Marc Keller steht praktisch mit den Hühnern auf. Wenn der 32-jährige Landwirt und Agrotechniker in Freimettigen BE aus den Federn kommt, sind auch die Tiere schon wach – rund zwei Stunden, um genau zu sein. Im Stall geht das Licht um drei Uhr morgens an, danach beginnt das grosse Gackern, Scharren und Legen. Ein 15-stündiger Hennen-Arbeitstag hat seinen Anfang genommen.
Noch vor sechs Uhr startet Marc Keller seinen Kontrollrundgang durch die grosse Halle mit den 6000 Küken. «Die Küken oder Junghühner brauchen in der ersten Zeit eine intensive Betreuung. Wir müssen darauf achten, dass sie gut fressen und trinken, um an Gewicht und Abwehrkraft zuzulegen», so Keller über seine Kleinsten. Nach etwa 18 Wochen ziehen sie in eine der beiden grossen Hallen zu den 12'000 Legehennen.
Hier, im Doppelstall, setzt Keller seinen Kontrollgang fort. Ein topmodernes Gebäude. Solarzellen sorgen für Strom, ein Computer liefert Erkenntnisse zu den Hühnern: Fressen und trinken sie genug, stimmt die Menge der produzierten Eier? Auch Licht, Temperatur und Luftqualität werden gemessen, 700 Kilo Futter täglich durch automatisierte Futtertröge geschleust.
Die Nahrung besteht aus exakt abgestimmten und von Coop Naturafarm vorgegebenen Inhaltsstoffen. Die Hühner picken Mais und Weizen als Energiekomponenten. Weizenspreu als Rohfaser. Soja und Maiskleber als Eiweisskomponenten. Vitamine A, C, D und E. Rohasche. Muschelschalen und Kalk für die Eierschale. Pigmentstoffe und Paprika für die Eidotterqualität. Sand zur Verdauung. Künstliche Farbstoffe sind verboten. «Je nach Altersstufe ist die Zusammensetzung des Futters nochmals anders», so Keller. «Aber immer so optimiert, dass das Tier kerngesund und topfit ist.» Das müssen die Hühner auch sein, denn sie leisten mit dem Eierlegen eine «henne Büez» – eine Höchstleistung, die einem täglichen Marathon gleichkommt.
Rund anderthalb Jahre dauert ein Legehennenleben. Danach flacht die Legekurve auf Kellers Computer ab. Es ist Zeit, «auszustallen», die Tiere kommen in den Schlachthof. Doch bis es so weit ist, wird den Hennen dank Coop Naturafarm das grösstmögliche Tierwohl geboten. Einige Eckpunkte, die das Coop-Label von anderen Betrieben unterscheidet: Die Herden sind zugunsten von mehr Platz für das einzelne Tier auf 6000 pro Stall und 12'000 pro Betrieb begrenzt (die Höchstbestandesverordnung erlaubt 18'000). Auf der Wiese hat jedes Huhn zweieinhalb Quadratmeter zur Verfügung, Beschattungsmöglichkeiten bieten Schutz vor gefährlichen Raubvögeln.
Bei Kellers kommt noch eine phänomenale Aussicht aufs Aaretal und bei klarem Wetter bis zum Bundeshaus hinzu. Die Tiere können sich in insgesamt drei Outdoor-Zonen frei bewegen. Dies sind nebst der Wiese der Laufhof, der den Hühnern im Gegensatz zur Wiese auch bei Schlechtwetter zur Verfügung steht. Ausserdem ein gedeckter, seitlich offener Klimabereich.
Schweizer Fleisch und Eier aus tierfreundlicher Freiland- und Auslaufhaltung wird mit Naturafarm kennzeichnet. Coop hat die Tierhaltungs- programme für Rinder, Schweine, Kälber und Hühner mit dem Schweizer Tierschutz STS und Partnerorganisationen entwickelt. Der STS sowie «beef control» kontrollieren die entsprechenden Betriebe regelmässig unangemeldet und unabhängig. Ausserdem werden Tiertransporte und Schlachthöfe auditiert.
Der Stall ist sozusagen die Wohnung der Hennen. Gutes Klima, wenig Ammoniak, viel Sauerstoff, Frischluft und ausreichend Platz zum Scharren und Staubbaden sind die Parameter – samt genügend Rückzugsmöglichkeiten für die legenden Hennen. Auch werden den Hühnern regelmässig neue Beschäftigungsmöglichkeiten in den Stall gelegt, damit sie picken, scharren und sandbaden können», so Keller. Dies mit dem Ziel zu vermeiden, dass sich die Tiere langweilen. «Sie beginnen sonst, sich in die Zehen zu picken oder andere Hennen zu piesacken.»
Hühner seien sehr sensible Tiere, die sorgfältig geführt werden müssten, resümiert Keller. Falls nötig, kann er zum Beispiel mit dem Dimmen von Licht für mehr Ruhe sorgen. Achtgeben muss der Fachmann auch vor Bakterien wie etwa Kokzidien oder Clostridien. Diese können sich schnell im Hühnerdarm vermehren und via aufgepickten Kot auf andere Tiere übergehen.
Dass es den Tieren gut geht und tagtäglich das Optimum herauszuholen, sind die zwei grössten Herausforderungen für Keller. Und zugleich sein grösster Ansporn. «Wenn ich sehe, dass die Herde wohlauf ist und die Legekurve stimmt, macht mich das zufrieden.» Und gerade weil er seinen Job liebt, nimmt Keller auch die langen Arbeitswochen von 65 bis 70 Stunden in Kauf. So ist der Familienvater oft auch dann noch am Arbeiten, wenn im Hühnerstall um 18 Uhr Lichterlöschen ist. Das stört ihn nicht: «Mein eigener Chef zu sein und die Familie trotz viel Arbeit immer um mich herum zu haben, fägt!»
Projektleiter Tierwohl & Brandmanager Naturafarm Coop
Wie kam die Initiative Zweinutzungshuhn zustande?
Coop hat das Projekt vor sieben Jahren aus ethischen und ökologischen Gründen ins Leben gerufen, um die Vereinbarkeit von Eier- und Fleischproduktion zu fördern.
Mit welchen Ansprüchen?
Bei den Legehennen-Rassen werden die männlichen Küken nach dem Schlupf getötet. Mit dem Projekt versuchen wir diesem Umstand Einhalt zu bieten: Die Hennen sollen zuverlässig Eier legen, die Hähne mehr Fleisch ansetzen.
Warum sind «normale» männliche Küken für die Mast nicht geeignet?
Heute werden in der Geflügelhaltung Lege- sowie Masthybriden eingesetzt. Bei den Legehybriden sind die Hennen darauf gezüchtet, viele Eier zu legen. Die Hähne können keine Eier legen und setzen zusätzlich wenig Fleisch an.
Was ist beim Zweinutzungshuhn besser?
Hier werden beide Geschlechter grossgezogen. Dank der Züchtung konnte die Futterverwertung und somit der Fleischansatz der Zweinutzungshähne verbessert werden. Im Gegenzug legt die Henne weniger und auch kleinere Eier als ein Legehybrid.
Wie erkennt der Kunde die Naturaplan-Zweinutzungs-Eier und -Poulets?
Sie sind mit dem grünen Zweinutzungshuhn-Logo gekennzeichnet. Die Produkte sind in ausgewählten Verkaufsstellen erhältlich.