig ist, dass sie das Kind ernst nehmen, auch wenn es beispielsweise schlägt. Fragen Sie sich: Ist es über- oder unterfordert? Gibt es andere Stressfaktoren wie Umzug, Einschulung, zu viele oder zu wenige Grenzen? Auch die Geburt eines Geschwisterchens kann zu solchem Verhalten führen. Geschwisterrivalität ist normal und kommt sehr häufig vor.

Wie reagiere ich am besten auf Verurteilungen und Kritik durch andere Eltern, deren Kinder von meinem Kind geschlagen wurden?

Wie das Verhalten eines Kindes beurteilt wird, ist von Betrachter zu Betrachter verschieden. Einen grossen Einfluss hat auch der kulturelle Hintergrund. Suchen Sie das Gespräch und versuchen Sie, sachlich zu erklären, dass Sie die Situation ernst nehmen, mit ihrem Kind jedoch nichts falsch läuft. Wenn sich die Situation zu einem Konflikt entwickeln sollte, können Sie gemeinsam einen externen Berater, sprich einen Psychologen oder Kinderarzt, aufsuchen. Dies ist manchmal auch dann gut, wenn beim Kind keine Verhaltensstörung vorliegt.

Gibt es Kinder, die nie schlagen/beissen?

Ja. Im Rahmen der Individualität gibt es Kinder, die ihre Emotionen anders äussern.

Schlagen Buben eher zu als Mädchen?

Dies gilt natürlich nicht für jeden Einzelfall, aber man kann sagen, dass Jungen eher zu körperlicher Aggression neigen, Mädchen eher zu verdeckter Aggression. Die höchste Frequenz von aggressivem Verhalten sehen wir im Vorschulalter, die gravierendsten Ausprägungen von Gewalt in der Jugendzeit und im frühen Erwachsenenalter.

kinder streiten

Tatort Spielplatz: Wenn Kinder sich streiten, fliegen auch mal die Fäuste.

Getty Images

In der Kita kommt es nie zu Problemen mit Aggressionen, aber im Streit mit einem bestimmten Nachbarskind schlägt mein Kind immer wieder zu. Wie kann das sein?

Schauen Sie genau hin. Hat Ihr Kind ein besonderes Verhältnis zum Nachbarskind? Sind sie sich vielleicht besonders nah? Oder fühlt sich ihr Kind vom Nachbarskind provoziert?

Mein Kind ist sensibel, mitfühlend und liebevoll – warum schlägt es manchmal trotzdem zu? 

Es kann ein Zeichen von Angst oder Unsicherheit sein. Sensible Kinder nehmen Bedrohungen vermehrt wahr, was zu einer inneren Spannung führen kann. Ein Wutausbruch, sprich Beissen, Schubsen, Schlagen, wirkt in solchen Momenten erlösend.

Kann ich etwas tun, um das Hauen bereits vom Babyalter an zu verhindern?

Das ist schwierig zu sagen. Wichtig sind stabile familiäre Beziehungen und dass es sowohl für die Eltern, als auch für das Kind stimmt. Die Erwachsenen sollten zudem darauf achten, dass ihre Erwartungen an das Kind auch tatsächlich seinen Entwicklungseigenheiten entsprechen.

dr.med. anne-kristin rostetter
ZVG

Dr. med. Anne-Kristin Rostetter ist Kinderärztin in der kürzlich eröffneten Praxis «Kinderärzte am Sternen» in Zürich Oerlikon.

Von Edita Dizdar am 2. August 2019 - 16:30 Uhr, aktualisiert 16. Juni 2022 - 15:20 Uhr