Es ist ein Krieg!», faucht der fiktive Kardinal und liberale Möchtegern-Papst Bellini im Film «Conclave» den zaudernden Dekan Lawrence an. Dieser leitet das Kardinalskollegium und damit das Wahlprozedere. Lawrence glaubt daran, der Heilige Geist würde die versammelten Kirchenfürsten erleuchten und so den geeigneten Kandidaten zum Vorschein bringen. Bellini vertraut lieber auf Bündnisse, Taktik und Strategie denn auf göttliche Eingebung.
Diese beiden Figuren sind typisch für das, was sich in den nächsten Tagen hinter den verrammelten Toren des Vatikans abspielen wird, dem echten Konklave, in dem 135 wahlberechtigte Kardinäle, die meisten im Pensionsalter, aber noch nicht 80, den Nachfolger des verstorbenen Papstes Franziskus küren.
Die Schilderungen in «Conclave» sind dabei sehr nah an der Wirklichkeit. Die Zerstörung des Fischerrings des verstorbenen Papstes, des Zeichens seiner Macht. Die Versiegelung seiner Gemächer, die verschlossenen und verdunkelten Fenster im vatikanischen Gästehaus Santa Marta, die Zimmerverteilung per Losentscheid, die Busfahrten vom Gästehaus zum Wahlort, der Sixtinischen Kapelle. Das Verbot von Smartphones und Computern, die Störsender, die bis ins Detail gezeigten rituellen Wahlvorgänge – all das passiert in Realität genau so.
Ein globaler Coiffeursalon
Diese Massnahmen wurden von findigen Vatikan-Juristen nicht erfunden, um die Sache für uns Normalsterbliche möglichst spektakulär und spannend zu machen. Im Gegenteil, sie wurden erdacht, um genau das zu erschweren, was Papstwahlen seit 2000 Jahren auszeichnet: Intrigen, Einflussnahme externer Mächte, Stimmenkauf, Verleumdung, Ruf- und blutige echte Morde, Neid, Zwietracht, Hinterlist. Das war schon unter den Jüngern Jesu so, die sich bereits darum stritten, wer von ihnen der Erste sein würde, und das blieb so bis in unsere Tage. Sehr realistisch wird im Film auch die Bedeutung von Klatsch und Tratsch geschildert, der unter den Kirchenfürsten grassiert. Wie oft hat sich Papst Franziskus darüber aufgeregt! Zu Recht: Was Klatsch angeht, gleicht der Vatikan und die ganze katholische Klerikerwelt einem globalen Coiffeursalon.
Die Lager formieren sich
Dieser Kampf wird auch das jetzige Konklave prägen. Franziskus hat die Kirche mit seinen Reformideen gehörig durchgeschüttelt. Etlichen Purpurträgern ging dieser Eifer viel zu weit, sie sehnen sich nach Beruhigung, wollen als Herren der Kirche wieder Tritt auf dem wankenden Schiff fassen. Das dürfte die Stimmungslage einer grossen Gruppe treffen und etwa so tönen: Franziskus war ja mit seinem frischen Wind nötig, aber jetzt ist mal wieder gut damit. Für die nächsten Jahre segeln wir lieber wieder in ruhigen Gewässern.
Eine andere Partei ist jene der Traditionalisten, denen das alles viel zu weit ging. Sie möchten das Rad der Geschichte zurückdrehen, sehnen die Zeiten herbei, in denen noch klar war, wer in der Kirche was zu sagen hat und wer nicht. Die entgegengesetzte Partei ist jene der Bergoglianer: Sie wollen die abgehobene Klerikerherrschaft weiter zurückdrängen, die schrittweise Öffnung fortsetzen und die politisch auf der Seite der Armen engagierte Kirche stärken.
Auch wenn der Grossteil der Wahlmänner von Franziskus selbst ernannt wurde, heisst das noch lange nicht, dass sie ihm inhaltlich folgen. Aus welcher Partei am Schluss ein Kandidat eine Zweidrittelmehr- heit erhält, war schon lange nicht mehr so offen wie dieses Mal. Nach dem Tod des «Jahrhundert-Papstes» Johannes Paul II. war es sein obers- ter Glaubenswächter Joseph Ratzinger, der mit seiner druckreifen und eindrücklichen Predigt beim Beerdigungsgottesdienst deutlich machte, dass er der Einzige sein konnte, das Erbe anzutreten.
Nachdem der schöngeistige Theologe zu Benedikt dem XVI. geworden war, sah er als Papst die dunkelsten Geheimnisse der Kirche, die er sich in seinen schlimmsten Albträumen nicht hätte vorstellen können. «Der Abgrund ruft nach dem Abgrund», heisst es im Film. Benedikt demissionierte angesichts der Missbrauchsskandale, die seine «heilige Mutter Kirche» gänzlich unheilig in die tiefste Krise seit der Reformation stürzte. Da war es Bergoglio aus Buenos Aires, der im Vorkonklave, der Vollversamm- lung sämtlicher Kardinäle vor dem eigentlichen Konklave, eine fulminante Rede über die höchst dringliche grundlegende Reform der Kirche hielt und sich damit als Mann der Stunde erwies.
Für Franziskus’ Nachfolge hat sich bislang noch niemand aus der Deckung gewagt, zu unübersichtlich ist die Lage. Allerdings freut man sich in Bischofskreisen seit Längerem über das starke Wachstum der katholischen Kirche in Asien. Länder wie China, Japan oder Vietnam sind für die Zukunft wichtiger als das alte Europa. In wenigen Wochen werden wir wissen, wer sich durchsetzt: die Zauderer, die Strategen oder der Heilige Geist.