1. Home
  2. News
  3. Udo Kier: Unser Mann fürs Schräge in Hollywood ist tot
Traumfabrik, «Tatort» und Trier

Udo Kier: Unser Mann fürs Schräge in Hollywood ist tot

Andy Warhol, Rainer Werner Fassbinder und Lars von Trier, «Armageddon», «Ace Ventura» und Uwe Boll: So wurde der nun verstorbene Schauspieler Udo Kier zum globalen Filmstar zwischen Kunstkino und Trash.

Artikel teilen

Udo Kier 2021 in «Swan Song», seiner grossen Abschiedsvorstellung.
Udo Kier 2021 in «Swan Song», seiner grossen Abschiedsvorstellung. imago/Capital Pictures / Chris Stephens.

Das Leben von Udo Kier begann filmreif. Der spätere Superstar, der jetzt mit 81 Jahren in Kalifornien gestorben ist, kam am 14. Oktober 1944 in Köln–Mülheim zur Welt. Unter dem Namen Udo Kierspe und als unehelicher Sohn einer Schneiderin, seinen Vater lernte er erst als Erwachsener kennen. Wenige Stunden nach seiner Geburt trafen Fliegerbomben das Krankenhaus. Seine Mutter wurde mit dem Neugeborenen verschüttet, konnte sich aber befreien.

Udo Kier, wie er sich später nannte, wuchs in Köln auf. Wie man es in der Domstadt nun mal macht, war er als Messdiener aktiv. Privat verkleidete er sich gerne, etwa als Sängerin Catarina Valente.

Nach seiner Ausbildung zum Grosshandelskaufmann schuftete er bei Ford am Fliessband. Von dem Geld, das er dort verdiente, fuhr er nach London, um einen legendären Nachtclub zu besuchen. Dort lernte der offen homosexuell lebende junge Mann prompt den italienischen Regisseur Lucino Visconti kennen, der den 19–Jährigen umwarb.

Trash–Version von Helmut Berger?

Am selben Abend traf er Helmut Berger. Zusammen mit dem österreichischen Schauspieler galt der Kölner mit den markanten blau–grünen Augen in den 1960er–Jahren als einer der schönsten Männer der Welt. Zwischen London und Rom war er der It–Boy des (schwulen) Jetsets.

Wie Helmut Berger spielte Udo Kier in diversen internationalen Produktionen mit. Während Berger aber eher auf Historienschinken spezialisiert war, trat Kier in wüsten Exploitation–Streifen auf, mit sprechenden Titeln wie «Hexen bis aufs Blut gequält». Dem Trashfilm blieb er seine Karriere über treu, von Splattersatire («Das deutsche Kettensägenmassaker» von Christoph Schlingensief) über B–Movies von Uwe Boll, einem anderen Deutschen in Hollywood – bis hin zum augenzwinkernden «Iron Sky» über Nazis auf dem Mond.

Weltbekannt wurde Udo Kier Anfang der 1970er. Er spielte in zwei Neudeutungen klassischer Horrorstoffe, die Pop–Art–Veteran Andy Warhol produzierte, die Hauptrollen, als Baron Frankenstein und Graf Dracula. In Vampirfilmen spielte er später noch mehrfach, in «Blade», «Shadow of the Vampire» mit John Malkovich und Willem Dafoe oder «BloodRayne». Hollywood–Blockbuster, Kunstkino und Uwe Boll: Diese drei Vampirstreifen spiegeln gut die Breite von Kiers Portfolio wider.

Bis Anfang der 1990er–Jahre lebte Udo Kier in einer Künstlerkolonie in Köln, drehte mehrmals mit Rainer Werner Fassbinder. Dann zog er in die USA, Regisseur Gus Van Sant hatte ihm für «My Private Idaho» ein Arbeitsvisum beschafft. In dem Roadmovie mit Keanu Reeves verkörpert er einen exzentrischen Deutschen namens Hans.

Zwischen Traumfabrik, «Tatort» und Trier

Seitdem lebte Udo Kier in den USA. «Judo Kei–Öhr», wie er dort ungefähr ausgesprochen wird, etablierte sich dort als Charakterdarsteller, als Spezialist für schrille Nebenrollen. Solche spielte er sowohl in Blockbustern wie «Armageddon» oder «Ace Ventura» als auch in B–Movies. Vor allem als Schurke wurde er gerne gebucht. «Ich stelle gern das Böse dar, weil der Fantasie diesbezüglich keine Grenzen gesetzt sind», sagte er einmal in einem Interview. Privat sei er ganz lieb: «Ich bin der Böse, weil ich nicht böse bin».

Für diverse «Tatorte» kehrte er immer wieder nach Deutschland zurück. Auch für Til Schweigers Mittelalterklamotte «1½ Ritter – Auf der Suche nach der hinreissenden Herzelinde» war er sich nicht zu schade. Dem europäischen Kunstkino blieb er ebenfalls treu, spielte in fast allen Filmen von Lars von Trier.

2021 spielte der geborene Nebendarsteller noch einmal eine Hauptrolle. In «Swan Song» verkörperte er einen alternden Friseur und Drag–Performer, der aus dem Pflegeheim ausbüxt. Der Film war dann auch tatsächlich sein Schwanengesang, sein letztes grosses Werk. Seine letzte Rolle war es nicht: Aktuell ist Kier in dem brasilianischen Festivalhit «The Secret Agent» im Kino zu sehen.

Nun ist Udo Kier im Alter von 81 Jahren gestorben. In seiner Wahlheimat Palm Springs in Kalifornien und nicht in seiner Geburtsstadt. Geboren und gestorben in Köln, das klang Udo Kier zu langweilig, wie er einmal sagte.

Von SpotOn vor 2 Stunden