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Zu Besuch bei ESC-Hoffnung Gjon's Tears

«Ich will Grossvater stolz machen»

Er wird ganz hoch gehandelt und hat mit dem Finaleinzug die erste Hürde genommen: Der Freiburger Gjon Muharremaj vertritt die Schweiz am Eurovision Song Contest in Rotterdam NL. Sein Lied widmet der Sänger mit dem Künstlernamen Gjon’s Tears seinem Grossvater. Zu Besuch in Freiburg.

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Gjon's Tears, de son vrai nom Gjon Muharremaj, à Bulle en avril 2021

Gjon Muharremaj, 22, bei einer Weide nahe seines Wohnorts Broc FR.

Nicolas Righetti / Lundi13

«Magnifique!» Er bekommt nicht genug vom Geläute der Kuhglocken. «Das tönt so schön wie eine Sinfonie», sagt Gjon Muharremaj. Der 22-jährige Sänger lehnt am Zaun einer Weide oberhalb seines Wohnorts Broc. Auf einem Spaziergang entlang saftig grüner Wiesen tankt der Freiburger nochmals Kraft für seinen grossen Auftritt. Sein Blick wandert über die Herde und die nahen Hügel. «Diese Glocken, das ist Schweizer Musik, sie wird mich nach Rotterdam begleiten.»

Am Donnerstagabend hat Gjon’s Tears (sein Künstlername; übersetzt: Gjons Tränen) die Schweiz beim diesjährigen  Eurovision Song Contest (ESC) in Rotterdam NL zum ersten Mal vertreten. Seine gefühlvolle Ballade trägt den Titel «Tout l’univers» – «Das ganze Universum». Dieses hat er mit seiner Performance bereits in seinen Bann gezogen: Als verdienter Lohn steht Gjon's Tears am Samstag im grossen Finale.

Dort will er weiter verzaubern. Und die Chancen stehen gut: Die Wettbüros handeln den Sänger mit der markanten Kopfstimme als grossen Favoriten. Luca Hänni, 26, Vierter beim ESC 2019: «Gjon hat eine tolle Stimme!» Vergangenes Jahr wurde der ESC aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt. Gjon (ausgesprochen wie John) nahm es gelassen, dass er nicht auftreten konnte. Heute sagt er – selbstsicher und ehrgeizig, wie er ist: «Umso mehr freue ich mich auf dieses Mal!»

Gjon's Tears, de son vrai nom Gjon Muharremaj, est un chanteur suisse né le 29 juin 1998, qui a des origines albanaises. Il représente la Suisse au Concours Eurovision de la chanson 2021. Bule avril 2021

In seinem Appartement am Flügel der Marke Berdux: Hier übt Gjon täglich sein ESC-Lied. Er hat eine kräftige Falsettstimme.

Nicolas Righetti / Lundi13

Nach dem Spaziergang setzt sich Gjon daheim an den Flügel, intoniert seinen ESC-Song. Hier, am Dorfausgang von Broc, an der Strasse, die zum Jaunpass führt, wohnt der Musiker in einer ehemaligen Garage – sein Vater hat sie zu einem Appartement umgebaut. Im Haus gleich nebenan sind Gjons Eltern und sein Bruder daheim. Vater Hysni ist Kranführer und Maurer, er stammt aus dem Kosovo, Mutter Elda arbeitete in der nahen Schoggi-Fabrik Cailler, sie ist gebürtige Albanerin.

 

Mit sieben Jahren die Liebe zur Musik entdeckt

In Saanen BE ist Gjon zur Welt gekommen, seit 2000 leben die Muharremajs in Broc. Im Dorf ging er in die Schule, spielte Fussball, übte Karate, doch im Alter von sieben Jahren entdeckt Gion seine Liebe zur Musik – «beim Klavierunterricht machte es klick». Als er neun Jahre ist, singt er Grossvater Hamit auf dessen Wunsch den Elvis-Presley-Song «Can’t Help Falling in Love» – und bringt den «starken Mann» zum Weinen. «Seine Tränen haben mich tief berührt», erinnert sich Gjon. «Ich merkte, dass ich als Sänger eine riesige Kraft habe.» Die Tränen bringen ihn auf die Idee, sich Gjon’s Tears zu nennen.

Gjon's Tears, de son vrai nom Gjon Muharremaj, est un chanteur suisse né le 29 juin 1998, qui a des origines albanaises. Il représente la Suisse au Concours Eurovision de la chanson 2021. Bule avril 2021

Grossvater Hamit Leskaj, gebürtiger Albaner, hat Gjons Talent entdeckt. Gjon mit dem signierten Bild – es hängt in seiner Wohnung.

Nicolas Righetti / Lundi13

Der Grossvater ist es auch, der den zwölfjährigen Enkel 2011 zur TV-Show «Albania’s Got Talent» anmeldet – Gjon wird Dritter. Im darauffolgenden Jahr scheidet Muharremaj in «Die grössten Schweizer Talente» erst im Halbfinal aus. Dann studiert er am Konservatorium Bulle FR klassischen Gesang, lernt jodeln, indisch und chinesisch singen, bildet sich bei der Musik-Akademie La Gustav des Freiburger Musikers Gustav weiter, fängt die Ausbildung als Primarlehrer an. 2017 nimmt er den Künstlernamen Gjon’s Tears an, seit ein paar Monaten ist er Profimusiker.

«Ich übe sehr viel, mir ist nichts in den Schoss gefallen.» Privat hört er Musik von Johann Sebastian Bach, David Bowie, Grace Jones und Air. Unter seinen Schallplatten hats welche von Ivan Rebroff und Radiohead. «Ob mit Freude, Traurigkeit oder Melancholie – ich möchte Menschen mit meiner Musik berühren.»

«Es ist die Morgendämmerung, die abnimmt / Hinter einem Feld von Ruinen / Zeit, erwachsen zu werden / Dich nicht zurückzuhalten»

Das singt der sympathische Freiburger im seinem ESC-Lied. «Auch wenn wir schwierige Zeiten durchleben: Wir müssen stark bleiben. Unsere Zukunft bauen, mit Liebe, Kraft und Mut!» Er sei ein argloser, aufrichtiger und entdeckungsfreudiger Mensch. «Ich bin froh über meinen multikulturellen Hintergrund.»

 

Gjon's Tears, de son vrai nom Gjon Muharremaj, est un chanteur suisse né le 29 juin 1998, qui a des origines albanaises. Il représente la Suisse au Concours Eurovision de la chanson 2021. Bule avril 2021

Unterwegs bei Broc: «Mit meinen Eltern spreche ich Französisch und Albanisch.»

Nicolas Righetti / Lundi13

Super gestresst werde er direkt vor seinem ESC-Auftritt sein, weiss Gjon schon jetzt. Dann wird er sich ein paar Minuten zurückziehen, um an schöne Momente zurückzudenken – in der Natur, an die Tränen von Grosspapa Hamit. «Das wird mich beruhigen.» Er selber hat vor ein paar Wochen letztmals geweint. Als er «Wheels» schaute – der Film handelt vom Drama zweier querschnittgelähmter Junkies.

Seinem Grossvater habe er sehr viel zu verdanken, sagt Gjon und nimmt ein Bild von Hamit von der Wand. «Er ist mein grösster Fan. Ich will ihn stolz machen am ESC!» Und so werden am Samstag nicht nur die vielen Fans in der Romandie und Familie Muharremaj vor dem Fernseher mitfiebern. Sondern auch Grossvater Hamit daheim in Kanada. «Paç fat» werden sie Gjon wünschen, Albanisch für «Viel Glück». Auf dass Gjon’s Tears im Finale zwölf Punkte holt! Und dass es so dann heisst: «The winner is … Switzerland!»

Thomas Kutschera
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Von Thomas Kutschera am 21. Mai 2021 - 08:00 Uhr