Gerade erst hat Anke Engelke (59) mit der Serie «Boah, Bahn» für Erheiterung gesorgt, in ihrem neuen Film «Dann passiert das Leben» (ab 6. November im Kino) passiert das genaue Gegenteil. Engelke spielt an der Seite von Ulrich Tukur (68) eine Frau, die ein Leben in bleiernen Grautönen führt. Die Ehe eingeschlafen, der erwachsene Sohn zu selten zuhause, der Alltag eintönig und nicht mal die Sehnsucht, daran etwas zu ändern. So farblos und streng wie als Rita hat man die Schauspielerin selten gesehen.
Anke Engelke dagegen ist beim Interview mit spot on news die Präsenz in Person. Im Midirock und auf modischen Boots schreitet sie durch die Räume des Bayerischen Hofes, strahlt Wärme und Freundlichkeit aus und ist so interessiert an einem echten Gespräch, dass man gar nicht dazu kommt, den vorbereiteten Fragenzettel abzuarbeiten.
«Ich verstehe sie ganz oft nicht»
Manche Fragen stellen sich von selbst: Wie hat diese leuchtende Anke Engelke einen Zugang zur apathischen Rita gefunden? «Leicht war es nicht. Ich verstehe sie ganz oft nicht», gibt sie zu. Meint damit aber nicht die allgemeine Tristesse, die Rita umgibt, sondern ihren Umgang mit anderen Menschen: «Ich verstehe nicht, wie man so brutal ehrlich sein kann, manchmal geradezu verletzend offen.»
Brutal ehrlich, das ist Rita: Sie sagt einem Verkäufer geradeheraus, dass sein Anzug unvorteilhaft ist, lässt das zähe Schnitzel mit einer Beschwerde zurückgehen und schmeisst die Blumen, die sie zum Geburtstag von ihrem Sohn bekommen hat, einfach weg. «Fast schon unverschämt», findet Engelke, der diese Empathielosigkeit völlig fremd ist. Könnte sie ihrer Figur etwas mitgeben, würde sie ihr trotzdem keinen direkten Vorwurf machen, sondern – sehr Engelke – eine Frage stellen: «Ob ihr das eigentlich gefällt, wie sie zu sich und zu anderen ist? Warum es immer so brutal sein muss?»
Engelke ist das komplette Gegenteil davon. Schon in den 20 Minuten des Gesprächs wird deutlich: Sie wertet nicht, sie urteilt nicht, sie missioniert nicht. «Ich habe keinen Bock auf Hass», stellt sie klar. «Das Leben ist wirklich kurz und wir haben nur das eine. Ich verstehe nicht, warum wir dazu neigen, uns für das Schimpfen zu entscheiden, für das Gegeneinander anstatt für das Miteinander.»
Engelke hat viel Verständnis, auch für die kleinen Schwächen des Menschseins. Zum Beispiel für den Autopiloten, der Rita wie in Trance durchs Leben gehen lässt und dafür sorgt, dass die Jahre nur so vorbeifliegen. Engelke begegnet dieser Unachtsamkeit mit Verständnis: «Wir machen das so, wir schieben Dinge hinaus. Man ist ja auch nur Mensch. Und das ist schön. Wir müssen auch leben dürfen und müssig gehen dürfen, dafür leben wir doch.»
Comedy war der Kurswechsel
Für Aussenstehende hat Anke Engelke in den letzten Jahren mit Filmen wie «Mutter», «Mein Sohn» oder jetzt «Dann passiert das Leben» eine neue Richtung eingeschlagen. Mit der lustigen Anke, als die viele Fans die Schauspielerin abgespeichert haben, hat das nicht mehr viel zu tun. Sie könne das nachvollziehen, sagt Engelke (natürlich), hat selbst aber eine andere Sicht auf diese Entwicklung: «Ich bin nicht angetreten, um komödiantisch zu arbeiten, deshalb habe ich nicht den Eindruck, dass da ein Kurswechsel stattfand.» Nach ihrer Ausbildung zur Redakteurin, Moderations–Jobs beim Radio und Auftritten als Sängerin kam sie erst mit 30 Jahren zur «Wochenshow». Auch wenn das lange her ist, markiert diese Erfahrung für sie den Kurswechsel: «Für mich war es eher neu, lustig zu sein.»
Ob sie lustige oder ernste Rollen spielt, ist eigentlich auch egal für die Schauspielerin Engelke – sie nimmt jede Figur gleich ernst. «Da passiert ganz viel mit mir», erzählt sie. Für Rita hätte sie Haut und Haare angepasst, für Tina (aus der Bahn–Serie) den Gang, immer überlegt sie sich eine eigene Biografie für ihre Rollen, erzählt Engelke. Und: «Das sind ständige Veränderungen und natürlich auch innere Prozesse, die mich die ganze Zeit beschäftigen.»
Diese Prozesse gehen allerdings nicht so weit, als dass die Privatperson Engelke die Stimmung ihrer Figuren und Filme annehmen würde. Im Falle des leise erschütternden Dramas «Dann passiert das Leben» hätte ein Method–Acting–Ansatz schnell belastend werden können. Nichts für die lebensfrohe Engelke: «Da ist mir mein Leben zu kurz für, dass ich dann abends auch noch traurig wäre, weil meine Rolle traurig war. Ich gehe ins Theater und habe einen schönen Abend – das ist ja mein Leben.»
