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Diese Frau ist ein Rätsel

Schauspielikone Isabelle Adjani wird 70!

Sie ist ein Monument der Grande Nation: Die Schauspielerin Isabelle Adjani dreht noch jährlich einen Film, macht sich daneben aber rar. So bewahrt sie ihren ­Mythos. Jetzt wird die Französin 70-jährig.

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<p>Französische Klasse: Adjani im März dieses Jahres am Grand Dîner du Louvre. Auch an Modeschauen sieht man sie ab und an.</p>

Französische Klasse: Adjani im März dieses Jahres am Grand Dîner du Louvre. Auch an Modeschauen sieht man sie ab und an.

WWD via Getty Images

Diese Frau ist ein Rätsel. Die Schauspielerin und Sängerin Isabelle Adjani ist 70. Doch das sieht man ihr nicht an. Sie hat die glatte Gesichtshaut einer jungen Elfe, saphirblaue Augen, einen Erdbeermund und lange dunkle Haare. Wie macht sie das nur? Natürlich mithilfe eines Schönheitschirurgen, der zwei Jahre lang ihr Lebenspartner war. Sie macht auch kein Geheimnis daraus. In ihrem jüngsten Film, «Sœurs», trägt sie weisse Handschuhe, die nur ihre Fingerspitzen sehen lassen. Falten wird man an ihr nie sehen.

Rätselhaft ist auch ihr Privatleben, niemand weiss, wo genau sie wohnt, geschweige denn, mit wem sie ihr Leben teilt. Sie gibt keine Interviews zur Person, mit den Paparazzi steht sie auf Kriegsfuss. Weil sie jede Pose verweigert, legten die Fotografen 2009 auf dem roten Teppich des Filmfestivals in Cannes die Kameras auf den Boden und zeigten den Stars den Rücken.

<p>Fünfmal in Cannes ausgezeichnet: 1984 erhielt Isabelle Adjani für «L’été meurtrier» einen César.</p>

Fünfmal in Cannes ausgezeichnet: 1984 erhielt Isabelle Adjani für «L’été meurtrier» einen César.

Gamma-Rapho via Getty Images

Bekannt ist nur, dass sie einen Sohn, Barnabé (46) aus der Verbindung mit dem Kameramann Bruno Nuytten (79) hat. Beim preisgekrönten Film «Camille Claudel» war Nuytten ihr Regisseur. Ein zweiter Sohn, Gabriel-Kane (30) stammt aus der Verbindung mit dem britisch-irischen Schauspieler Daniel Day-Lewis (68). Er hat sie betrogen, als sie hochschwanger war. Sie verliess ihn und fiel in eine schwere Depression.

<p>Jüngerer Sohn: Gabriel-Kane Day-Lewis ist Schauspieler und Rapper in New York.</p>

Jüngerer Sohn: Gabriel-Kane Day-Lewis ist Schauspieler und Rapper in New York.

Getty Images for Netflix

Eine autorisierte Biografie über Isabelle Adjani gibt es nicht, ihr Leben neben der Kamera hält sie strikt geheim. Dabei ist sie die erfolgreichste Schauspielerin Frankreichs der letzten Jahre. Keine andere hat so viele Césars (fünf) als beste weibliche Hauptdarstellerin erhalten. Und 1981 wurde sie am Festival von Cannes gleichzeitig für zwei Hauptrollen – «Possession» und «Quartet» – ausgezeichnet. Zweimal wurde sie für den Oscar nominiert, das erste Mal als damals jüngste Schauspielerin.

Kantige Frauenrollen

Schon mit 20 war Isabelle Adjani eine Kultfigur und wurde von mehreren Regisseuren als Genie gefeiert. Vor der Kamera gab sie alles, liess sich von den Regisseuren «richtiggehend ausweiden», wie sie später sagte. Sie verblüffte mit ihrem Talent, aussergewöhnliche Frauen zu spielen: von der jugendlichen Gaunerin über den männerfressenden Vamp bis zu Königinnen, Künstlerinnen oder tragisch Verliebten. Es waren meist Frauen, die im Wahnsinn, auf dem Schafott oder in der Anstalt endeten.

<p>Keine Hemmungen: die damals 28-jährige Adjani in einer Nacktszene im Film «L’été meurtrier».</p>

Keine Hemmungen: die damals 28-jährige Adjani in einer Nacktszene im Film «L’été meurtrier».

mauritius images / Collection Christophel

Jede Aufnahme sass beim ersten Durchlauf, Adjani weigerte sich zu proben, sie besprach die Szene mit dem Regisseur und dann – Film ab! Ein Phänomen, vergleichbar mit Hollywood-Grössen wie Cate Blanchett (56) oder Meryl Streep (76). Ihr wurde auch ein «aggressiver Sex-Appeal» attestiert, der sogar Brigitte Bardot (90) in den Schatten stellte.

Ausserhalb der Filmstudios äusserte sie sich nur selten, dann aber wie eine literarisch Gebildete, die auch Freud intus hat und in Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch druckreif zu formulieren weiss.

Die Schauspielerin gab schon als Kind Rätsel auf. Sie ist die Tochter der Deutschen Emma Augusta Schweinberger, genannt Gusti, die sich 1944 in Bayern in einen Soldaten der französischen Besatzungstruppen, den Algerier Mohammed Chérif Adjani, verliebte. Das Paar zog nach Gennevilliers, nördlich von Paris, wo er als Automechaniker angestellt war und sie als Putzfrau dazuverdiente. Weil Algerier in Frankreich unbeliebt waren, erzählte die Mutter, ihr Mann sei Türke, und verlangte von ihm, sich nicht mehr Mohammed, sondern nur noch Chérif zu nennen.

Isabelle interessierte sich früh fürs Theater, las fleissig Klassiker wie Racine, Corneille und Molière. Selbstbewusst äusserte das zerbrechlich wirkende Mädchen den ungewöhnlichen Wunsch, eine grosse Schauspielerin zu werden.

Durchbruch mit François Truffaut

Die Schulferien verbrachte sie auf lokalen Theaterbühnen und bekam mit 14 ihre erste Rolle in einem Kinderfilm. Schon mit 17 wurde sie von der elitären Comédie-Française als «Pensionnaire» aufgenommen, eine seltene Ausnahme für eine Jugendliche. Der Kultregisseur der Nouvelle Vague, François Truffaut, sah sie im Theater und im Film und wusste: Sie ist die ideale Besetzung für seinen Film «L’Histoire d’Adèle H.» über die unglücklich verliebte Tochter von Victor Hugo. Der Direktor der Comédie legte das Veto ein, Truffaut schrieb Adjani hymnische Briefe. Sie verliess die Comédie, und die beiden schufen ein Meisterwerk, das ihr eine Oscar-Nomination einbrachte.

<p>Ausnahmetalent: Mit 17 Jahren backstage in der ­Comédie-Française, der höchsten ­Kulturinstitution Frankreichs.</p>

Ausnahmetalent: Mit 17 Jahren backstage in der Comédie-Française, der höchsten Kulturinstitution Frankreichs.

Gamma-Rapho via Getty Images

Alle wichtigen Regisseure Frankreichs drehten seither mit Adjani, nur bei einem lief sie weg: beim Schweizer Jean-Luc Godard, weil sie seine chaotische Regie nicht ertrug.
Ihre reservierte Art nährte allerhand Gerüchte. Als in den 80er-Jahren die Krankheit Aids viele Künstler dahinraffte, hiess es, sie sei erkrankt, andere meldeten schon ihren Tod. Adjani war gezwungen, in den Fernsehnachrichten zusammen mit einem Medizinprofessor die Gerüchte zu dementieren. «Ich bin gesund, es ist alles falsch, was erzählt wird.»

<p>Unnahbare Aktrice: Die Schauspielerin 1981 in nichts als Unterwäsche. Zwei Jahre zuvor war sie erstmals Mutter ­geworden.</p>

Unnahbare Aktrice: Die Schauspielerin 1981 in nichts als Unterwäsche. Zwei Jahre zuvor war sie erstmals Mutter geworden.

Popperfoto

Der Journalist Jacques Chancel durfte das Wunderkind 1974, sie war damals 19-jährig, einmal intervie- wen: «Ich bin so gewöhnlich wie alle anderen Mädchen aus Gennevilliers», sagte sie. Sie habe einfach Glück, und Glück dürfe man nicht wie Sand durch die Hand rieseln lassen. Sie liebe alles an diesem Beruf, mit Leib und Seele. «Und wissen Sie, die Berühmtheit ist eher lästig. Das ist, was die Leute aus Ihnen machen, das sind nicht Sie selbst.»

So ist es noch heute: Ausser in ihren Filmen gibt die Ikone nichts von sich preis.

Von Peter Rothenbühler am 27. Juni 2025 - 18:00 Uhr