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Sie wäre 100 Jahre alt geworden

Margaret Thatcher: Wenn die Handtasche zur Waffe wird...

Margaret Thatcher hätte am 13. Oktober ihren 100. Geburtstag gefeiert. Die «Eiserne Lady» war umstritten. Für viele war sie ein Feindbild, für manche aber auch ein Vorbild.

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Margaret Thatcher, ehemalige britische Premierministerin, im Jahr 1990.
Margaret Thatcher, ehemalige britische Premierministerin, im Jahr 1990. imago images/Paul Marriott

«Eiserne Lady». Ach, ja? Es gibt da auch die andere Seite. Beispielsweise, dass sie das Softeis angeblich miterfunden haben soll. Mitte des 20. Jahrhunderts habe sie einem Entwicklungsteam aus Chemikern und Lebensmitteltechnikern angehört. Dieser Truppe sei das Softeis zu verdanken. Ein Mythos, laut des «The New Yorker»–Magazins.

Oder, dass sie als fast schon «mütterliche» Premierministerin nicht nur ihre Familie, sondern auch regelmässig ihre Minister bekocht habe. Gegessen wurde, was auf den Tisch kam. Dabei sollen sich die Kabinettsmitglieder nicht getraut haben, nein zu sagen.

Andererseits ist Margaret Thatcher (1925–2013) selbst rund zwölf Jahre nach ihrem Tod bei der finanziell schwachen Bevölkerung Grossbritanniens immer noch eine Hassfigur, eine neoliberale Hexe, eine Politikerin mit kaltem Herz. Also doch die «Eiserne Lady»?

Margaret Thatcher wäre 100 Jahre alt geworden

Am heutigen 13. Oktober würde Margaret Thatcher 100 Jahre alt werden. Seit ihrem Rücktritt als Regierungschefin sind gut 35 Jahre vergangen, doch ihr Name ist keinesfalls nur noch politische Geschichte. Erst kürzlich hat die Vorsitzende der Liberaldemokratischen Partei (LDP) Japans, Sanae Takaichi (61), die am 15. Oktober voraussichtlich erste Premierministerin des Landes werden dürfte, betont, dass Thatcher ihr grosses Vorbild sei.

Der SWR stellte im Rahmen eines Rundfunkbeitrags fest: «Noch heute wird sie von manchen leidenschaftlich verehrt, von anderen aus tiefstem Herzen verachtet – Thatcher hat extrem polarisiert und tut es noch. Auch die aktuelle britische Politik misst sich an Thatcher. Ihr Vermächtnis ist im Land an vielen Orten zu spüren [...].»

Sie war zweifellos eine der markantesten Politikerinnen auf der Weltbühne des 20. Jahrhunderts. Als sie am 4. Mai 1979 in die 10 Downing Street, den Amtssitz des britischen Premierministers, einzog, stand erstmals eine Frau an der Spitze eines grossen Industrielandes. Allerdings duldete sie in ihrem Kabinett nur Männer.

Ein Krieg am anderen Ende der Welt

«Thatcher verschrieb Grossbritannien, dem am Boden liegenden kranken Mann Europas, eine neoliberale Rosskur», meint der Deutschlandfunk in einem Radio–Essay. Sie habe die Marktwirtschaft regelrecht entfesselt, «zwang die streikenden Bergarbeiter mit der geballten Staatsmacht in die Knie, entmachtete die bis dahin übermächtigen Gewerkschaften und beschränkte das Streikrecht. Thatcher privatisierte die grossen Industrien und Verkehrsunternehmen. Sie verkaufte die staatlichen Sozialwohnungen [...]»

Die Folge: Massenarbeitslosigkeit, weil viele Industriebetriebe, die nicht länger staatlich subventioniert wurden, schliessen mussten. Die Konservativen (Tories) sackten in den Umfragen hinter Labour und die Liberalen ab, und der Premierministerin drohte 1983 die Abwahl. Gerettet hat sie ein Krieg am anderen Ende der Welt.

1982 besetzten argentinische Truppen im Südatlantik die kleinen Falklandinseln mit rund 2.000 Einwohnern. Thatcher erklärte, sie sei keine Frau, die einfach umdrehe, und schickte umgehend Kriegsschiffe. Die britischen Truppen vertrieben die Argentinier. England befand sich im nationalen Siegesrausch – diese Begeisterung sicherte Thatcher 1983 den Wahlsieg. Der Spitzname «Eiserne Lady», ursprünglich von einem sowjetischen Journalisten wegen ihres kompromisslosen Führungsstils geprägt, wurde zu ihrem Ehrentitel.

Streit um Europa

Am Ende scheiterte sie an Europa – obwohl sie den europäischen Binnenmarkt befürwortete und als eine seiner Architektinnen gilt. 1988 erklärte sie, das britische Schicksal liege in Europa, als Teil der Europäischen Gemeinschaft. Allerdings setzte sie knallhart britische Sonderkonditionen durch, sie lehnte eine europäische Währungsunion ab sowie eine Verlagerung von politischer Macht nach Brüssel. Auch der deutschen Wiedervereinigung stand sie sehr skeptisch gegenüber.

Schliesslich zerbrach ihre Regierung am Europastreit. 1990 wurde Margaret Thatcher von der eigenen Partei gestürzt und trat zurück. Beim Abschied sagte sie ins Mikrofon: «Wir verlassen die Downing Street jetzt nach elfeinhalb wunderbaren Jahren und sind glücklich, dass das Vereinigte Königreich sich heute in ungleich besserer Verfassung befindet als bei unserer Ankunft.»

Eier für Thatcher

Ihr Selbstbewusstsein führen Historiker auf ihr Elternhaus in Grantham (Mittelengland) zurück. Ihre Heimatstadt hat ihr ein grosses Bronze–Denkmal gesetzt – das kurz nach der Enthüllung mit Eiern und Farbe beworfen wurde. Ein Witzbold eröffnete sogar einen Eierstand neben der Statue, an dem sich Thatcher–Gegner eindecken konnten.

Thatchers Vater Alfred Roberts führte einen Krämerladen und war zeitweise Bürgermeister von Grantham. Seine Tochter sagte später, sie habe in der Politik stets seinem Ratschlag gefolgt: sich nicht aus Angst vor dem Anderssein der Masse anzuschliessen, sondern das zu tun, was sie selbst für richtig halte.

Aufstieg einer Chemikerin

Die junge Margaret studierte Chemie in Oxford und arbeitete danach in der Lebensmittelindustrie. 1951 heiratete sie den zehn Jahre älteren Unternehmer Denis Thatcher. Nach der Hochzeit begann sie ein Jurastudium und wurde Anwältin für Steuerrecht. 1953 brachte sie Zwillinge zur Welt – Tochter Carol und Sohn Mark.

Bereits 1959 zog sie für die Konservativen ins Unterhaus ein, arbeitete als Staatssekretärin und Ministerin in mehreren Tory–Regierungen, übernahm 1975 den Parteivorsitz und setzte sich 1979 bei den Wahlen durch. Ihr Mann Denis verkaufte sein Unternehmen und wurde Englands «First Gentleman». Über ihre Ehe sagte er einmal augenzwinkernd: «Sie hat die Hosen an – aber sie wäscht und bügelt sie auch.»

Markenzeichen: die grosse Handtasche

Die arbeitswütige Margaret Thatcher war keine Powerfrau mit maskulinen Attitüden und bekannte sich auch rein äusserlich zu ihrer Fraulichkeit. Ihre Frisur bedurfte aufwändiger Pflege, laut Unterlagen des britischen Nationalarchivs war sie allein 1984 insgesamt 118 Mal beim Friseur.

Ihr markantestes Markenzeichen war die grosse Handtasche von Ferragamo. Sie diente als Accessoire, Schutzschild und Statement zugleich. Die Modeexpertin Caryn Franklin sagte der «BBC»: «Die Handtasche machte klar: Hier kommt die Frau zwischen all den Männern.» Angeblich soll Thatcher bei einem EU–Gipfel einmal damit auf den Tisch geschlagen haben.

Die Queen: «Ein gefährliches Spiel»

Auch Queen Elizabeth II. (1926–2022) liebte Handtaschen, doch warm wurden beide Frauen nie miteinander. Laut «Sunday Times» empfand die Königin Thatchers Politik zuweilen als «gefühllos, streitsüchtig und sozial spaltend». In der BBC–Serie «The Crown» wird eine Begegnung geschildert, die der Realität durchaus nahekommen dürfte: «Mein Ziel ist es, dieses Land von der Abhängigkeit zur Selbstständigkeit zu führen», sagt dort die fiktive Thatcher. Die Queen entgegnet: «Arbeitslosigkeit, Rezession, Krisen – ein gefährliches Spiel, sich überall Feinde zu schaffen.» Thatcher antwortet gelassen: «Nicht, wenn man sich wohl dabei fühlt, Feinde zu haben.» – «Tun Sie das?» – «Oh ja!»

Während ihrer Amtszeit verbrachte Thatcher mit ihrem Mann Denis jedes Jahr Zeit auf Schloss Balmoral, dem Sommersitz der Königsfamilie. Ihr Biograf John Campbell schrieb, dass sie diese Reisen nicht mochte: «Sie hatte kein Interesse an Pferden, Hunden oder Country–Sportarten», Spaziergänge und Picknicks bei jedem Wetter habe sie gehasst.

Nach ihrem Abschied als Regierungschefin wurde sie 1992 als Baroness Thatcher of Kesteven geadelt, ihr Mann Denis war als Baronet of Scotney sogar in den erblichen Adelsstand erhoben wurden. Er starb im Jahr 2003 im Alter von 88 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Margaret Thatcher erlitt mehrere Schlaganfälle, wurde dement und überlebte am 8. April 2013 einen weiteren Schlaganfall nicht.

Von SpotOn vor 2 Stunden