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Der ganz normale Wahnsinn

Liebe Eltern, merkt ihr nicht, dass eure Kinder nerven?

Eltern sind in der Öffentlichkeit ein bisschen wie Velofahrerinnen und -fahrer auf der Strasse: Sie haben irgendwie das Gefühl, sie leisten mehr für die Gesellschaft als alle anderen, und haben deshalb immer Vortritt. Unsere Familienbloggerin darf das so schreiben – schliesslich ist sie selbst Mutter. (Den Shitstorm aller, die auf der Strasse in die Pedale treten, nimmt sie in Kauf).

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Sandra Casalini, bei sich zu Hause in Thalwil, mit ihren Kindern Gian und Joya, am 04.12.2018, Foto Lucian Hunziker

Geschrei gibts bei unserer Familienbloggerin und ihren Kindern nur noch hin und wieder im privaten Rahmen, nicht in der Öffentlichkeit.

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Kürzlich war ich in einem Flugzeug voller Eltern mit Kleinkindern. Vor fünfzehn Jahren hätte ich das vermutlich recht cool gefunden. Zum einen wäre ich umgeben von Gleichgesinnten gewesen. Und zum anderen ist man, wenn man selbst kleine Kinder hat, wohl wirklich einfach so gewöhnt an Schreien, Sabbern und Sachen rumwerfen, dass man in der Öffentlichkeit eine Art Immunität dagegen entwickelt hat.

Heute aber, wo meine Kinder im öffentlichen Raum nicht mehr schreien, sabbern und Spielzeug an die Köpfe Unbekannter werfen, bin ich nicht mehr ganz so erpicht auf die Gesellschaft stolzer Kleinkind-Eltern samt Nachwuchs. Erst recht nicht, wenn sie im Rudel anzutreffen sind. Ich war recht froh, als ich nach gut drei Stunden den Flieger verlassen konnte.

Waren meine Kinder auch so nervig?

Beim Warten am Gepäckband hockten sich dann zwei liebliche Geschöpfe im Kindergartenalter auf ebendieses und warteten aufgeregt rumschreiend darauf, dass es loslegen würde. Liebevoll beobachtet von ihren stolzen Eltern, die das offenbar total witzig fanden. Als das Band sich in Bewegung setzte, haute es das eine Kind hintenüber, es schlug den Kopf an und begann noch lauter zu plärren. Der Vater zog es vom Gepäckband, während ein älteres Kind dem Rucksack des jüngeren, der auf dem Band davonlief, mit geschwellter Brust und heroischen Gesten nachrannte, ungeachtet, wer ihm dabei im Weg stand. «Um Himmels Willen, waren meine Kinder auch so nervig?», fragte ich mich. «Und fand ich sie auch immer noch total witzig und herzig, auch wenn sie sich daneben benehmen?» Die Antwort ist: Vermutlich schon.

«Am Ende ist das Leben ja auch immer ein Kreislauf. Die Leute, die sich über meine Kinder nervten, fanden ihre eigenen früher bestimmt auch mal gar nicht so schlimm. »

Und ziemlich sicher fand ich mich und mein Doppelpack im Kinderwagen auch viel wichtiger als alle anderen im Tram, was mir total das Recht gab, mit dem Ding allen den Weg zu versperren. Und ziemlich sicher fand ich es zwar peinlich, wenn eines meiner Kids in der Öffentlichkeit rumschrie, aber auch irgendwie herzig. Und ziemlich sicher fand ich es irgendwie witzig, als mein eines Kind in einem Lift ganz laut fragte, warum die dicke Frau so stinke … Gut, das finde ich immer noch. Und am Ende ist das Leben ja auch immer ein Kreislauf. Die Leute, die sich über meine Kinder nervten, fanden ihre eigenen früher bestimmt auch mal gar nicht so schlimm. So wie die Eltern der lieben Kleinen am Flughafen-Gepäckband.

Von SC am 10. Juni 2023 - 18:00 Uhr