Sagen wirs mal so: Unser Alltag hat gewisse Charakterzüge eines typischen WG-Lebens. In der Küche stapelt sich öfter mal das schmutzige Geschirr, weil sich niemand zuständig dafür fühlt. Oder weil jede und jeder superultrawichtige andere Dinge erledigen muss. Wenn jemand (also ich) mal etwas, das im Kühlschrank gelagert wird, für sich haben möchte, muss mans anschreiben, sonst ists weg. Zudem ists ein ständiges Kommen und Gehen, alle wollen immer gleichzeitig ins Bad, es hat nie jemand das letzte WC-Papier aufgebraucht und vergessen, neues zu kaufen, und wenn man am Sonntagmorgen aufsteht, kanns sein, dass einem im Bad jemand entgegenstolpert, den oder die man noch nie im Leben gesehen hat.
So weit, so Wohngemeinschaft. Aber so richtig sind wir eben doch keine. Denn wären wir eine echte WG, wären nur schon die Finanzen anders verteilt. Dann würden nämlich nicht nur alle ihren Anteil an die Miete zahlen, sondern auch sonst ihr Leben selbst finanzieren. Und ganz sicher nicht zusätzlich noch Taschengeld einsacken. Wären wir eine echte WG, wäre nicht am Ende immer ich diejenige, welche die Küche aufräumt, auch wenn ich mir jedesmal schwöre, dass ich das Zeug nächstes Mal so lange vor sich hingammeln lasse, bis mal jemand anders den Geschirrspüler einräumt. Und wären wir eine echte WG, würde ich mich ganz sicher nicht um die Haustiere kümmern, welche meine WG-Gschpänli mir in die Wohnung geschleppt haben. (Ja, gut, würden diese sie sonst verrotten lassen, hätte ich vermutlich auch Mitleid).
«Wären wir eine echte WG, müsste ich nicht täglich fragen, ob man gedenke, zum Znacht hier zu sein»
Wären wir eine echte WG, wäre der Kühlschrank zwar vielleicht auch Allgemeingut. Und vielleicht auch der Badezimmerschrank (wenn ich ein neues Parfum nicht verstecke, ists innerhalb von eine paar Tagen leer. Das mit der Dosierung scheint auch noch etwas schwierig zu sein.) Aber wenigstens nicht mein Schuh- und Kleiderschrank. Und ganz sicher würde sich meine WG-Partnerin vor einer Party nicht nur für sich selbst, sondern auch noch für ihre Freundinnen daran bedienen (ich hätte echt gern ein Foto gesehen, wie die alle, von Körpergrösse und -fülle her total unterschiedlich, in meinen Klamotten ausgesehen haben.)
Wären wir eine echte WG, hätten wir einen Kochplan. Oder zumindest eine Vereinbarung, was das angeht. Dann müsste ich nicht sozusagen täglich meinen Gschpänli nachrennen und fragen, ob man gedenke, zum Znacht hier zu sein und wenn ja, um welche Zeit. Dann würde auch nicht so oft übers Essen gemotzt, oder darüber, dass es «kein Essen hat», obwohl der Kühlschrank voll ist. Wären wir eine echte WG, würde nicht WG-Gschpänli 2 ein WhatsApp an WG-Gschpänli 1 schicken, um zu fragen, was es Znacht gibt, und ob es davon probieren könne und ihm sagen, obs halbwegs schmeckt, je nachdem käme es eben heim oder nicht.
Wären wir eine echte WG, hätte ich nicht per Definition das letzte Wort. Das ist ja auch was.