Ein Blitz. Noch einer und noch einer. Hinter dem Vorhang wird gekichert, und jemand jauchzt: «Wie früher!» Derweil warten vor dem Retro-Fotoautomaten, einem der letzten in der Stadt Zürich, bereits Leute, um ebenfalls auf einem Schwarz-Weiss-Fotostreifen Faxen zu machen. Lachend verlassen Schlagerstar Beatrice Egli (37) und Carmen Lopes Sway (43) bekannt als Kinderliedersängerin «Tante Carmen», das Kabäuschen.
Die Fotostreifen riechen wie damals: Carmen Lopes Sway und Beatrice Egli stecken die Köpfe zusammen und lachen über die Bilder aus dem Retro-Automaten.
Amanda NikolicDie beiden Frauen verbindet seit Jahren eine tiefe Freundschaft. «Wir haben uns jetzt acht Monate nicht gesehen», sagt Egli, «aber jedes Wiedersehen ist, als würden wir einfach beim letzten Treffen fortfahren.»
Die beiden kennen sich seit ihrer Ausbildung, lange vor Eglis Durchbruch bei «Deutschland sucht den Superstar» 2013. Sie hatte sich an der Schule für Schauspiel in der deutschen Hafenstadt Hamburg eingeschrieben. Carmen Lopes Sway war dort bereits im ersten Semester und wurde Eglis Gotte. «Soziale Medien waren noch nicht im Trend», erinnert sie sich. «Deshalb telefonierten wir oft. Ich gab ihr Tipps für die Wohnungssuche und den Umzug.»
Plaudertaschen: In der Zeit vor Social Media hingen Carmen Lopes Sway und Freundin Beatrice Egli ständig in der Leitung.
Amanda NikolicDas erste Treffen fand dann 2008 statt, am ersten Schultag. «Traditionell übergibt jeder Mentor seinem Gottenkind eine Rose. Als ich Beatrice sah, war es fast wie Liebe auf den ersten Blick», erinnert sich die Schwester von Musiker Marc Sway (46).
Nach sechs Minuten sind die Fotos entwickelt. Egli begutachtet sie: «Sie riechen wie damals, da werden Erinnerungen wach! Solche Bilder machten wir während des Studiums auch immer.» Damals gingen die beiden gemeinsam durch Hochs und Tiefs. «Wir feierten wilde Partynächte», sagt Beatrice Egli augenzwinkernd. Beide lachen. «Und wenn es mir schlecht ging, ich frustriert war wegen eines schwierigen Stücks oder Heimweh hatte, gabs bei Carmen Raclette.» Egli revanchierte sich jeweils mit Rösti. Schweizer Studierenden wird der Sprache wegen zwar abgeraten, sich zu sehr untereinander auszutauschen. Das aber beeindruckte die Zürcherin und die Schwyzerin wenig.
Energiebündel: Weder Beatrice Egli noch Studienkollegin Carmen Lopes Sway würden sich als ruhender Pol in der Freundschaft bezeichnen.
Amanda NikolicEin Leben für den Schlager
«Einen Abend werde ich nie vergessen», sagt Carmen Lopes Sway. «Wir manifestierten unsere Zukunft und trugen einander vor, wie die aussehen würde. Ich hatte nur eine schwammige Vorstellung, Beatrice aber hatte einen sehr konkreten grossen Traum und inszenierte eine kleine Playbackshow für mich.» Ihr sei dabei Eglis unglaubliche Präsenz aufgefallen: «Mir war sofort klar, Beatrice lebt für Schlager.»
2007 singt Beatrice Egli erstmals vor grossem Publikum, beim Grand Prix der Volksmusik tritt sie im Duo mit der ersten ESC-Gewinnerin auf, der Schweizerin Lys Assia (1924-2018). Und sie singt an kleineren Volksfesten, um ihre Karriere voranzutreiben. Eglis Triumph 2013 in der Castingshow «Deutschland sucht den Superstar» verfolgt Carmen Lopes Sway von der Schweiz aus. «Ich war damals schwanger. Den Sieg von Beatrice schaute ich vom Spital aus, mit meinem Baby im Arm. Ich weinte vor Freude», erzählt sie.
Einblick ins Freundinnen-album: Wenn Beatrice und Carmen unterwegs sind, wird alles auf Bildern festgehalten – so auch die gemeinsame Weihnachtsfeier 2018 in Australien.
ZVGNoch heute kämen ihr die Tränen, wenn sie Beatrice auf der Bühne sehe, sagt Lopes Sway. Sie halten regen Kontakt. Lopes Sway besucht Egli während deren Tourneen, und Egli spielt ihren Neffen und Nichten die Kindermusik von «Tante Carmen» vor. «Sie sind immer total fasziniert, dass ich ‹Tante Carmen› persönlich kenne», erzählt sie.
Auf der anderen Seite ist Lopes Sways Tochter Niah (9) total aus dem Häuschen, wenn der Schwyzer Schlagerstar zu ihnen nach Hause zu Besuch kommt. Ihre Verbindung gehe über eine Freundschaft hinaus, «wir sind wie Schwestern», sagt Beatrice Egli. Familie, findet sie, umfasse nicht nur Blutsverwandte, sondern auch Menschen, die ihr über längere Zeit nahestehen. «Und dazu gehört Carmen definitiv.»
Kurz vor dem Burnout
Die zwei veranstalten gemeinsame Kochabende, gehen auf Reisen und feiern Weihnachten. Ein Fest bleibt besonders in Erinnerung. 2018 schrammt Beatrice Egli nach einer Tournee an einem Burnout vorbei. Völlig ausgelaugt fliegt sie nach Australien. Dort erwartet sie ihre Freundin Carmen Lopes Sway mit Ehemann und den Kindern Craig (12) und Niah. Sie geben der Sängerin Raum, um wieder zu Kräften zu kommen. «Wir feierten zusammen Weihnachten in einem Wohnwagen am Meer», erzählt Lopes Sway, «sassen auf Decken am Strand und schauten dem Sonnenuntergang zu. Das war magisch.»
Beatrice Egli ergänzt: «Bei Carmen kann ich ganz ich selbst sein. Bei ihr zu Hause liege ich auf dem Sofa, chille und kann total runterkommen. So war es auch in Australien.» Von dieser Zeit handelt Eglis Lied «Terra Australia», das 2019 erscheint. Dieses Jahr am 2. Oktober hat Beatrice Egli ihr neues Album «Hör nie auf damit» veröffentlicht. Einen Monat später, am 2. November, wird ihre Freundin mit «Winterzauber mit de Tante Carmen» nachziehen. Ob die beiden auch mal zusammenspannen? «Sag niemals nie», meinen sie übereinstimmend. Egli: «Mit unserer Musik sind wir weit weg voneinander. Aber ich könnte mir vorstellen, gemeinsam in einem Film mitzuwirken.»
Beatrice Egli und Carmen Lopes Sway sind schon lange befreundet.
ZVGTreffen der beiden finden in der Regel in Zürich statt – ausser Beatrice Egli hat Geburtstag. Dann reist Carmen Lopes Sway zu ihr, «einmal sogar nur für eine Nacht nach Schweden!» Beide machen gern die Nacht zum Tag, plaudern viel und lachen noch viel mehr. «Wir strotzen vor Energie», sagt Egli und lacht. «Als ruhenden Pol jedenfalls kann man keine von uns bezeichnen.»
Nun gehts zum Abendessen. Und dann? «Mal schauen», meint Beatrice Egli vielsagend, steigt mit Carmen Lopes Sway in ein Taxi und fährt hinaus in die anbrechende Nacht, den Fotostreifen aus dem Automaten in der Hand.