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  4. Zuhören und reagieren: 5 Ideen für die Kommunikation mit Kindern

«Schuhe anziehen!»

Wie Kinder zuhören – Anleitung in 5 Schritten

Eltern reden viel den ganzen Tag. Und Kinder filtern für sich raus, was sie hören wollen – und was nicht. Wir haben mit einer Expertin darüber gesprochen, wie wir uns als Eltern Gehör verschaffen können.

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Kind

Wann sperren Kinder die Ohren auf? Wenn es sie interessiert, was wir zu sagen haben.

Getty Images

Es gibt verschiedene Formen des Nichtzuhörens. Wenn man abgelenkt ist zum Beispiel. Oder wenn man eine Anweisung absichtlich ignoriert. Kinder haben meist beide Formen relativ gut drauf. Was für Eltern ziemlich anstrengend werden kann.

Zum Glück gibt es da ein paar Tricks, wie wir unsere Kinder dazu bringen können, uns zuzuhören. «Kinder leben wie in einer Blase. Sie fahren ihre Antennen zum Empfang nur aus, wenn es für sie relevant ist», erklärt Erziehungsexpertin Patrizia Luger. Relevant sind Wörter wie Glacé. Oder Schwimmbad. Aber weil das Leben ja kein Ponyhof ist, und man manchmal auch weniger fägige Sachen machen muss, können wir in unserer Alltagskommunikation nicht nur mit Lockbegriffen um uns werfen.

Gut, dass Kinder es auch relevant finden, wenn sie ernst genommen und wertgeschätzt werden. Denn mit der richtigen Kommunikation, können wir Eltern erreichen, dass sie uns zuhören – auch wenn es um für sie weniger spannende Angelegenheiten geht. «Wollen wir gehört werden, müssen wir also ihr Interesse wecken», sagt Patrizia Luger.

Und das gelingt mit in folgenden fünf Schritten:

1. Positive Formulierung

Eltern sollten benennen, was sie vom Kind erwarten oder welches Ziel sie erreichen möchten. Und nicht das hervorheben, was sie schlecht finden. Positive Formulierungen kommen beim Kind besser an. Ein Beispiel: «Geh nicht auf der Strasse!» kommt weniger gut beim Kind an als «Ich möchte, dass du auf dem Trottoir gehst.» Bei der zweiten Formulierung kann es sich genau vorstellen, was Mutter oder Vater von ihm wollen.

«Auch Warum-Fragen sind oft ein Grund, warum Kinder die Schotten dicht machen», sagt Patrizia Luger. Von der Frage «Warum hast du das gemacht?» kann sich ein Kind überfordert und vorverurteilt fühlen. «Mich interessiert, was dahinter steckt», wäre eine wohlwollende Formulierung, die das Kind zum Reden und Zuhören animiert, weil es sich ernstgenommen fühlt.»

2. Mut zur Lücke

Um eine positive Haltung dem Kind gegenüber zu bewahren, ist es wichtig, dass man den Zeitpunkt richtig wählt, um etwas mitzuteilen. Wenn das Kind gerade etwas angestellt hat, das einen wütend macht, lohnt es sich, die Emotion erst vorbeiziehen zu lassen. Luger: «Zu einem späteren Zeitpunkt wird es eher gelingen, dem Kind eine positive Haltung entgegenzubringen. Wenn ein Kind sich wertgeschätzt fühlt, fällt ihm das Zuhören viel leichter.»

3. Zeit für Augenhöhe einplanen

Organisation ist ein Game Changer, wenn es um eine wohlwollende Kommunikation geht. Wenn Eltern einen ruppigen Ton anschlagen oder sogar ins Schreien kommen, hat das oft mit Zeitdruck respektive einer zu knappen Planung und daraus resultierendem Stress zu tun. Sie sind überfordert und finde keine Zeit mehr, sich auf Augenhöhe mit dem Kind zu begeben und ihr Anliegen achtsam zu formulieren. Es kommt zum Streit. Aber dafür kann das Kind nichts.

«Es ist wichtig für Eltern zu verstehen, dass sie in der anleitenden, führenden Position sind. Und dass es in ihrer Verantwortung liegt, genügend Zeit einzuplanen, um präsent sein zu können.» Rumschreien erzielt selten den gewünschten Effekt. Das Kind hört nicht besser zu. Man ist selber frustriert. «Wenn ich als Elternteil eine Situation festlegen kann, in der immer wieder Stress entsteht, zum Beispiel morgens beim aus dem Haus gehen, sollte ich den Ablauf umplanen, sodass Zeit bleibt für eine präsente Kommunikation mit dem Kind.»

4. Ich statt du

Für eine gelungene Kommunikation ist es essentiell, in Ich-Botschaften zu sprechen, statt sich Du-Vorwürfen zu bedienen. Ausserdem sollten Eltern darauf achten, nicht das ganze Kind infrage zu stellen, wenn es nicht das macht, was sie sich wünschen, sondern nur sein Verhalten zu thematisieren.

Ein Beispiel: «Du machst nie vorwärts! So kommt man ja gar nicht aus dem Haus!» ist eine Du-Botschaft, die das ganze Kind infrage stellt. Es fühlt sich gemassregelt und als zu langsam beurteilt. Ein totaler Ablöscher. «Logisch, dass es dann nicht zuhört. Was es zu hören kriegt, ist ja nicht schön.» Stattdessen könnten Eltern sagen: «Mir ist wichtig, dass wir pünktlich aus dem Haus kommen.»

5. Empathie im Kleinen

Viel zu oft passiert es im Familienalltag, dass Eltern ihren Kindern kritisch und wertend gegenübertreten. Sich in den unscheinbaren Situationen des Alltags zu überlegen, wie man seinen Standpunkt als Eltern fürsorglich, neugierig und wohlwollend formulieren kann, braucht am Anfang ein starkes Bewusstsein. Aber es lohnt sich, ist Patrizia Luger überzeugt. «Nichtzuhören ist oft auch ein rebellisches Verhalten, das davon kommt, dass sich das Kind kritisch bewertet fühlt. Nichtzuhören ist wie ein Schutz.»

Auch hier nennt die Expertin ein Beispiel: Am Familientisch schmatzt das Kind. Die Frage «Wieso schmatzt du immer so?» sollte man sich verklemmen. Stattdessen kurz nachdenken und eine wohlwollende Formulierung suchen. «Ich beobachte, dass du schmatzt. Schmeckt dir das Essen so besser? Aber weisst du, mich stört es», wäre laut Luger eine gelungene Alternative. «Über die eigenen Gefühle sollten Eltern immer ehrlich aber kindgerecht sprechen dürfen. Denn Offenheit ist ein weiterer wichtiger Punkt, der die Eltern-Kind-Kommunikation positiv beeinflusst.»

patrizia luger

Patrizia Luger ist Elternberaterin und Erziehungsexpertin. Sie gibt Seminare für die Kursreihe Starke Eltern - Starke Kinder der Stiftung Kinderschutz Schweiz. Sie ist Mutter von drei Kindern im Alter von 14, 12 und 10 Jahren.

Auf Instagram ist sie unter @erziehungsberatung_workshops zu finden:

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Sylvie Kempa
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Von Sylvie Kempa am 22. Oktober 2020 - 07:09 Uhr