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Swiss und Edelweiss Air während Corona

«Wir sind urschweizerische Unternehmen»

Swiss und Edelweiss kämpfen ums Überleben. Die Chefs, Thomas Klühr und Bernd Bauer, hoffen auf Überbrückungshilfe des Bundes. Gemeinsam setzen sie alles daran, weiterzufliegen. Und bringen Schweizerinnen und Schweizer aus dem Ausland nach Hause.

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Corona Krise Edelweiss Swiss Thomas Klühr Bernd Bauer

Sicherheitsabstand trotz enger Zusammenarbeit: Swiss-CEO Thomas Klühr (l.) und Edelweiss-Chef Bernd Bauer am Swiss-Hauptsitz in Kloten ZH.

 
Kurt Reichenbach

Herr Klühr, Herr Bauer, wir befinden uns im Ausnahmezustand. Für die internationale Luftfahrt ist es die grösste Krise überhaupt. Haben Sie damit gerechnet, als Sie zum ersten Mal von Corona hörten?
Thomas Klühr: Obwohl wir schon Ende Januar die Swiss-Flüge nach China eingestellt haben, habe ich persönlich die Situation lange unterschätzt.

Bernd Bauer: Damit warst du nicht alleine.

Klühr: Die Wucht, die Geschwindigkeit, mit der dieses Virus die ganze Welt lahmlegt – damit habe ich nicht gerechnet. Airlines sind von Krisen oft stärker betroffen als andere Branchen. Wir haben einige erlebt. 9/11, die Aschewolke … Aber das hier ist existenziell. Etwa drei Viertel der Weltflotte stehen am Boden. Sicher gibts eine Zeit nach Corona, in der die Menschen wieder reisen. Aber die grosse Unbekannte ist die Zeit: Wie lange dauert es?

Wie lange halten Swiss und Edelweiss denn noch durch?
Klühr: Eine schwierige Frage. Einige Wochen bis hin zu wenigen Monaten. Zuerst müssen wir alsUnternehmen alles dafür tun, um diese Zeit zu überbrücken. Mit Kosteneinsparungen – da haben wir schnell gehandelt – und Kurzarbeit. Dann sind die Eigentümer gefordert – in unserem Fall die Lufthansa-Gruppe. Aber wie bei allen Airlines wird es auch bei uns längerfristig nicht ohne staatliche Hilfe in Form von Bundesgarantien oder Überbrückungskrediten gehen. Also Liquiditätsspritzen, die dann später zurückbezahlt werden. Die USA haben bereits Milliardenbeträge gesprochen, auch andere Länder diskutieren Hilfspakete – da wird man noch einiges hören in den nächsten Tagen.

Sie sprechen von zurückzahlen. Also keine Beiträge à fonds perdu?
Klühr: Nein. Swiss und Edelweiss sind gesunde Unternehmen, die vor der Krise sehr gut aufgestellt waren. Und wir haben Vertrauen in unseren Heimatmarkt, die Schweiz. Dieser wird sich schneller erholen als andere.

Einige finden, dass jetzt die Lufthansa gefordert sei, nicht der Bund.
Klühr: Es gibt eine Verantwortung des Eigentümers, keine Frage. Aber man darf nicht vergessen: Die Swiss ist ein Schweizer Unternehmen. Wir haben hier unseren Sitz, wir zahlen hier
unsere Steuern. 90 Prozent unserer Mitarbeitenden leben in der Schweiz. Und wir richten unser Streckennetz
gezielt an den Bedürfnissen der Schweiz aus. Dieses Bewusstsein vermisse ich manchmal.

Bauer: Auch bei Edelweiss kommen 95 Prozent der Mitarbeitenden aus der Schweiz, wir sind ein urschweizerisches Unternehmen. Die Eigentümerschaft spielt eine sekundäre Rolle. Am Ende gehts darum, die Arbeitsplätze in der Schweiz langfristig zu sichern.

Bei all den Sorgen – können Sie noch schlafen?
Klühr: Sicherlich weniger als sonst. So wie viele.

 

 
Corona Krise Edelweiss Swiss

Der 54-jährige Bernd Bauer stammt aus Tübingen und arbeitete erst für die Crossair, ab 2002 für die Swiss. 2014 übernahm er den Chefposten bei Edelweiss, machte die Airline zur beliebten Ferienfluggesellschaft mit immer neuen Destinationen. Hobbys: Skifahren und Reisen.

Thomas Klühr (58) ist seit 2016 Chef der Swiss. Der Franke ist für diesen Job nach Zürich gezogen. Zuvor war er jahrelang für die Lufthansa tätig und u.a. verantwortlich für den Hub München. Er ist naturverbunden, geht gerne joggen und biken.

 
Kurt Reichenbach

Wie sieht Ihr Alltag aus? Arbeiten Sie im Homeoffice?
Bauer: Ich bin hauptsächlich in meinem Büro am Flughafen Zürich und so auch ansprechbar für die Crew, die den Betrieb aufrechterhält.

Klühr: Auch ich bin an unserem Hauptsitz in Kloten. Ich finde, das ist ein wichtiges Signal. Aber sonst sind fast alle im Homeoffice. Und ich bin überrascht, wie gut das funktioniert.

Ihre Frau, Herr Klühr, ist Ärztin in Deutschland. Sehen Sie einander überhaupt noch?
Klühr: Sie hat sich, und da bin ich ihr sehr dankbar, vor ein paar Wochen entschieden, in die Schweiz zu kommen, und versucht jetzt von hier aus, ihre Patienten zu betreuen.

Herr Bauer, Sie haben noch schulpflichtige Kinder. Machen Sie mit ihnen Homeschooling?Bauer: Ja, ich habe einen 13-jährigen Sohn und eine 11-jährige Tochter. Meine Frau kümmert sich glücklicherweise ums Homeschooling. Aber wir haben abends die eine oder andere Diskussion mit den Kindern (lacht). Das muss sich ja alles erst einspielen.

Arbeiten Swiss und Edelweiss in dieser Krise enger zusammen als sonst?
Klühr: Wir hatten schon vorher eine sehr gute und enge Zusammenarbeit – das bewährt sich jetzt auch in der Krise.

Bauer: Wir sind regelmässig in Kontakt, Thomas Klühr ist ja VR-Präsident der Edelweiss. Und ich nehme an den Krisenmanagement-Meetings der Swiss teil, die zurzeit dreimal wöchentlich stattfinden.

Wie stark haben Sie Ihre Flugpläne runtergefahren?
Klühr: Bei der Swiss sind wir um 95 Prozent runter. Wir fliegen ab Zürich noch dreimal wöchentlich nach Newark, USA, und steuern acht Städte in Europa an. Ab Genf sind es noch vier europäische Destinationen.

Bauer: Edelweiss fliegt momentan noch von Zürich nach Cancún, Mexiko. Alle anderen Flüge sind Charterflüge, welche einen grossen Teil der Langstreckenflotte auslasten. Das nimmt aber schon ab nächster Woche stark ab. Wir werden versuchen, drei Langstrecken- und zwei Kurzstreckenflieger einsatzbereit zu halten, damit wir schnell auf Anfragen reagieren können.

Wer fliegt jetzt noch?
Klühr: Privatreisende, die ihre Familien besuchen, aber auch Geschäftsleute. Kommerziell lohnen sich die Flüge für uns nicht mehr, die Auslastung liegt unter 50 Prozent. Und es kommen aktuell auch kaum noch Buchungen rein. Doch wir möchten die Anbindung der Schweiz weiterhin sicherstellen, auch Frachttransport ermöglichen. Das ist für uns eine Herzensangelegenheit.

Bauer: Edelweiss ist eine Ferienfluggesellschaft. Und Ferien sind gerade nicht gefragt. Aber wir haben ja ein zweites Standbein, die Charterflüge. Das halten wir jetzt aufrecht – und damit einen Teil unserer Flugzeuge und Crews.

Gemeinsam führen Edelweiss und Swiss im Auftrag des EDA auch Repatriierungsflüge durch. Es ist die grösste Rückholaktion überhaupt.
Bauer: Genau. Inzwischen konnten wir rund 20 Flüge durchführen, auch zu Destinationen, die wir normalerweise nicht anfliegen: Lima, Santiago de Chile, Sydney, Phnom Penh oder Quito.

Das sind weite Distanzen. Braucht es da besondere Vorkehrungen?
Bauer: Auf den langen Flügen gibts einen Tankstopp, bei dem die Crew teilweise auch ausgewechselt wird.

Klühr: Das alles ist organisatorisch sehr komplex. Man benötigt zum Beispiel Verkehrsrechte und Einreisebewilligungen für die Crews, muss Sicherheitsstandards gewährleisten.

Wie siehts aus mit dem Social Distancing auf diesen Flügen?
Klühr: Auf den Linienflügen haben wir Social-Distancing-Regeln eingeführt, der Nebensitz bleibt wann immer möglich frei. Bei den Repatriierungsflügen ist das schwierig, da wir ja möglichst viele nach Hause bringen wollen.

Bauer: Im Flieger atmet man grösstenteils Frischluft, und wir nutzen Filter, die vergleichbar sind mit jenen in Operationssälen. Die Ansteckungsgefahr ist deshalb minimal.

Sie machen auch Cargo-Flüge mit medizinischem Material, brachten Schutzmasken von Hongkong in die Schweiz. Ist da mehr geplant?
Klühr: Ja, diese Anfragen nehmen zu. Bauer: Dadurch, dass der Linienverkehr stark eingeschränkt ist, sind es die Frachtkapazitäten natürlich auch. Das Bedürfnis, Waren zu transportieren, ist gross. Wir prüfen derzeit auch, ob wir gewisse Güter auf den Sitzen der Passagierkabinen transportieren können.

Das Bild der parkierten Swiss- und Edelweiss-Maschinen in Kloten und Dübendorf ruft bei vielen schmerzhafte Erinnerungen ans Swissair-Grounding hervor …
Bauer: Die Situation ist aber komplett anders. Unsere jetzigen Probleme werden von äusseren Faktoren verursacht.

Klühr: Beim Swissair-Grounding war es ein strukturelles Problem – das Unternehmen hatte damals kein Geld mehr. Heute sprechen wir von einer weltweiten Krise, die alle Airlines und mit Swiss und Edelweiss zwei finanziell sehr gut aufgestellte, schuldenfreie Unternehmen trifft.

Finanziell gut aufgestellt, schuldenfrei – ist das für die Bewältigung der Krise jetzt essenziell?
Klühr: Das ist sicher ein grosser Vorteil. Mir macht aber Sorgen, dass sich viele Staaten in Europa an ihren bereits vorher angeschlagenen Home-Carriern beteiligen, dass etwa Italien die Alitalia verstaatlicht hat. Das ist der falsche Weg und verzerrt bloss den Wettbewerb.

Bauer: Unser Geschäftsmodell – die Swiss vor allem für Geschäftsreisen, Edelweiss im Ferienreiseverkehr – ist europaweit einzigartig. Wir decken fast alle Bedürfnisse ab, verbunden mit
einer sehr hohen Produktqualität. Das hebt uns ab von vielen Wettbewerbern. Deshalb bin ich optimistisch.

Klühr: Swiss und Edelweiss können aber nur erfolgreich sein als Teil der Lufthansa-Gruppe. Ich bekomme auch mit, dass der eine oder andere jetzt eine neue Swissair aufleben lassen möchte, die als alleinstehende Airline funktioniert. Die letzten Jahre haben klar gezeigt: Man muss Teil einer erfolgreichen Gruppe sein – sonst ist man gar nicht in der Lage, ein weltumspannendes Netz für seine Kunden anzubieten.

Was bedeutet die aktuelle Situation für Reisende, die noch ein Swiss- oder Edelweiss-Ticket haben?
Klühr: Weil wir viele Flüge gar nicht mehr durchführen dürfen, haben wir im Moment enorm viele Anfragen für Rückerstattungen. Das führt zu erheblichen Verzögerungen in der Bearbeitung, was wir bedauern. International kämpfen alle Airlines mit diesen Schwierigkeiten. Wir sind daran, eine Lösung für die ganze Branche zu finden. Aktuell bieten wir so attraktive Umbuchungsmöglichkeiten, wie es sie noch nie gab in der Luftfahrt.

Bauer: Wir versuchen zurzeit, auf Sicht zu annullieren, Flüge nach dem April noch im System zu halten und erst kurzfristig zu streichen. Man weiss ja nicht, wann welche Länder welche Massnahmen ergreifen, wann welche Grenzen offen oder geschlossen sind. Wenn wir jetzt schon alles absagen, wäre es extrem schwierig, den Flugbetrieb dann wieder hochzufahren.

Wenn ich jetzt meinen Flug annulliere, kriege ich mein Geld zurück?
Bauer: Das richtet sich nach den Konditionen, die Sie bei der Buchung
eingegangen sind. Die sind weiterhin gültig, ausser für Flüge, die nicht durchgeführt werden können. Da kriegen Sie Ihr Geld zurück – sofern Sie kein Umbuchungsangebot nutzen möchten.

Wird sich unser Reiseverhalten nach Corona ändern?
Klühr: Ich glaube schon. Die Welt wird digitaler, und wir werden uns an neue Arbeitsweisen gewöhnen. Das Lokale wird eine grössere Rolle spielen. Und ich würde mich darüber freuen, wenn unsere Gesellschaft solidarischer wird. Aber ich bin überzeugt, dass der Wunsch, zu reisen, sich persönlich auszutauschen, bleibt.

Sie denken also nicht, dass Sie Ihre Flotten reduzieren müssen.
Klühr: Ich bin von unserem Geschäftsmodell auch mit Blick auf die Zukunft überzeugt. Aber ich habe Respekt vor dem Zeitfenster, das es braucht, um wieder zur alten Stärke zurückzufinden. Es wird vermutlich bis Juli oder August dauern, bis wir wieder loslegen können. Bis Ende Jahr rechne ich bei Edelweiss und Swiss mit einem Flugbetrieb von maximal 75 Prozent.

Bauer: Es sind jetzt ganz kritische Monate für den Ferienverkehr. Der April ist gelaufen. Im Mai und Juni ist die Nachfrage nicht so gross. Aber Juli und August sind die wichtigsten Monate für uns. Ich hoffe schon, dass wir im Juli wieder die eine oder andere Verbindung aufnehmen können und die Passagiere mit uns in die Ferien fliegen.

Was können wir Schweizer jetzt für die Swiss und Edelweiss tun?
Klühr: Das ist eine sehr emotionale Frage. Ich hoffe, dass den Schweizerinnen und Schweizern bewusst ist, dass wir für ihre Volkswirtschaft und ihre Anbindung wichtig sind. Und dass sie uns weiterhin vertrauen.

Bauer: Wir bekommen im Moment sehr viel Zuspruch aus der Bevölkerung. Ich glaube, Swiss und Edelweiss sind sehr gut verankert in der Schweiz und werden geschätzt. Das motiviert uns weiterzumachen.

Interview: Nina Siegrist und Stefan Regez

Von Schweizer Illustrierte am 2. April 2020 - 18:41 Uhr