Eines gleich vorweg: Kommen Bea Petri, 70, Lia, 46, und Kim, 43, zusammen, wird viel gelacht. Seit sie nicht mehr miteinander arbeiten – Bea Petri überliess mit 61 den Betrieb ihren Töchtern – trifft sich das Trio regelmässig zum Lunch. Für diesen Fixtermin fährt die Rentnerin jeweils von Steckborn am Bodensee (dort lebt sie mit ihrem Partner Thomas Feurer) nach Zürich. «Meine Töchter arbeiten, haben Ehemänner, Kinder, Haushalt – und trotzdem sehen wir uns im Schnitt alle zwei Monate.» Auch Restaurant und Menü sind feste Bestandteile dieser Treffen: Choucroute de la mer in der Brasserie Lipp. Bea: «Sehr luxuriös, sehr viel, sehr gross – unser Ritual!» «Mami, das Glas Crémant hast du vergessen zu erwähnen», ergänzt Kim grinsend. Geredet wird übers Leben, die Ferien, Alltägliches. Das war nicht immer so. Lia: «Ich erinnere mich, wie Mami als ‹mystery person› von Geschäft zu Geschäft lief und uns danach sagte, was alles nicht rundläuft.» «Und auch heute weiss sie noch immer alles», meint Kim, «aber ‹Sorge chätsche› während unserer Treffen, das machen wir nicht mehr.» Mittlerweile habe sie eine gesunde Distanz, und ihre Interessen seien anders gelagert, erzählt Bea und fügt an: «Ich bin auch schon an einer ‹Schminkbar› vorbeigelaufen, ohne hinzuschauen. Ein gutes Zeichen!»
Die Idee kam ihr in New York
Sich alleine oder mit einer Freundin bei Maniküre, Haustee und Fruchtspiessli eine Auszeit vom Alltag zu gönnen, ist bei der «Schminkbar» nach über zwanzig Jahren noch immer Programm. Die Idee zu dem damals aussergewöhnlichen Konzept, einer Mischung aus Kosmetikstudio und Café, kam Bea in New York: «Dort sassen Frauen mit ihren Starbucks-Bechern im Nailstudio und liessen sich die Hände machen. Ich fragte mich, warum haben wir in der Schweiz nicht einen Ort, wo man reinlaufen, sich was Gutes tun und dabei stilvoll was trinken kann?» Als ihr bei einem Job als Maskenbildnerin fürs Schweizer Fernsehen in Bangkok im Hotel ein Haustee samt Fruchtspiess serviert wurde, war ihre Vision komplett: Bea Petri eröffnete 2003 an der Beatengasse in Zürich ihre «Schminkbar».
Vom Heimweh getrieben
«Ich war gerade in Los Angeles, als mich Mami anrief und sagte, ich hätte 24 Stunden Zeit, mir zu überlegen, ob ich bei der ‹Schminkbar› einsteigen möchte», erinnert sich Lia. Sie war ausgebildete Köchin mit abgeschlossener Hotelfachschule, «und du hattest Heimweh und brauchtest keine 24 Stunden um zuzusagen», sagt Bea. Auch Kim war sofort mit an Bord. Die gelernte Vergolderin steckte mitten in ihrer Zweitausbildung zur Maskenbildnerin. Heute zählt die «Schminkbar» über hundert Mitarbeitende an sieben Standorten.
Persönlich kuratierte Produkte im Portfolio
Das Interesse an Kosmetik wurde übrigens nicht beiden Mädchen in die Wiege gelegt. Während sich Kim stundenlang mit ihrer Mutter über Lidschatten und die Textur von Make-up unterhalten konnte, wagte sich Lia maximal an Lippenstift und Wimperntusche. Das Schminken überlässt sie noch heute anderen: «Ich erinnere mich gut, wie Mami und Kim im Ausland in den Warenhäusern wegen neu entdeckten Pinseln und Gloss in Begeisterungsstürme ausbrachen. Ich hingegen wollte nur in die Foodabteilung.» So ist es Kim, die neue Trends aufspürt und ausprobiert. Dabei ist sie kritisch: «Die koreanische ‹10-step skincare routine› bedeutet reinigen ohne Ende. Das ist einfach zu viel des Guten. Genauso das zurzeit viral gehypte Masken-Layering.» Für die übermotivierte Sephora-Kids-Generation entwickelten sie «Go and Glow», eine Art Workshop mit Tipps und Aufklärung. Kim: «Zurzeit herrscht in der Kosmetik ein Überangebot, und Nichtwissen führt oft zu Fehlentscheiden.» «Gut ist», fügt Lia an, «dass wir nie abhängig von einer Marke waren. Wir verwenden Produkte, hinter denen wir stehen. Deshalb gab es und wird es bei uns nie Gelnägel geben.»
«Ich bin der Ansicht, man darf dem Briefträger ruhig ohne Make-upgegenübertreten.»
Bea Petri
Strikt war Bea Petri auch mit ihren Töchtern. Diese griffen früher zwar ab und zu heimlich in ihr Schminktäschli (also vor allem eine von ihnen …), geschminkt hat sie die beiden aber nie: «Ich wollte, dass Lia und Kim natürlich sind. Ich bin noch heute der Ansicht, man darf dem Briefträger ruhig ohne Make-up gegenübertreten.» Die Kundinnen mit wertigen Produkten verwöhnen und sehen, wie sie sich entspannen und danach gefallen, freut hingegen alle drei. Die Liebe zum Produkt, Mut und Durchhaltewillen sind für Bea Petri, 2012 zur «Unternehmerin des Jahres» gewählt, denn auch die entscheidenden Erfolgsfaktoren. «Und Mami lehrte uns chrampfen. Wir kamen als Erste, gingen als Letzte. Noch immer versuchen wir Vorbilder zu sein.»
Schnell gehen soll es
Gönnt sich Bea Petri heute eine Behandlung in der «Schminkbar», setzt sie auf quick: «Als ungeduldige Person mag ichs, wenns schnell geht. Eine ‹Quick Pedicure› ist genau das Richtige.» Als Familienunternehmerinnen zweiter Generation lassen es Lia und Kim weiterhin gemächlich angehen. Als Nächstes steht die Eröffnung der «Schminkbar» Nr. 8 an: am Barfüsserplatz in Basel.
Weiterbildung ist alles
Ausbildung liegt in der DNA der «Schminkbar». An der Kosmetikschule Schminkbar Talent dauert die Ausbildung siebenMonate (ein Praktikum von drei Monaten inklusive) und wer gut ist, dem winkt einfester Arbeitsvertrag. Bea Petri gründete auch in Afrika eine Schule. NAS Mode in Ouagadougou, Burkina Faso, bietet jungen Frauen eine Ausbildung zur Schneiderin, Kosmetikerin oder Coiffeuse. Jährlich schliessen dort über 200 Frauen ihre Lehre ab. 80 Prozent von ihnen gelingt danach der Schritt in die Selbstständigkeit.