Kaum steht Nicole Burth, 50, im Sitzungszimmer der altehrwürdigen Post von Winterthur, bietet sie dem SI-Team das Duzis an und fragt die schwangere Visagistin, in welchem Monat sie sei. Wirbelwind Burth ist auch bei der Post schnell unterwegs. Als Leiterin Kommunikations-Services macht sie die 170 Jahre alte Institution digital fit. Mit dem SI-Team besucht sie an den Digital Days in der Eulachstadt einen Workshop der Post zur Cyber-Security. Sie hört zu und lernt schnell: «WLAN in Hotels zu verwenden, ist ja verdammt gefährlich. Da muss ich in Zukunft mehr aufpassen.»
Im Jahr 2000 arbeitete ich bei der Deutschen Bank. Dort erhielt ich einen Palm Pilot. Das Gerät konnte E-Mails empfangen. Es hatte keine Tastatur, wurde ausschliesslich mit einem Stift bedient.
Das war nicht viel vorher. Nach meinem Studium bekam ich 1997 bei meinem ersten Job eine Banane, die Nokia-Banane.
Mehrere. Im Ausland und im Inland. Ich erinnere mich gut, wie ich mit 17 in den USA im Austauschjahr war. Man wollte nicht, dass man zu viel nach Hause telefoniert aus Angst, das schüre das Heimweh. So schrieb ich Briefe. Es dauerte zwei Wochen, bis eine Antwort kam.
Sehr wenig. Handschriftlich am ehesten noch Kondolenzkarten oder mal eine Geburtstagskarte. Und Abstimmen tue ich auch noch per Briefpost.
(Schüttelt den Kopf.)
Kaum. Die wissen doch nicht, was das ist.
Nicht alles. Das ist sehr verschieden. Früher wurde ein Passwort per Brief verschickt. Heute ist das ein SMS. Und Briefe, die der sozialen Kommunikation dienten, sind nun ein Whatsapp.
Wie wir vorher diskutiert haben, wird das, was früher einzig und allein per Brief mitgeteilt wurde, heute über ganz verschiedene Medien kommuniziert. Und wie wir wissen, sind einige Medien überhaupt nicht sicher. Wir waren vorhin an den Digital Days in einem Workshop über Cyber-Security. Es hat uns erschüttert, was alles mit unseren persönlichen Daten von Hackern im Darknet angestellt werden kann. Es gibt nun mal gewisse Bereiche in deinem Leben, wo du wirklich nicht willst, dass deine Daten rausgehen.
Ans Gesundheitswesen. Wir haben uns gerade an einer Firma beteiligt, die in 14 Kantonen das elektronische Patientendossier anbietet. Es macht keinen Sinn, dafür mehr als eine Infrastruktur im Land aufzubauen. Wir garantieren nun als Post in der ganzen Schweiz: Deine Krankenakte ist im elektronischen Patientendossier so sicher wie das Briefgeheimnis. Mit der höchsten Sicherheitsstufe. Ethische Hacker, also Hacker, die uns helfen, prüfen dabei immer wieder unsere Massnahmen. Die Post hat heute bereits 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich um Cyber-Security kümmern, und Postfinance hat nochmals 50.
Das ist heute noch so. Immer noch vertrauen die Leute unseren Pöstlern zum Beispiel ihre Hausschlüssel an.
Genau. Heute verschicken wir die Abstimmungscouverts in der physischen Welt per Briefpost. Das wollen wir auch in der digitalen Welt sicherstellen. Gerade jetzt ist ein Test gelaufen mit ethischen Hackern. Keiner hats geschafft, die elektronische Urne zu knacken. Damit haben wir eine wichtige Hürde geschafft. Wir planen, unser E-Voting-System interessierten Kantonen im Laufe des nächsten Jahres anzubieten. Gemäss unseren Informationen könnten St. Gallen, Thurgau und Basel-Stadt zu den ersten gehören.
Dafür haben wir uns zum Beispiel an der Firma Klara beteiligt, welche unter anderem ein Buchhaltungssystem anbietet. Bisher muss ein Coiffeur zuerst den Brief mit der Rechnung für die Materialkosten öffnen, dann das E-Banking machen und zum Schluss noch alles per Post dem Treuhänder übergeben. Mit der App Klara kann der Coiffeur nicht nur die Rechnung gleich zur Zahlung freigeben, die App erkennt auch noch, dass es sich um Materialkosten handelt, und verbucht sie direkt. Auch die Lohnabrechnung kann der Coiffeur darüber abwickeln.
Früher kamen Arztzeugnis, Krankenakte, Lohnausweis und Rechnungen per Briefpost. Wir wollen heute einfach auch in der digitalen Welt sicherstellen, dass die Menschen weiterhin die Informationen so bekommen, dass sie niemand anders gelesen hat. Zu unseren Kritikern sage ich: Wir machen nichts anderes als das, was wir seit 170 Jahren machen. Nun einfach digital. Noch immer ist die Postfiliale nebst dem Postauto das wichtigste Kennzeichen eurer Präsenz in den Tälern.
Unbedingt. Wir wollen rund 800 eigene Filialen behalten, aber für Dritte öffnen. Wir haben bis jetzt schon zwei Krankenkassen und ein Finanzinstitut als neue Partner bekannt gegeben. So helfen wir, dass man in den Digi-Tälern leben und arbeiten kann.
Die Schweiz ist in drei Bereichen international gesehen digital unterentwickelt: erstens im Gesundheitswesen – das wissen wir seit Corona. Zweitens haben viele unserer KMU Nachholbedarf. Und drittens unser E-Government, also die Digitalisierung im Behördenumfeld. Die ganzen Einwohner-Prozesse sind bei uns immer noch nicht digital. Erst wenn alle Basisprozesse überall im Land voll digitalisiert sind, werden sich alle digital nass machen müssen.
Diesbezüglich läuft im Jura ein interessanter Pilotversuch, der gut zum Thema Digi-Tal passt: Der Kanton Jura führt derzeit den elektronischen Schalter ein. Die Postfiliale wird dabei im Auftrag des Kantons zum Erklärbüro, wo alle, die beim elektronischen Schalter des Kantons nicht drauskommen, bei uns am physischen Schalter in der Post Hilfe erhalten. Denn wir wollen auch in Zukunft die Menschen in unserem Land verbinden.