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  4. Skilegende Heinzer: Balance zwischen Rennpiste und Familienleben
Unterwegs mit Franz Heinzer

Jetzt sammelt er Pilze statt Medaillen

Der frühere Skirennfahrer Franz Heinzer ist als Nachwuchstrainer quasi der Goldschmied bei Swiss-Ski. Ruhe findet er mit Ehefrau Heidi beim Pilzsammeln in den Schwyzer Wäldern.

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<p>Grosses Kaliber. Heidi und Franz Heinzer finden in Schwyz einen riesigen Steinpilz. Wo genau, untersteht dem «Pilzgeheimnis».</p>

Grosses Kaliber. Heidi und Franz Heinzer finden in Schwyz einen riesigen Steinpilz. Wo genau, untersteht dem «Pilzgeheimnis».

Joseph Khakshouri

Das Haus der Heinzers thront hoch über dem Vierwaldstättersee. Im Vordergrund Palmen, dahinter das tiefblaue Wasser – mit steilen Ufern, die in ein malerisches Bergpanorama übergehen. Wer die Terrasse betritt, spürt die Ruhe und die Energie, die diese Landschaft vermittelt. Auf dem Weg ins Wohnzimmer ein Raum voller Pokale, Medaillen und Erinnerungsstücken aus der Zeit, als Franz Heinzer die Skipisten beherrschte. «Entweder stellt man die Trophäen in den Keller – oder man schafft für sie einen schönen Ort. Ich habe mich für das Zweite entschieden», sagt der 63-Jährige – und zieht einen seiner frühen Preise aus einer Schublade: ein Steinornament für den dritten Platz im Kinderskirennen des Ski-Clubs Ibergeregg 1969.

<p>Eine spezielle Auszeichung – für den dritten Platz im Kinderrennen auf der Ibergeregg 1969.</p>

Eine spezielle Auszeichung – für den dritten Platz im Kinderrennen auf der Ibergeregg 1969.

Joseph Khakshouri

Damals war Franz sieben. Später wurde er zum Seriensieger. Dreimal nacheinander gewann er die Abfahrtswertung im Weltcup, ebenso oft triumphierte er in Kitzbühel. Auch am Lauberhorn gewann er – ebenso wie bei allen anderen Klassikern wie Val Gardena oder Garmisch-Partenkirchen. 1991 holte er in Saalbach WM-Gold. 1994 trat er zurück. Mittlerweile begleitet er als Trainer die junge Generation Schweizer Skistars: diejenigen Athleten, die von der europäischen Rennpiste den Sprung in den Weltcup wagen. Beat Feuz ging ebenso durch seine Schule wie es zuletzt Franjo von Allmen und Alexis Monney taten. «Der Weg an die Spitze ist heute noch härter geworden», sagt Heinzer, während er den Blick über den See schweifen lässt. «Früher hat es ein, zwei Toptrainer gebraucht, damit ein Land im Weltcup sichtbar war. Heute ist das ganze System entscheidend – Trainerteams, Materialwissenschaft, Mentaltraining. Ein Athlet muss optimal betreut und gecoacht werden.»

<p>Franz Heinzer (r.) auf dem Gletscher beim Kleinen Matterhorn mit<br />Philipp Kälin, Denis Corthay und Yannick Pedrazzi (v. l.).</p>

Franz Heinzer (r.) auf dem Gletscher beim Kleinen Matterhorn mit Philipp Kälin, Denis Corthay und Yannick Pedrazzi (v. l.).

ZVG

Persönlich bezeichnet Heinzer Trainerlegende Karl Frehsner als einen der wichtigsten Wegbegleiter: «Mit seiner Akribie und Detailbesessenheit hat Karl den Schweizer Skisport während Jahrzehnten geprägt.» Männerchef Tom Stauffer öffnete Heinzer mit seinem enormen Netzwerk viele Türen. Und für die Entwicklung des Verbands Swiss-Ski nennt Heinzer den abtretenden Präsidenten Urs Lehmann als Schlüsselfigur: «Als Urs antrat, musste er zuerst Aufräumarbeit leisten. Dann schuf er die Strukturen und die personelle Basis, die ein Fundament bildeten, das die heutigen Erfolge ermöglicht.»

Heimspiel im Wald

Abseits der Rennstrecken findet Heinzer Ruhe in den Wäldern rund um Brunnen. Seine Frau Heidi, 59, liebt das Pilzsammeln – Steinpilze, Eierschwämme, Pfifferlinge – und hat dabei eine Gelassenheit, die inspirierend ist. «Sie hat eine Geduld, die mir manchmal fehlt», sagt Heinzer und lacht. «Früher habe ich Hundertstelsekunden gejagt – jetzt freue ich mich, wenn ich einen einzigen Steinpilz sehe.» Für Heidi ist das Sammeln auch Ausgleich: «Man ist draussen, man schaut genau hin, und wenn man Glück hat, findet man etwas. Das ist Entspannung und gleichzeitig Erfolgserlebnis.»

<p>Pilze für den ganzen Herbst. Heidi und Franz putzen die Steinpilze auf der Terrasse hoch über Brunnen.</p>

Pilze für den ganzen Herbst. Heidi und Franz putzen die Steinpilze auf der Terrasse hoch über Brunnen.

Joseph Khakshouri

Die Kunst des Förderns

Als Trainer legt Heinzer grössten Wert auf Kontinuität und systematische Förderung. Er betreut die Europacupfahrer und die Junioren im B-Kader, ist bei U21-Speedkursen dabei, begleitet aber auch die vielversprechendsten Talente auf dem Weg in die Weltcupspitze. «Ich kann relativ schnell sehen, wer Talent hat», sagt er, «instinktives richtiges Reagieren in kritischen Situationen – das zeichnet die Hochbegabten aus.» Wie schmal der Grat der Junioren in die Weltspitze ist, erlebte Heinzer auch in der eigenen Familie. Seine heute 26-jährige Tochter Carina galt als grosses Talent und hoffte auf eine Skikarriere. Doch Verletzungen warfen sie dermassen zurück, dass ihr der Durchbruch verwehrt blieb. 

<p>Die Karriere vergoldet: Nach drei vierten Plätzen wird Heinzer 1991 in Saalbach Abfahrtsweltmeister.</p>

Die Karriere vergoldet: Nach drei vierten Plätzen wird Heinzer 1991 in Saalbach Abfahrtsweltmeister.

Keystone

Apropos Familie: Carina und ihre älteren Geschwister Franco (28) und Cindy (31) waren auch der Grund, dass Franz Heinzer seine Trainerkarriere in den Nachwuchs verlagerte: «Bei den Jungen finden die Rennen eher unter der Woche statt – und die langen Reisen und Trainingslager an exotischen Destinationen sind selten. So hatte ich am Wochenende oft die Möglichkeit, bei meiner Familie zu sein.»Als Trainer hat Heinzer einen pragmatischen, aber empathischen Ansatz: «Der Athlet muss bereit sein, alles zu tun – körperlich, mental, emotional. Ich kann mich einfühlen, wenn jemand einen Sturz hatte. Der Schockmoment ist da, und du musst das Beste tun, dass er wieder auf die Piste kommt.»

<p>Klar verteilte Rollen – und Franz kann damit leben: «In der Küche bin ich nur als Assistent zu gebrauchen.»</p>

Klar verteilte Rollen – und Franz kann damit leben: «In der Küche bin ich nur als Assistent zu gebrauchen.»

Joseph Khakschouri

Ein Leben zwischen zwei Welten

So bewegt sich Heinzer zwischen Extremen: auf der einen Seite das Hochgeschwindigkeitsrennen, in dem jede Hundertstelsekunde zählt, auf der anderen die stille Freude an Natur und Familie. Golfen und Biken gehören zu seinen Ausgleichsaktivitäten, Skitouren im Frühling halten die Verbindung zu seinen Wurzeln. «Der Sport gibt mir Energie, aber Natur und Familie geben mir Gelassenheit. Ohne das könnte ich nicht so arbeiten, wie ich es tue.» Diese Balance vermittelt er auch den jungen Rennfahrern: «Es geht darum, die eigene Linie zu finden – auf der Piste wie im Leben.» So ist Heinzer heute Übersetzer zwischen zwei Welten: Geschwindigkeit und Ruhe, Risiko und Sicherheit, Leistungsdruck und Lebensfreude. Mit Zuversicht und motivierender Empathie zeigt er den jungen Skifahrern, wann sie Vollgas geben sollten – und wann es auch besser sein kann, etwas taktisch zu fahren. Franz Heinzer kennt alle Seiten des Sports – und er weiss, dass es noch schwieriger ist, den Erfolg auf der Skipiste zu finden als die besten Pilze im Wald.

Von Thomas Renggli vor 5 Stunden